Stephen Kings SHINING. Analysen, Hintergründe zu den Filmen & Romanen. Buchrezension von Stefan Preis

SHINING – Ein Überblick über den Inhalt des Buchs

Der Moviecon-Sonderband SHINING von Markus Brüchler ist erschienen! Auf 144 farbigen Seiten, im großformatigen A4, werden sowohl der 1977 erschienene Roman von Stephen King (S. 4-28), als auch die Kubrick-Verfilmung aus dem Jahr 1980 (S. 29-81) nicht nur ausführlich vorgestellt, sondern auch mit spannenden Interpretationsansätzen versehen.

Der Regisseur Stanley Kubrick und die Hauptdarsteller Jack Nicholson und Shelley Duvall werden ebenfalls porträtiert. Wesentlich knapper fällt hingegen das Kapitel zu der dreiteiligen Mini-Serie Stephen Kings Shining (1997) aus (S. 82-85). Die darauffolgenden Abschnitte setzen sich mit dem Roman Dr. Sleep, den Stephen King als Fortsetzung zu Shining 2013 veröffentlichte (S. 86-111) und dessen Verfilmung aus dem Jahr 2019 (S. 112-131) auseinander.

Der fiktiven Geschichte des Overlook-Hotels ist ein kleineres Kapitel gewidmet (S. 132-135), gefolgt von einer Abhandlung über das reale Stanley-Hotel, „eines der meistbesuchten Spukhotels der Vereinigten Staaten”, das King zu seinem Besteller inspiriert haben soll (S. 136 -139). Abgerundet wird der Band schließlich mit einem kurzen Überblick über den Einfluss, den Shining auf die Populärkultur – weitere Kinofilme, Fernsehserien, Musikstücke usw. bis zur Gegenwart ausübt (S. 140f.).

The Shining

Das Buch beginnt mit der Entstehung von Kings Romans, neben biografischen Bezügen werden als wichtige literarische Vorbilder Shirley Jackson, Robert Marasco, Guy de Maupassant und insbesondere Ray Bradbury und Edgar Allan Poe genannt (S. 4f.). The Shining ist die Geschichte des früheren Lehrers Jack Torrance, der die Wintermonate gemeinsam mit seiner Frau Wendy und dem Sohn Danny in dem in den Rocky Mountains gelegenen Overlook-Hotel verbringt, um ein Buch zu verfassen. Der alkoholkranke Mann gerät immer mehr unter dem Einfluss von Spuk-Phänomenen und verfällt dem Wahnsinn.

Klassisches Drama

Sowohl die Struktur der Romanvorlage als auch das Drama The Little School, an dem Jack arbeitet, sind „bewusst wie ein Theaterstück in fünf Akten aufgebaut” (S. 4 u. S. 28) – also wie die klassische Tragödie! Als Interpretation, dass das Buch für Jack die Möglichkeit beinhaltet, als Schriftsteller Erfolg zu haben, wird direkt aus dem Roman zitiert:

„Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das Stück selbst ihn geistig blockiert hatte, als monströses Symbol jener schlimmen Jahre an der Oberschule von Stovington, seiner Ehe, die er so leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte, der üblen Körperverletzung an seinem Sohn und des Zwischenfalls mit George Hatfield…” (S. 27).

Kubricks Adaption zeigt später das völlige Scheitern dieses Projekts.

Interpretationsansätze

In der Analyse zu Kubricks The Shining werden auch einzelne Interpretationsansätze aus der Dokumentation Room 237 (2013) von Rodney Archer vorgestellt, darunter Bill Blakemores Deutung, dass sich der Film mit der Zerstörung der indigenen Kultur auseinandersetzt oder Geoffrey Cocks’ Lesart, dass Kubricks Adaption als Reflexion der Shoah zu verstehen sei.

Cocks nennt außerdem die Kurzgeschichte Das blaue Hotel von Stephen Crane und Der Zauberberg von Thomas Mann als wichtige Einflüsse (S. 57f. u. S. 75). Brüchler diskutiert in seinem Buch die Bedeutung von Spiegeln und das Doppelgänger-Motiv, darüber hinaus stellt er mehrere Bezugspunkte zu Märchen und antiken Mythen vor.

Blaubart

Der geheimnisvolle Raum 217 (bei Kubrick 237), von dem der Hotelkoch Hallorann warnend erzählt, erinnert Danny an das Märchen von Blaubart, der seiner Frau ebenfalls verboten hatte, ein bestimmtes Zimmer zu betreten und die darin schließlich „die Köpfe all seiner früheren Ehefrauen, die durch ihre Neugierde Opfer seiner Brutalität geworden waren” vorfindet (S. 9). In der Verfilmung lockt Jack Wendy „im Badezimmer in eine Falle (…), einem Ort, der kulturell mit zeitraubenden weiblichen Reinigungsritualen verbunden ist” (S. 45).

