7 Wonders Leaders

Nachdem wir uns kürzlich bereits ausführlich mit dem Basisspiel von 7 Wonders auseinandergesetzt haben, werfen wir heute einen Blick auf die Spielerweiterung 7 Wonders Leaders.

Der Spielkarton

Betrachten wir zunächst den Spielkarton. Zentral in der Mitte ist hier eine Frau zu sehen, die aufgrund ihrer Frisur, ihres Makeups sowie eines Stabs, der an Darstellungen des Anubis erinnert, eindeutig ägyptisch wirkt und ohne Zweifel Kleopatra repräsentieren soll.

Links hinter ihr steht ein Mann mit verschränkten Armen, der Militärkleidung, einen roten Umhang sowie einen Lorbeerkranz auf dem Kopf trägt und somit sicherlich Caesar darstellt.

Rechts im Hintergrund befindet sich ein in grün gekleideter älterer Mann mit Vollbart in Denkerpose, der stellvertretend für diverse antike Gelehrte stehen dürfte, ohne dass man genauer sagen könnte, um welche konkrete Person es sich handeln mag.

Hinter den drei Personen ist unscharf das Kolosseum zu sehen, sodass das Titelbild des Kartons eindeutig einen Eindruck von „klassischer Antike“ vermittelt.

Bei einer älteren Version des Spiels ist die Anordnung noch anders: Hier steht Caesar links im Vordergrund, Kleopatra rechts hinter ihm und der Gelehrte noch weiter hinten mittig. Kleopatra wird somit auf dem neuen Karton deutlich gegenüber Caesar aufgewertet, was sicherlich dem Umstand entspricht, dass wir nach einer langen Vernachlässigung weiblichen Persönlichkeiten der antiken Welt heute endlich mehr Aufmerksamkeit widmen.

Spielkarton 7 Wonders Leaders
Der Spielkarton von „7 Wonders Leaders“

Zusätzliche Weltwunder

Passend zum Bild auf dem Spielkarton führt 7 Wonders Leaders das Kolosseum in Rom als neues Weltwunder ein. Hinzu kommt der Felsentempel Pharao Ramses II. in Abu Simbel.

Während mit Rom also eine neue geographische Region Einzug ins Spiel erhält, greift der Felsentempel erneut Ägypten auf, das bereits durch die Pyramiden und den Leuchtturm von Alexandria eine starke Präsenz in 7 Wonders zeigt. Hier wäre vielleicht etwas mehr geographische und kulturelle Varianz wünschenswert.

Weltwunder, 7 Wonders Leaders Nacht
Die neuen Weltwunder in „7 Wonders Leaders“ bei Nacht

Neue Münzen

Da durch die Erweiterung mehr Geld im Umlauf ist, präsentiert uns 7 Wonders Leaders neue Münzen, die einen Wert von 6 Drachmen aufweisen und deren Rückseite ein Farnblatt zeigt.

Münzen 7 Wonders Leaders
Die neuen Münzen aus „7 Wonders Leaders“

Leaders – Die Führungspersönlichkeiten

7 Wonders Leaders präsentiert uns 55 Karten mit Führungspersönlichkeiten, die sich passend zum Titelbild des Spielkartons grob in die Bereiche Herrschaft/Militär und Wissenschaft/Philosophie/Kunst/Kultur einordnen lassen. Sinn dieser Führungspersönlichkeiten ist es, den Spieler*innen durch verschiedene Boni neue strategische Möglichkeiten zu eröffnen.

Die Herrscherinnen und Herrscher und das Militär

Beginnen wir unseren kleinen Überblick mit Charakteren, die entweder selbst die Herrschaft innehatten oder aber großen Einfluss auf Herrschaftspersönlichkeiten ausgeübt haben. Während manche Charaktere allgemein als Herrscher*innen präsentiert werden, steht bei anderen deutlich das Militärische im Vordergrund.

Ägypten

Durch 3 der insgesamt 9 Weltwunder des Spiels ist Ägypten in 7 Wonders und 7 Wonders Leaders stark vertreten. Bei den männlichen Herrschaftspersönlichkeiten findet sich mit Ramses dennoch nur ein einziger ägyptischer Pharao. Vom Bild und von der Beschriftung der Karte her ist nicht ersichtlich, welcher Ramses gemeint ist. Wahrscheinlich handelt es sich um Ramses II., der den Beinamen „der Große“ trägt.

