Antikenrezeption im Horror
Nach Antikenrezeption in der Science Fiction und Antikenrezeption in der Fantasy liegt mit Antikenrezeption im Horror nun der abschließende dritte Teil meiner Trilogie zur Antikenrezeption in der Phantastik vor. Es handelt sich bei dem Buch um die erste umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung dieses Themengebietes, wobei die Beiträge von internationalen Expert*innen unterschiedlicher Fachrichtungen stammen.
Werfen wir also einen genaueren Blick auf die Autor*innen und Themen des Sammelbandes.
Einführende Gedanken
Im Anschluss an die von Michael Kleu verfasste Einleitung folgt als Erstes eine Gruppe von Beiträgen, die eher einführender Natur sind. So erläutert Frank Weinreich zunächst den Begriff „Horror“, bevor er dessen Verhältnis zur Antike aufzeigt und schließlich der Offenbarung des Johannes eine ganz besondere Bedeutung beimisst. Celine Derikartz stellt eine Auswahl von Geschöpfen der griechisch-römischen Überlieferung vor, die uns – wenn auch teilweise in abgewandelter Form – noch heute als Werwölfe, Untote oder Vampire im Horror-Genre begegnen. Friedhelm Schneidewinds Untersuchung führt den letzten der von Celine Derikartz vorgestellten Aspekte weiter aus, wenn er über die antiken Ursprünge oder Varianten der Vampire und die Rolle der Lilith nachdenkt.
Jenseits von Hellas und Rom
Die nächste Sinneinheit konzentriert sich auf Themen, die nicht direkt die griechisch-römische Antike betreffen, sondern mit Mesopotamien, Ägypten, der minoischen Kultur, den Etruskern und den Kelten frühere oder benachbarte Kulturen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Hier beginnt Rebecca Haar mit ihrer Betrachtung der beiden The Mummy-Filme von
1932 und 1999, in der sie u. a. auf die Besonderheit der Mumie als Schauerfigur in frühen Monsterfilmen eingeht. Von Ägypten geht es weiter nach Mesopotamien, wo Gina Konstantopoulos die Rezeption mesopotamischer Dämonen im modernen Horror vorstellt und dabei zum Beispiel Pazuzu (The Exorcist), H.P. Lovecrafts Necronomicon sowie DCs Hellblazer thematisiert.
Hamish Williams führt uns sodann in seiner grundlegenden Studie nach Kreta, wo er uns die Rezeption der minoischen Kultur bei Agatha Christie, Lawrence Durrell, John Farris und Stephen King präsentiert, bei der besonders dem Minotauros und finsteren Labyrinthen eine große Bedeutung zukommt. Darauf folgt mit dem von Julie Labregère untersuchten Etrusker-Horror ein bemerkenswertes Phänomen, das primär in der italienischen Film- und Serienlandschaft vorzufinden ist. Den Abschluss dieser Sinneinheit bilden schließlich Simon Lentzschs Gedanken zur Keltenrezeption im (Folk-)Horror, wobei neben dem Film The Wicker Man mit The Lord of the Rings, The White People, The Great God Pan und Zone Blanche auch verschiedene literarische Werke behandelt werden.
InhaltsverzeichnisAntike Figuren auf modernen Pfaden
Weiter geht es mit antiken Figuren, die – direkt oder indirekt – ihren Weg in die moderne Phantastik gefunden haben. Zunächst begleiten wir Martin Lindner bei seinem Besuch auf einem deutschen Gruselschloss, auf dem im Film The Gorgon niemand Geringeres als die titelgebende Kreatur ihr Unwesen treibt. Der Gott Pan hat in Anna Milons Untersuchung gleich mehrere Auftritte (z. B. in Arthur Machens The Great God Pan oder Stephen Kings The Lawnmower Man), bei denen nicht zuletzt der Eco-Horror von Bedeutung ist. In den Happy Death Day-Filmen treten Sisyphos und Prometheus zwar nicht persönlich auf, doch bieten ihre Geschichten ganz eindeutig eine Vorlage für die von Louise Jensby vorgestellte Zeitschleifenthematik.
Diese wird wiederum mit Bezug auf Sisyphos gleich im Anschluss auch von Markus Janka und Michael Stierstorfer in ihrer Besprechung des Films Triangle aufgegriffen, an die sich indirekte Auftritte von Erysichthon in Thinner, einer Lamia und den Furien in Drag me to Hell sowie der Medusa in Medusa: Queen of the Serpents anschließen. Herakles bleibt in Ercole al centro della terra („Vampire gegen Herakles“) gleich ganz in einer mit Phantastik und christlichen Motiven angereicherten Variante der Antike, in der er gegen einen von Christopher Lee verkörperten magiebegabten Bösewicht ankämpft, was von Sabine Müller ausführlich beleuchtet wird. Schließlich zeigt uns Henrik Maria Winterscheid noch auf, dass auch Automata ihre Spuren hinterlassen haben und u. a. in E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann oder Mary Shelleys Frankenstein in Erscheinung treten.
Schatztruhen der Antikenrezeption
Der nächste Themenkomplex wendet sich Werken zu, die geradezu als Schatztruhen der Antikenrezeption betrachtet werden können. Dies gilt in ganz besonderer Weise für die Serie Supernatural, die in ihren beachtlichen 15 Staffeln immer wieder auf die unterschiedlichsten antiken Aspekte zurückgreift, wie uns Maja Esther Baum in ihrer Untersuchung zeigt. Ähnlich
verhält es sich bei der von Benjamin Eldon Stevens vorgestellten Serie Penny Dreadful, in der sich einige Elemente aus der antiken Welt entdecken lassen. Von den Serien geht es weiter zu einer unter dem Titel Not After Midnight, and other stories veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung der britischen Schriftstellerin Daphne du Maurier, aus der Katharina Kostopoulos vier Erzählungen ausführlicher vorstellt, von denen Don’t look now aufgrund der berühmten Verfilmung mit Julie Christie und Donald Sutherland wohl die bekannteste sein dürfte.
Ein repräsentativer Überblick
Die auf die Einleitung folgenden 17 Beiträge des Sammelbandes behandeln – wenn auch nicht in gleicher Ausführlichkeit – mit Filmen, Serien, Romanen, Kurzgeschichten, Comics und digitalen Spielen zahlreiche Mediengattungen, wobei aus inhaltlichen Gründen gelegentlich nicht ausschließlich das Horror-Genre betrachtet wird, sondern z. B. auch Kriminalliteratur,
Satiren oder das Fantasy-Genre Erwähnung finden. Somit bietet der Sammelband eine sehr bunte Mischung unterschiedlicher Formen von Antikenrezeption, die hoffentlich zu weiteren Studien anregen wird.
Bibliographische Angaben
Michael Kleu (Hg.): Antikenrezeption im Horror, Essen 2023.
Das Buch ist überall erhältlich, z.B. auch direkt beim Verlag.
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