Hänsel und Gretel

Auf das Märchen Hänsel und Gretel, in dem Hunger und Kannibalismus eine wichtige Rolle spielen, nimmt Wendy im Dialog mit dem Hotelkoch Bezug, als sie sagt, dass sie Brotkrumen benötige, um wieder aus der großen Küche herauszufinden. Wendy sperrt Jack „eine Figur, die der Hexe im Märchen” ähnelt, schließlich im Vorratsraum ein (S. 43 u. S. 72). Das Sich-Verirren und nicht den Weg zurückfinden wird in Bezug auf das Hotel und das sich davor befindende Heckenlabyrinth eine zentrale Bedeutung erhalten.

Minotaurus

In Room 237 wird auch die Theorie vorgestellt, dass „ein Plakat im Spielzimmer des Overlook-Hotels, auf dem ein Cowboy auf einem Stier reitet, an die Figur des Minotaurus” erinnert, „eine Symbolik, die vom Heckenlabyrinth als Anspielung auf den griechischen Mythos aufgegriffen wird” (S. 75). Die Mitglieder der Familie Torrance, Jack, Wendy und Danny würden in dieser Konstellation den Figuren Minotaurus, Ariadne und Theseus entsprechen.

Zitiert wird auch der Filmkritiker Jonathan Romney, der Jacks Vertrag mit dem Hotel auch in die Richtung des Faust-Mythos rückt: „am Ende … hat er ganz auf die Sprache verzichtet und verfolgt Danny mit einem unartikulierten Tiergebrüll durch das Labyrinth” (S. 57). Für Brüchler allerdings steht „das Labyrinth für die Hindernisse, die das Familienleben mit sich bringt” (S. 72).

Ausblick und Fazit

Seinem Anspruch, „eine gründliche Untersuchung der Elemente, die Shining zu einem unvergesslichen Lese- und Seherlebnis machen” zu bieten, wird dieser Sonderband mehr als gerecht. Das Buch verfügt über einen unglaublichen Detailreichtum, das Wissen des Autoren über die Thematik ist enorm und er versteht es, dieses in prägnanten Sätzen zu vermitteln.

Die spannende Beschreibung von Symbolen, Allegorien und Motiven bietet auch Ansätze für eine ausführliche Antikenrezeption der Romane und der Verfilmungen, vor allem, da sich sowohl bei Stephen King als auch bei Stanley Kubrick oft Bezüge zur griechischen Mythologie finden. Michael Kleu, der Herausgeber des Sammelbandes Antikenrezeption im Horror, schreibt mit Bezug auf die Theseus-Sage, dass „mit dem Minotauros, einem finsteren Labyrinth, Menschenopfern, sonderbarsten Familienverhältnissen etc. mehr als genug Material für eine gute Horror-Story” vorliegt. Genau dies wurde in The Shining umgesetzt.

Auch ein weiteres Motiv greift Kubricks Film auf: Jack vergleicht sich selbst “mit der Figur des großen bösen Wolfes, der schließlich alle Schweine bis auf eines auffrisst” (S. 73). Jack Nicholson, der 1994 in Wolf – Das Tier im Manne einen Werwolf verkörpern sollte, weckt in dieser Szene auch Erinnerungen an den Lykaon-Mythos und die berühmte Darstellung des in einer bekannten Darstellung mit einem Beil bewaffneten arkadischen Königs.

Die Rezeption von The Shining ist unerschöpflich, der Sonderband hat ihr einen neuen Mosaikstein hinzugefügt.

Brüchler, Markus (2023): Stephen Kings SHINING. Analysen, Hintergründe zu den Filmen & Romanen. Holzwickede: Colla & Gen Verlag.

Stephen Kings Shining
Bildgestaltung und Photo: Stefan Preis

Über den Autor

Stefan Preis ist Mediensoziologe und Studienleiter bei der Interfilm Akademie München. Er schreibt u. a. für Fluxkompensator – Das Filmportal, Splatting Image und Lovecrafter Online.
Zu A Nightmare on Elm Street hat er kürzlich auch eine Besprechung auf Youtube veröffentlicht.
GastautorIn

2 Kommentare zu „Stephen Kings SHINING. Analysen, Hintergründe zu den Filmen & Romanen. Buchrezension von Stefan Preis

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  1. Vielen Dank für den spannenden Einblick!
    „The Shining“ gehört zu meinen liebsten King-Geschichten und die Entstehung des Films ist wirklich ein spannendes eigenes Kapitel! Auf das vorgestellte Buch bin ich total gespannt. Danke also für diese vielschichtige und einordnende Vorstellung! 🙂

  2. Es ist offensichtlich, dass hier nicht nur oberflächlich betrachtet wird, sondern dass echte Leidenschaft und Expertise in eure Arbeit einfließen. Das heb tdeinen Blogbeitrag definitiv von der Masse ab. Danke für diese tiefgehende und unterhaltsame Reise durch das faszinierende Universum von Stephen Kings „Shining“!

    Viele gruselige Grüße,
    Robert Eckert

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