Dem stehen ganze vier weibliche Herrscherinnen gegenüber, die eindeutig ägyptisch sind. Diese wären die Pharaoninnen Nitokris (22. Jh. v.Chr.), Hatschepsut (15. Jh. v.Chr.), Nofretete (14. Jh. v.Chr.) sowie Kleopatra VII. (1. Jh. v.Chr.). Interessant erscheint, dass die vier Herrscherinnen durchaus unterschiedliche Kleidung und Accessoires aufweisen, aber dennoch alle auf den ersten Blick ägyptisch wirken.

Während bei Hatschepsut und Nofretete offensichtlich die jeweiligen Büsten im Ägyptischen Museum Berlin als Vorlage ihrer Darstellung dienten, entspricht Kleopatra wie schon auf dem Spielkarton ihrer typischen Darstellung in der modernen Populärkultur, die vielleicht besonders stark durch Liz Taylor im Film Cleopatra (1963) geprägt wurde. Nitokris scheint optisch an Nofretete angelehnt zu sein, wobei sie in Bezug auf Hautfarbe und Gesicht besonders afrikanisch wirkt.1

Mit Arsinoë weist das Spiel noch eine Frau auf, die wie Kleopatra in die hellenistische Zeit Ägyptens gehört. Leider fehlt auf der Karte eine Ordnungszahl, sodass ich abwägen muss, welche Trägerin des Namens gemeint sein könnte. Vermutlich handelt es sich um Arsinoë II.

7 Wonders Leaders Ägyptische Herrscher
Ägyptische Herrscherinnen und Herrscher in „7 Wonders Leaders“

Babylon

In Babylon begegnen uns zwei prominente Namen. Zunächst finden wir hier den nicht zuletzt wegen des nach ihm benannten Kodex berühmten König Hammurabi (18. Jh. v.Chr.). Zu ihm gesellt sich König Nebukadnezar, wobei das Spiel offen lässt, ob es Nebukadnezar I. (12. Jh. v.Chr.) oder Nebukadnezar II. (7.-6. Jh. v.Chr.) meint. Aufgrund seiner größeren Bekanntheit und seiner Nennung in der Bibel dürfte jedoch Letzterer wahrscheinlicher sein.

Babylon 7 Wonders Leaders
Die babylonischen Herrscher in „7 Wonders Leaders“

Israel, Phönizien und Saba

In Israel und der phönizischen Stadt Tyros treffen wir zwei Herrscher, die in die gleiche Zeit einzuordnen sind. So haben wir in Israel den berühmten König Salomon (10. Jh. v.Chr.), während König Hiram I. (10. Jh. v. Chr.) für das benachbarte Phönizien steht.

Die Königin von Saba (heutiges Jemen) soll im 10. Jh. v.Chr. den Hof des Königs Salomon aufgesucht haben. In 7 Wonders Leaders scheint sie mir interessanterweise zweifach vorzukommen: einmal als Makeda, wie sie in den äthiopischen Varianten der Erzählung heißt, und einmal als Bilkis, wie sie die arabisch-islamische Überlieferung nennt.

Salomon, hiram, Königin von Saba
Salomon, Hiram und gleich zwei Königinnen von Saba (7 Wonders Leaders)

Phrygien und Lydien

Mit Midas und Krösus präsentiert uns 7 Wonders Leaders zwei kleinasiatische Könige, die sich bis heute einer größeren Bekanntheit erfreuen. Während der sagenumwobene Midas (8. Jh. v.Chr.) als König von Phrygien laut Mythos alles in Gold verwandelte, was er anfasste, steht der Name des Lyderkönigs Krösus (6. Jh. v.Chr.) bis heute für ungeheuren Reichtum. Hinzu kommt die berühmte Geschichte vom falsch verstandenen Orakelspruch, der Krösus zu einem fatalen Angriff auf das Perserreich motiviert haben soll.

Midas Krösus
Die Könige Midas und Krösus in „7 Wonders Leaders“

Das Perserreich

Als Repräsentant des Perserreiches tritt König Dareios auf. Auch hier fehlt wieder die Ordnungszahl, doch ist wohl davon auszugehen, dass es sich um Dareios I. (der Große) handelt (6.-5. Jh. v.Chr.).

Auf einer weiteren Karte finden wir eine „orientalisch“ gekleidete Frau namens Amyitis, bei der sowohl Amytis von Medien (6. Jh. v. Chr.) als auch um Amytis von Persien (5. Jh. v.Chr.) gemeint sein könnte. In beiden Fällen handelt es sich um eine Angehörige der persischen und ggf. auch medischen Königsfamilien.

