Die Krieger der Göttin (Roman von Alexander Naumann)

Die Krieger der Göttin ist ein Roman von Alexander Naumann, der in einer Fantasywelt spielt, die sich an der griechischen Antike orientiert.

Wovon handelt der Roman?

Der Stadtstaat Paraskion leidet unter der Gewaltherrschaft eines Königs, bei dem es sich um eine Mischung aus Mensch und Stier handelt und dem jeden Monat per Losverfahren ein Kind der Stadt ausgeliefert wird, das dann im finsteren Labyrinth des menschenfressenden Herrschers verschwindet.

Als das Los auf die Schwester des Kriegers Theomedes fällt, beschließt dieser gemeinsam mit dem Erfinder Sikulus, dem Verlobten von Theomedes‘ Schwester, der schrecklichen Gewaltherrschaft ein Ende zu setzen. Dies soll mit Hilfe einer Armee von Maschinenkriegern gelingen, die Sikulus mit dem Atem der Göttin Palladaia zum Leben erwecken möchte, mit dem diese einst den Menschen das Leben eingehaucht hat.

Also begeben sich Sikulus und Theomedes auf die Suche nach dem Atem der Göttin, wobei sie von der Amazone Atalena und einem geflügelten Pferd unterstützt werden. Letztlich gelingt es ihnen, auf der mythischen Insel Chrysos den Atem der Palladaia zu finden und mit den Maschinenkriegern gegen den Stierkönig und dessen Satyrn und Harpien zu ziehen.

Die griechischen Elemente der Erzählwelt

Die Leser*innen begreifen bei der Lektüre schnell, dass sich Alexander Naumann ganz eindeutig von der griechischen Antike hat inspirieren lassen. So befinden wir uns in einer Welt aus einander bekriegenden Stadtstaaten (S. 167), in der es Gottheiten und phantastische Wesen wie Harpyen, Satyrn (S. 61f.), Stiermenschen und einen Pegasus gibt.

Die Namen der Charaktere sowie diverse Ortsbezeichnungen sind nicht wirklich griechisch, sind aber ganz eindeutig an das Griechische angelehnt.1 Entsprechend einer griechischen Polis gibt es eine Agora (Marktplatz) und Peristyle (von Säulen umgebende Höfe), während der Roman bei den Gebäuden in Bezug auf Säulenhallen oder Säulengängen statt von der griechischen Stoa von einem römischen Portikus spricht (S. 17). In den Gebäuden gibt es Klinen (Ruheliegen) und Frauen dürfen nicht an Versammlungen bzw. Gelagen im eigenen Haus teilnehmen (S. 38f.). Bei Gelagen wird der Wein mit Wasser gemischt.

In Bezug auf die Stadtstaaten ist in Die Krieger der Göttin analog zur griechischen Antike von Königen, Gewaltherrschern (also Tyrannen), Räten und Demokratien die Rede. Auch findet ein untergegangener Kontinent Erwähnung, bei dem es sich um eine Anspielung auf Atlantis handeln könnte (S. 170f.).

Ein weiser Mann, der wie Sokrates den Ausspruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ getätigt haben soll, rundet das am antiken Griechenland orientierte Setting ab.

Die Göttin Palladaia

Die Göttin Palladaia, die in der Geschichte gelegentlich in Erscheinung tritt, erinnert vom Namen und von ihrem Aussehen (Helm, Schild & Speer) her an Pallas Athene, zumal sie auch als Göttin der Weisheit gilt (S. 38 u. 270). Palladaia kommuniziert über Träume mit Theomedes, Sikulus und Atalena. In einem Fall zeigt sie sich auch in überwältigender menschlicher Gestalt (S. 310), in einem anderen spricht sie durch eine ihrer Statuen zu den Menschen (S. 207f.).

Dass der Atem der Palladaia den aus Ton geformten Menschen Leben und Weisheit verlieh (S. 291f.), erinnert an die Schöpfung der Menschheit durch Prometheus in der griechischen Mythologie.2

Weitere Gottheiten

Im Allgemeinen stellt Die Krieger der Göttin Gottheiten passend zur griechischen Antike recht ambivalent dar. So können sie helfen und unterstützen, aber auch gleichgültig oder grausam sein. Dementsprechend sind etwa die Amazonen als Volk, das immer Töchter gebiert, das Resultat des Zorns der Palladaia auf eine Mutter mit 10 Söhnen, die der Göttin aus deren Perspektive nicht den gebührenden Respekt entgegengebracht hatte. Daher tötete sie gemeinsam mit anderen Göttinnen und den Furien alle Söhne und verfluchte die Frau und alle ihre Nachfahrinnen dazu, fortan ausschließlich Töchter zu gebären (S. 204-208).

In den Tiefen der Erde lauern auch noch ältere Gottheiten in ihren Gefängnissen und warten nur darauf, wieder an die Oberfläche zurückzukehren und Rache für ihre Einkerkerung zu üben, was auf die Titanen anspielt (S. 429).

Übrigens führen sich auch einzelne Familien auf Gottheiten zurück, wobei sie davon ausgehen, dass der göttliche Anteil im Blut von Generation zu Generation nachlässt. So glaubt der Charakter Theomedes von einem Reitergott aus dem Norden abzustammen (S. 40 und 156).