Persien
Die Spielkarten mit persischen Herrscherinnen und Herrschern in „7 Wonders Leaders“

Die Massageten

Die Massageten waren ein Reitervolk, das im 6. Jh. v.Chr. östlich des Kaspischen Meeres lebte. Erwähnung finden sie in der griechisch-römischen Geschichtsschreibung, weil der Perserkönig Kyros II. um 530 v.Chr. einen Feldzug gegen die Massageten unternahm. Doch unterlag Kyros II. der Massagetenkönigin Tomyris in einer Schlacht, bei der er auch sein Leben verlor.

Tomyris 7 Wonders Leaders
Die Massagetenkönigin Tomyris in „7 Wonders Leaders“

Die griechische Welt

Die klassische Zeit – Das 5. Jh. v.Chr.

Die Karten, die die griechische Welt repräsentieren, verzichten gänzlich auf Gestalten der Mythologie (Trojanischer Krieg etc.), sondern setzen mit dem 5. Jh. v.Chr. in einer historisch relativ gut gesicherten Zeit ein. Hier macht der Spartanerkönig Leonidas I. den Anfang, der 480 v.Chr. in der Schlacht bei den Thermopylen gefallen war, wobei positiv anzumerken ist, dass er anders als bei vielen auf Frank Millers 300 folgenden Darstellungen eine Rüstung trägt und nicht mit freiem Oberkörper in die Schlacht zieht.

Auch Leonidas‘ Frau Gorgo findet sich auf einer Spielkarte wieder. Als Tochter, Ehefrau und Mutter von Königen passt sie schließlich hervorragend in die Kategorie der Herrscherinnen, zumal Gorgo durch die 300-Verfilmung erheblich an Bekanntheit gewonnen hat.

Von den Perserkriegen geht es weiter zum Peloponnesischen Krieg, in dem der Politiker Perikles von 443 v.Chr. bis zu seinem Tod 429 v.Chr. die Geschicke der athenischen Demokratie gelenkt hatte. Passenderweise gibt es auch eine Karte mit Perikles‘ zweiter Frau, Aspasia von Milet, die in Athen einen philosophischen Salon eröffnet hatte.

Die klassische Zeit – Das 4. Jh. v.Chr.

Spannend erscheint die spartanische Königstochter Kyniska, die 396 und 392 v.Chr. mit ihrem Viergespann bei den Olympischen Spielen das Wagenrennen gewann und damit als erste weibliche Olympiasiegerin in die Geschichte eingegangen ist. Anders als die Spielkarte in 7 Wonders Leaders vermuten lässt, steuerte Kyniska ihr Viergespann jedoch nicht selbst, sondern war „nur“ die Besitzerin. Frauen war es zur damaligen Zeit nicht gestattet, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, doch gewann beim Viergespann eben der Besitzer bzw. die Besitzerin und nicht der Fahrer.

Im vierten Jh. v.Chr. begegnen wir schließlich noch der berühmten Hetaire Phryne. Hetairen würde man heute vielleicht als Begleitdamen oder Escorts bezeichnen. Neben weiblichen Reizen glänzten luxuriösere Hetairen auch mit Bildung, musikalischer Ausbildung etc.

Der Hellenismus

Danach geht es vom Peloponnesischen Krieg zu Alexander dem Großen (356-323 v.Chr.) und seinem Zug gegen das Perserreich. Aufgrund der besonderen Prominenz des Makedonenkönigs, kann diese Wahl sicherlich niemanden überraschen.

Griechenland 7 Wonders Leaders
Griechische Herrschaftspersönlichkeiten aus „7 Wonders Leaders“

Karthago

Für Karthago zieht mit Hannibal ohne Zweifel der bei weitem berühmteste Sohn der Stadt ins Feld. Passend zu den Elefanten in der karthagischen Armee reitet Hannibal auf der Spielkarte auf einem solchen Kriegstier.

Hannibal 7 Wonders
Der karthagische Feldherr Hannibal in „7 Wonders Leaders“

Rom

Die republikanische Zeit

Die Römische Republik hat einige berühmte Persönlichkeiten zu bieten, von denen jedoch kaum eine im Spiel in Erscheinung tritt. Stattdessen präsentiert uns eine Karte unter dem Namen „Cornelia“ eine ältere mütterliche Figur, neben der zwei sehr junge Männer stehen. Gemeint ist natürlich Cornelia, die Tochter des Hannibal-Bezwingers Scipio Africanus und Mutter der Gracchen, die in Rom als Paradebeispiel für eine tugendhafte Mutter galt.

Dazu passt eine weitere Karte, die eine Octavia zeigt, mit der Octavia Minor, die jüngere der beiden älteren Schwestern des Octavian/Augustus gemeint sein muss. Anders als die meisten anderen Frauen im Spiel wird sie nicht sexy-lasziv oder sportlich-attraktiv dargestellt, sondern als eine etwas kräftigere Mutter mehrerer Kinder. Denn als Frau des Marcus Antonius galt Octavia als vorbildliche Frau und Mutter, die sich nicht in die Politik einmischte, sondern auf die Aufgaben konzentrierte, die das damalige Rollenverständnis für eine Frau vorsah.

Der erste Mann, der uns für die republikanische Zeit präsentiert wird, ist dann auch gleich mit Gaius Iulius Caesar einer der wesentlichen Totengräber der Römischen Republik, über den an dieser Stelle aufgrund seiner enormen Popularität an dieser Stelle nicht viel gesagt werden muss.

Die römische Kaiserzeit

Die Männer

Für die römische Kaiserzeit hat 7 Wonders Leaders die Kaiser Caligula (37-41 n.Chr.), Nero (54-68 n.Chr.), Diokletian (284-305 n.Chr.) und Justinian I. (527-565 n.Chr.) ausgewählt. Mit Caligula und Nero liegt der Schwerpunkt deutlich auf der julisch-claudischen Dynastie, während Diokletian und Justinian stellvertretend für die nächsten fünf Jahrhunderte stehen.

Dem skandalträchtigen Bild entsprechend, das die antiken Quellen von Caligula zeichnen, zeigt ihn die Spielkarte eindeutig als finstere Gestalt. Auch Neros Darstellung passt gut zum negativen Image des Kaisers in der öffentlichen Wahrnehmung. Etwas überraschend erscheint, dass auch Diokletian sehr düster inszeniert wird, obwohl er das Römische Reich erfolgreich reformierte. Hier scheint die religiöse Perspektive eine Rolle zu spielen, die Diokletian aufgrund seiner Christenverfolgungen wohl zwangsläufig negativ erscheinen lässt.

Mit Justinian nähern wir uns dem Ende der Antike und dem Beginn des oströmischen bzw. byzantinischen Reiches. Passenderweise zeigt seine Spielkarte die unter seiner Herrschaft errichtete Hagia Sophia, wobei die Frage im Raum steht, weshalb 7 Wonders Leaders die Hagia Sophia mit Minaretten zeigt, die ja erst nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels 1453 n.Chr. errichtet wurden. Vielleicht handelt es sich hier um einen Fehler, vielleicht wollte der für die Zeichnung verantwortliche Künstler2 aber auch sichergehen, dass die Spieler*innen erkennen, dass das Gebäude die Hagia Sophia darstellen soll.

Die Frauen

Aus rheinländischer Sicht ist es sehr zu begrüßen, dass mit Agrippina der Jüngeren die Stadtgründerin Kölns im Spiel vertreten ist. Als Schwester des Caligula und Mutter des Nero passt sie schön zu den Karten der beiden bereits erwähnten Kaiser, zumal Agrippina – auch als Gattin des Kaisers Claudius (41-54 n.Chr.) – als eine ausgesprochen mächtige Angehörige der julisch-claudischen Dynastie zu bezeichnen ist. Interessanterweise sehen wir auf dem Bild einen kleinen Jungen, der zu seiner strengen Mutter hinauf sieht und dabei einen Dolch oder ähnliches hinter seinem Rücken versteckt. Dabei handelt es sich um eine klare Anspielung darauf, dass Nero seine Mutter 59 n.Chr. ermorden ließ.

Schließlich liegt noch eine Berenike-Karte vor, die vermutlich Berenike, die Tochter Agrippas, darstellen soll, die im 1. Jh. n.Chr. lebte. Berenike gehörte dem jüdischen Königshaus an, trat aber später auf die Seite Roms, wobei ihr Name mit diversen sexuellen Ausschweifungen verbunden ist. Alternativ könnte die Karte eine Berenike des ptolemaiischen Könighauses in Ägypten meinen. Aufgrund der Darstellung gehe ich aber von der Tochter des Herodes Agrippa aus.