Der Stierkönig und sein Labyrinth

Der menschenfressende Stierkönig, dem monatlich ein Kind der Stadt zum Opfer fällt, ist natürlich eine Variante des Minotauros, dem alle 9 Jahre 14 junge Athener*innen dargebracht werden mussten. Die Auswahl der Opfer erfolgt über das zufällige Ziehen einer markierten Scherbe aus einer mit weiteren Scherben gefüllten Urne (S. 59 und 107).

Im Labyrinth orientieren sich Theomedes und Sikulus in Anlehnung an den Ariadnefaden mit Hilfe eines Seils. Während der Erfinder und Baumeister Daidalos für den kretischen König Minos das Labyrinth des Minotauros errichtet hatte, ist das Labyrinth des Stierkönigs in Die Krieger der Göttin auf Sikulus‘ Vater zurückzuführen, bei dem es sich um einen berühmten Architekten gehandelt hatte.

Die relativ tragische Entstehung des Stiermenschen ist wie der Ursprung der Amazonen auf eine Strafe der Gottheiten zurückzuführen (S. 232-238).

Die Maschinenkrieger und der Maschinenmensch Narndak

Die künstlichen Krieger, die Sikulus mit dem Atem der Palladaia zum Leben erwecken möchte, heißen in Die Krieger der Göttin Automatonen oder Automatikon (S. 92 und 166f.). Ist lediglich eine künstliche Lebensform gemeint, spricht Autor Alexander Naumann von einem Automaton.

Im Singular folgt er also der altgriechischen Bezeichnung für derartige Maschinenwesen, während er im Plural auf die Wortneuschöpfungen Automatonen oder Automatikon zurückgreift, statt – wie im Altgriechischen üblich – von Automata zu sprechen.

Der Atem allein genügt jedoch nicht. Die Maschinenwesen benötigen auch Ichor, das Blut der Götter. Beides erhalten sie von der künstlichen Lebensform Narndak, die bereits vor dem Auftreten der Menschheit von der Göttin Palladaia zum Leben erweckt worden war und seitdem als Chronist die Welt durchwandert. Die Vorlage für Narndak war eindeutig der bronzene Riese Talos, in dem ebenfalls Ichor floss. Sowohl Talos als auch Narndak verfügen über eine Öffnung an der Ferse, über die das Ichor erreichbar ist.

Die Krieger der Göttin Alexander Naumann
„Die Krieger der Göttin“ von Alexander Naumann (Foto: Michael Kleu)

Der mythische Löwe, die Eulen-Sphinx und die Skorpion-Medusa

Auf ihrer Suche nach dem Atem der Palladaia stoßen Theomedes und Sikulus auf die Amazone Atalena, während diese sich gerade auf der Jagd nach einem gewaltigen Löwen befindet, dessen Fell sie sich nach vollbrachter Arbeit überwirft (S. 173-195). Die Parallelen zu Herakles und dem Nemeischen Löwen liegen auf der Hand.

Auf der mythischen Insel Chrysos angekommen, begegnen unsere Held*innen einer Sphinx, die ihnen verschiedene Rätsel aufgibt. Sie ist etwas netter als die Sphinx, mit der es Ödipus zu tun hatte, und verfügt außerdem über einen Eulenkopf, der im gegebenen Kontext – es geht um Weisheit – auf die Göttin Athene anspielt (S. 248-269).

Schließlich bekommen sie es auch noch mit einer Angst einflößenden Skorpionfrau zu tun, bei der es sich um eine Variante der Medusa handelt, wobei ihr Auftritt etwas an die Medusa-Szene aus Ray Harryhausens Clash of the Titans (Kampf der Titanen, 1981) erinnert. Natürlich wird auch der Kopf der Kreatur mitgenommen, um an anderer Stelle damit Feinde in die Flucht zu schlagen (S. 276-285 und 401).

Mein Eindruck von Die Krieger der Göttin

Alexander Naumann gelingt es durch geschickte Übernahmen aus der griechischen Antike, eine glaubwürdige Fantasywelt zu erschaffen. Immer wieder greift er bekannte Motive auf, die er in der Regel jedoch nicht einfach kopiert, sondern eigenständig weiterentwickelt oder umwandelt.

Im Detail verwundern der römische Porticus sowie die eigenwillige Pluralbildung von automaton ein wenig, doch kann der Autor in einer von ihm geschaffenen Welt die Dinge selbstverständlich nennen, wie er möchte, und natürlich kann er auch gerne ein paar römische Elemente einpflegen. Schwerer wiegt da sicherlich, dass der Roman leider nicht sehr gründlich Korrekturgelesen wurde, weshalb Leser*innen gelegentlich bei der Lektüre ins Stolpern geraten können.

Insgesamt betrachtet erscheint mir Die Krieger der Göttin aus Sicht der Antikenrezeption besonders in Bezug auf den Weltenbau interessant zu sein, weil der Roman sehr schön zeigt, wie man eine funktionierende Fantasywelt erschaffen kann, die sich sehr deutlich am antiken Griechenland orientiert. Insofern ist das Buch für mich nicht zuletzt eine Inspiration, diesbezüglich eigene Versuche in die Wege zu leiten.

Die Krieger der Göttin wurde fantastischeantike.de von Alexander Naumann als kostenloses Untersuchungsexemplar zur Verfügung gestellt.

Michael Kleu

Anmerkungen

  1. Vgl. etwa die Namen Demetros, Somokles, Menenias, Polybion, Nekarios, Herhemesia, Ephianessa und Danae.
  2. Vgl. Ovid (Metamorphosen 1,76-1,88) und Horaz (Carmina 1,16,13-1,16,16).

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