Rom 7 Wonders Leaders
Die römischen Herrschaftspersönlichkeiten im Spiel „7 Wonders Leaders“

Palymyra

Von 267/68 bis 272 n. Chr. nutzte die palmyrische Herrscherin Zenobia eine Schwächephase des Römischen Reiches aus, um sich im Osten weitgehend selbständig zu machen und ihr Herrschaftsgebiet derart auszudehnen, dass es von Kleinasien bis Ägypten reichte, bis Kaiser Aurelian sie schließlich bezwingen konnte. Aufgrund ihrer bemerkenswerten Erfolge ist sie immer wieder in der Populärkultur anzutreffen.3

Zenobia 7 Wonders
Zenobia von Palmyra in „7 Wonders Leaders“

Was machen wir mit Eurypyle?

Eine Spielkarte zeigt eine Frau, die von ihrem gesamten Erscheinungsbild her klar „afrikanisch“ wirkt. Nun hört sie aber auf den Namen Eurypyle, den auch eine Amazonenkönigin trug. Kleidung, Ausrüstung und Accessoires erinnern jedoch in keiner Weise an eine Amazone, sondern eher an eine „afrikanische“ Stammeskriegerin. Daher ist es möglich, dass mit der Karte eine gänzlich andere Frau gemeint ist. Es gibt durchaus weitere Trägerinnen dieses Namens, doch scheint mir hier keine wirklich zu passen.

Eurypile 7 Wonders
Die Amazone (?) Eurypile in „7 Wonders Leaders“

Wissenschaft, Philosophie, Kunst und Kultur

Nachdem wir nun zahlreiche Herrscherinnen und Herrscher kennengelernt haben, werfen wir einen Blick auf die Persönlichkeiten, mit denen 7 Wonders Leaders Wissenschaft, Philosophie, Kunst und Kultur der Antike widerspiegeln möchte.

Philosophie, Astronomie und Mathematik

Vorchristliche Denker

Im Bereich der Philosophie begegnen wir zunächst Pythagoras (6. Jh. v.Chr.), der allen Leser*innen aufgrund des nach ihm benannten mathematischen Satzes (a2 + b2 = c2) vertraut sein dürfte. Dementsprechend sehen wir Phytagoras auf seiner Spielkarte vor einem Dreieck, bzw. einer Pyramide.

Zu den Pythagoräern, also den Anhänger*innen der Lehren des Pythagoras, soll auch Theano (6./5. Jh. v.Chr.) gezählt haben. Leider ist die Quellenlage zu Theano derart schlecht, dass nicht viel Sicheres zu ihr gesagt werden kann, was gelegentlich sogar dazu führt, dass sie für eine Erfindung gehalten wird.

Weiter geht es mit Platon (428/427-348/347 v.Chr.), der aufgrund seiner umfassenden und bis heute stark rezipierten Schriften zweifelsfrei zu den bedeutendsten Philosophen der Weltgeschichte zählt. Ähnliches gilt natürlich auch für seinen Schüler Aristoteles (4. Jh. v.Chr.).

Mit Euklid, dessen Lebensdaten nicht sicher sind (vielleicht 4. oder 3. Jh. v.Chr.) kehren wir wieder zu einem Philosophen zurück, der uns heute primär als Mathematiker bekannt ist. Auch Archimedes von Syrakus (3. Jh. v.Chr.) trat als Ingenieur und Physiker, besonders aber auch als Mathematiker in Erscheinung. Seine Karte zeigt die berühmte Heureka-Szene in der Badewanne.

Ein sehr spannender Fall ist Aganike (vielleicht zwischen 3. Jh. v.Chr. und 1. Jh. n.Chr.), die auch als Aglaonike bekannt ist und zu den thessalischen Hexen zählte, denen traditionell nachgesagt wurde, dass sie den Mond auf die Erde herunterzaubern könnten (schol. Apollonios von Rhodos 4,59). Der Schriftsteller Plutarch (etwa 45-125 n.Chr.) schloss aus dieser Überlieferung, dass Aglaonike vermutlich astronomischen Studien nachgegangen sei und deshalb Mondfinsternisse berechnen konnte, weshalb der Volksglaube eine Zauberin aus ihr gemacht habe.4

Nachchristliche Denkerinnen und Denker

Claudius Ptolemäus (2. Jh. n.Chr.) war wie viele der hier genannten Persönlichkeiten in mehreren wissenschaftlichen Bereichen tätig, ist heute aber besonders für das stark durch ihn geprägte geozentrische Weltbild bekannt, das für lange Zeit von größter Bedeutung war. Seine Darstellung auf der Spielkarte wirkt eher mittelalterlich oder frühneuzeitlich und erinnert sehr an ein Portrait aus dem Jahr 1825.

Den chronologischen Abschluss dieser Rubrik bildet die in Alexandria lehrende Philosophin Hypathia (355-415/416), die wegen ihrer astronomischen Studien, besonders aber auch wegen ihrer grausamen Ermordung durch einen christlichen Mob in Erinnerung geblieben ist.

Philosophen, Mathematiker, Astronomen, 7 Wonders
Die Philosoph*innen, Mathematiker*innen und Astronom*innen aus dem Spiel „7 Wonders Leaders“

Architektur

Auch wenn wir nicht so genau wissen, mit welchen konkreten Aufgaben Imhotep (um 2700 v.Chr.) tatsächlich im Namen des ägyptischen Pharaos betraut war, gilt er als Baumeister, dem später auch weitere wissenschaftliche Leistungen zugesprochen wurden.

Als zweiten Vertreter der Architektur präsentiert und 7 Wonders Leaders Vitruv (1. Jh. v.Chr.), dessen architekturtheoretischen Schriften noch heute im Studium Verwendung finden.

Imhotep, Vitruv, 7 Wonders
Die Architekten/Baumeister Imhotep und Vitruv im spiel „7 Wobders Leaders“

Bildhauerei

Phidias (5. Jh. v.Chr.) passt nicht nur sehr schön zu 7 Wonders, weil er zu den berühmtesten Bildhauern der Antike zählt, sondern auch, weil eines seiner Werke – die Zeus-Statue von Olympia – zu den 7 Weltwundern zählt, die dem Spiel seinen Namen gegeben haben.

Zu ihm gesellt sich Praxiteles (4. Jh. v.Chr.), dem eine ähnliche Bedeutung zukommt und der besonders für die Aphrodite von Knidos und den Hermes von Olympia bekannt ist.

Phidias und Praxiteles 7 Wonders
Die Bildhauer Phidias und Praxiteles im Spiel „7 Wonders Leaders“

Dichtung und Schriftstellerei

Akkad

Mit Enheduanna (23. Jh. v.Chr.) ist die erste Vertreterin der Bereiche Dichtung und Schriftstellerei äußerst früh anzusetzen. Als Tochter des Sargon von Akkad war sie als Hohepriesterin des Mondgottes in der Stadt Ur tätig und verfasste verschiedene literarische Werke. Es ist gut möglich, dass sie die älteste namentlich bekannte Person ist, die literarische Texte verfasste.

Die griechische Welt

Mit der Dichterin Sappho begeben wir uns nach Griechenland und ins 7.-6. Jh. v.Chr. Sappho ist nicht nur wegen ihrer enormen künstlerischen Fähigkeiten in Erinnerung geblieben, sondern auch wegen des Umstands, dass sich die Bezeichnung „lesbisch“ davon ableitet, dass Sappho und ihre Schülerinnen auf der Insel Lesbos lebten und manche in ihrem Werk homoerotische Tendenzen sehen.

Von den Werken der Dichterin Telesilla (5. Jh. v.Chr.) aus Argos ist nur wenig erhalten geblieben, doch spiegelt sich ihre Bedeutung darin wieder, dass ein Versmaß, das sie gerne verwendete, ihren Namen trägt. Laut Pausanias (2,20,8-10) und Plutarch (Moralia 245c–f) sammelte Telesilla Frauen, Männer im nicht-waffenfähigen Alter und Sklaven unter ihrem Kommando, nachdem die im Heer dienenden Männer von Argos bei der Verteidigung ihrer Stadt gegen die Spartaner gefallen waren.

So soll es Telesilla und ihren Mitstreiter*innen gelungen sein, die Spartaner an der Einnahme von Argos zu hindern, weshalb ihr große Ehrbekundungen zuteil wurden. Dazu zählte ein Bildnis von ihr im Tempel der Aphrodite, dessen Beschreibung bei Pausanias (2,20,8) entfernt an die Darstellung auf der Spielkarte erinnert.

Der Sokrates-Schüler Xenophon (5.-4. Jh. v.Chr.) hat zahlreiche Schriften hinterlassen, die teilweise philosophischer, teilweise aber auch historiographischer Natur waren. Sein bekanntestes Werk dürfte die Anabasis sein, in der Xenophon die Rückkehr von 10.000 griechischen Söldner schildert, die im Perserreich auf Seiten eines aufständischen Prinzen gegen den König gekämpft hatten. Xenophon war als Soldat und Offizier persönlich an diesen Ereignissen beteiligt.

Rom

Mit Marcus Terentius Varro (2.-1. Jh. v.Chr.) war ein bedeutender römischer Universalgelehrter, dessen umfassendes Werk sich bis in die Spätantike hinein einer großen Wirkungskraft erfreute. Varro schrieb u.a. über Sprachwissenschaft, Theologie, Philosophie und Landwirtschaft. Von ihm stammt die Zeitrechnung, die mit der (fiktiven) Stadtgründung Roms im Jahr 753 v.Chr. beginnt (ab urbe condita).

7 Wonders
Die Schöpfer*innen literarischer Werke im Spiel „7 Wonders“

Der Mäzen – ein Förderer der Künste

Beenden wir unseren kleinen Überblick über die Spielkarten in 7 Wonders Leaders mit einer Person, deren Name geradezu zu einem Gattungsbegriff wurde. Gemeint ist Gaius Maecenas, der ein enger Berater des Kaisers Augustus, besonders aber auch ein großer Förderer von Kunst und Kultur war. Wenn wir heute von einem Mäzen sprechen, gedenken wir damit quasi diesem Prototypen eines Förderers.

Maecenas 7 Wonders
Maecenas in „7 Wonders Leaders“ – Wer so viel für die Kultur tut, der darf auch mal snobbisch gucken!

Die Aufteilung der Führungspersönlichkeiten

Positiv fällt auf, dass es den Spielemachern gelungen ist, immerhin 25 der 55 Führungspersönlichkeiten weiblich zu besetzen, was aufgrund der männlichen Dominanz innerhalb der antiken Überlieferung keine Selbstverständlichkeit ist. Besonders auffällig erscheint, dass in Ägypten zwei männliche Charaktere fünf weiblichen Personen gegenüberstehen.

Bei den militärisch-politischen Karten ist Rom am dominantesten (9 Karten), dicht gefolgt von der griechischen Welt (7 Karten) und Ägypten (6 Karten). Die übrigen Karten verteilen sich auf berühmte Gegenspieler*innen dieser drei Gruppen sowie auf biblische Charaktere.

Bei Wissenschaft, Philosophie, Kunst und Kultur liegen die Griech*innen mit 12 von 19 Karten eindeutig in Führung. Dies entspricht dem auf meinen bisherigen Forschungen basierenden Eindruck, dass das antike Rom in der Populärkultur gerne in Bezug auf Herrschaft und Militär rezipiert wird, während bei der griechischen Welt diesbezüglich klar Philosophie, Kunst und Kultur im Vordergrund stehen.

Etwas überraschend erscheint, dass 7 Wonders Leaders zwar ein belgisch-französisches5 Spiel ist, aber abgesehen von Julius Caesar keine Charaktere mit größerem Belgien- oder Frankreichbezug vorkommen. Vercingetorix wäre diesbezüglich etwa ein naheliegendes Beispiel. Grundsätzlich spielt der keltisch-germanische Raum keinerlei Rolle im Spiel.

Kritikpunkte an den Führungspersönlichkeiten

Wie gesagt, kann es durchaus beabsichtigt sein, dass die Hagia Sophia auf der Justinian-Karte mit Minaretten dargestellt ist, um den Wiedererkennungswert zu erhöhen. Auch hat es aus praktischen Gründen Sinn, die Olympiasiegerin Kyniska im Viergespann zu zeigen, da es wesentlich komplizierter gewesen wäre, sie als Besitzerin abzubilden. Daher möchte ich das Spiel für solche Abweichungen nicht kritisieren.

Wirklich ärgerlich ist hingegen, dass auf den Karten immer nur ein einziger Name steht und Ordnungszahlen oder Beinamen weggelassen wurden. Dies erschwert eine Zuordnung teilweise ungemein. In den meisten Fällen ist schlichtweg die berühmteste Person des betreffenden Namens gemeint, doch gibt es Fälle wie Berenike, bei denen mehrere historische Persönlichkeiten in Betracht kommen könnten.

Auf einigen Karten stellt das Spiel Frauen sehr lasziv-sexy dar, wobei gelegentlich der Eindruck entsteht, dass die Auswahl einer Persönlichkeit ein wenig mit ihrer (angeblichen) Verruchtheit zusammenhängen könnte. Dem stehen aber ganz klar Cornelia, Octavia und die weiblichen Denkerinnen gegenüber.

Lob

Andererseits ist festzuhalten, dass 7 Wonders Leaders den Spieler*innen teilweise wirklich tolle Persönlichkeiten präsentiert, denen sie vermutlich erst über dieses Spiel zum ersten Mal begegnen. Während die männlichen Charaktere im Spiel größtenteils allgemein bekannt sein dürften, gilt dies besonders für einige der weiblichen Personen. Natürlich kennen alle Spieler*innen Kleopatra, aber wer hat schon einmal von Enheduanna, Telesilla oder Tomyris gehört?

Sicherlich wird nur ein Teil der Spieler*innen auf die Idee kommen, Personen nachzuschlagen, die ihnen unbekannt sind. Diejenigen, die das Spiel zur Recherche motiviert, lernen aber sicherlich höchst interessante Persönlichkeiten kennen, denen man sonst in der Populärkultur kaum bis gar nicht begegnet.

Ideen für weitere Persönlichkeiten

Natürlich fallen mir verschiedene Persönlichkeiten ein, die man sich noch zusätzlich wünschen könnte. Was ist z.B. mit Artemisia, Boudicca, Penthesilea, Sokrates, Theodora oder Trajan?

Im Rahmen verschiedener Werbeaktionen erschienen zusätzliche Karten mit Stevie Wonder, Wil Wheaton, Louis Armstrong, den 7 Wonders Leaders-Entwicklern Cédrick Caumont und Thomas Provoost (hier einsehbar), sowie Esteban, dem neugeborenen Sohn des Autors des Spiels, Antoine Bauza. Das ist durchaus witzig, bricht aber natürlich ein wenig mit dem antiken Kontext. Treffender erscheint da die Karte Nimrod, die den mythischen Jäger und König aus dem Alten Orient darstellt.

So wie sich diese Werbemaßnahmen ins Spiel integrieren lassen, können geneigte Spieler*innen selbstverständlich auch selbst neue Persönlichkeiten für das Spiel entwerfen.

Schlussgedanken

Bei meiner Besprechung des Basisspiels von 7 Wonders merkte ich an, dass mir manche Elemente die Illusion erschweren, mich während des Spielens in einer antiken Welt zu befinden. Davon kann bei der Erweiterung Leaders keine Rede mehr sein. Mehr Antike bzw. Altertum geht nun wirklich nicht mehr.

Insofern ist 7 Wonders Leaders für mich nicht nur von der Spielmechanik her eine tolle Erweiterung, sondern besonders auch aus der Perspektive eines Liebhabers der antiken Welt.

7 Wonders Leaders Titelbild
7 Wonders Leaders

Mehr? Dann auf zum ersten Artikel und zum Podcast!

Wenn Ihr mehr über 7 Wonders erfahren möchtet, findet Ihr hier meine Besprechung des Basisspiels.

Hört außerdem gerne in die Episode 12 unseres Podcasts rein, in der es um Antikenrezeption im Brettspiel geht. In dieser Folge haben mich Anna Klara Falke und Lukas Boch von Boardgame Historian erstmals auf das Spiel aufmerksam gemacht.

Michael Kleu

Anmerkungen

  1. Die Frage nach der Hautfarbe von Menschen aus dem Alten Ägypten führt bei modernen Darstellungen immer wieder zu Kontroversen.
  2. Die Illustrationen des Spiels stammen von Miguel Coimbra, Etienne Hebinger und Dimitri Chappuis.
  3. Vgl. zur Rezeption der Zenobia besonders das Literaturverzeichnis meiner Kollegin Anja Wieber.
  4. Plutarch coniugalia praecepta 48,145c; de def. or. 13,417a.
  5. Autor des Spiels ist der Franzose Antoine Buaza. Entwickelt und veröffentlicht wurde es von den Belgiern Cédrick Caumont und Thomas Provoost von der Firma Repos Production.

2 Kommentare zu „7 Wonders Leaders

Gib deinen ab

  1. Das passt jetzt zwar nicht ganz hierher, aber bei Midas fiel mir ein:

    Ich habe als Kind im Fernsehen mal ein Filmchen gesehen (vielleicht 15min lang) in der ein Mann ebenfalls die Gabe hatte, dass alles, was er mit seinen Händen berührte, zu Gold wurde. Das Ganze spielte aber, wenn ich mich recht erinnere, eher so im 17. oder 18. Jhd.!
    Er bekommt ähnliche Probleme wie Midas, kann also z.B. nichts mehr essen, aber die Geschichte endet hier anders: Er fässt sich irgendwann an die eigene Brust und verwandelt sich dann selbst vollständig in Gold.
    Weißt Du evtl., wie dieser Film geheißen haben könnte? War möglicherweise eine osteuropäische Produktion.

    1. Es gibt einen Kurzfilm zu Midas von einem bekannten Regisseur, aber ich komme gerade nicht drauf. Ich dachte zuerst, es wäre David Lynch, aber der war es nicht. Da muss ich mal überlegen …

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