Der Philosoph und das Abenteuer: Wie Platon mich zu „Die Krone von Atlantis“ inspirierte (Freya von Korff)

Vorbemerkung Michael Kleu:

Heute stellt uns die Autorin Freya von Korff ihren Fantasy-Roman „Die Krone von Atlantis“ vor. Dabei interessiert uns natürlich primär, wie die Autorin dabei vorgegangen ist, aus den antiken Zeugnissen eine moderne Fantasyerzählung zu formen. Zur Vorbereitung sei noch einmal meine Einführung in die Atlantis-Thematik empfohlen. Meine perönlichen Anmerkungen zum Artikel findet Ihr unten im ersten Kommentar. Freuen wir uns nun aber auf Freya von Korrfs Ausführungen zu den Ursprüngen von „Die Krone von Atlantis“.

Freya von Korff
Autorin Freya von Korff

Einleitung

Jeder kennt den Namen „Atlantis“. Allein schon dieses kleine Wort löst bei den Meisten eine Vielzahl von Bildern im Kopf aus. Man stellt sich eine verlorene Unterwasserwelt vor, vergessene Technologien und Menschen, die über eine Weisheit verfügen, von der wir noch träumen.

Wahrscheinlich beschäftige ich mich schon mein ganzes Leben mit den Wundern, die wir mit Atlantis assoziieren.  Es gibt die These zu Platon, dass er Atlantis nur erfunden hat, um ein aus seiner Sicht ideales Staats- und Gesellschaftsmodell darzustellen. Doch selbst wenn dem so ist, hat er damit über Jahrtausende hinweg einen Nerv bei uns getroffen. Denn ich glaube, dass Atlantis nicht nur die Vorstellung von einer früheren, besseren Welt ist. Es repräsentiert die Hoffnung darauf, dass wir eines Tages wieder zu diesem Leben zurückkehren – die Rückkehr des goldenen Zeitalters quasi.

Mit diesen Gedanken im Kopf habe ich mein Herzensprojekt „Die Krone von Atlantis“ begonnen. Der Roman aus dem Bereich Phantastik / Urban Fantasy ist über Jahre hinweg bei meinen Gedanken zu Atlantis und seiner Bedeutung entstanden. Er sollte Atlantis in die Gegenwart holen. Denn unterm Strich ist dieser Mythos auch nur eine Geschichte wie viele andere. Und doch beweist er, welche Macht Geschichten haben können, wenn sie nur richtig erzählt werden. Atlantis beschäftigt uns, inspiriert uns und lässt uns vor allen Dingen hoffen. Diese Hoffnung soll meine Saga um das Erbe von Atlantis weitertragen.

2. Worum es geht

„Die Krone von Atlantis“ ist ein Abenteuerroman und der Beginn einer dreiteiligen Reihe (Teil 2 ist in Arbeit und wird hoffentlich noch dieses Jahr erscheinen). Im Zentrum stehen drei Charaktere: die geheimnisvolle Ria, der heldenhafte Percy und der düstere Rider. Alles beginnt damit, dass Ria in Hamburg eine Kette mit einem geheimnisvollen blauen Stein stiehlt, der eine merkwürdige Wirkung auf sie hat.

Die Krone von Atlantis
Die Krone von Atlantis (Photo: Freya von Korff)

Er macht sie schneller, stärker und schickt ihre Gedanken auf außergewöhnliche Reisen (um hier keine Geheimnisse zu verraten…). Rider – der Finsterling, dem sie den Anhänger abgenommen hat – hetzt ihr seine Männer auf den Hals und eine Verfolgungsjagd durch Hamburgs Speicherstadt beginnt. Dabei begegnet Ria Percy, der ebenfalls nach dem Stein sucht. Zu ihm besteht von Anfang an eine besondere Verbindung. Er rettet Ria und gemeinsam mit seiner Ziehmutter, der mysteriösen Gräfin Eleana, begleitet Ria ihn auf eine Reise quer durch Europa.

Dabei erfährt sie, dass der Mythos um Atlantis wahr ist und dass es bis heute Nachfahren der Atlanter gibt, die eine Lagunenstadt an der nördlichen Mittelmeerküste bewohnen. Verfolgt von Rider und seinen Schergen gerät Ria mit Percy und der Gräfin in einen Wettlauf, um das Geheimnis der Kette zu lüften. Sie führt nicht nur zur sagenumwobenen „Krone von Atlantis“, sondern könnte auch den Schlüssel für die Rückkehr des verlorenen Reichs enthalten…

3. Warum ich mich für mein Genre entschieden habe

Bevor ich vielleicht in den Mythos von Atlantis einsteige, und wie ich ihn konkret in meinem Roman verarbeitet habe, möchte ich gerne noch ein paar Sätze dazu verlieren, warum ich mich für das Genre „Phantastik“ bzw. „Urban Fantasy“ entschieden habe. Anders als ausschließliche Fantasy, die für eine Geschichte rund um Atlantis auch geeignet gewesen wäre, stellt Phantastik einen Bezug zur wirklichen Welt her. Es bleibt der Gedanke beim Lesen: „Kann das alles vielleicht doch wahr sein?“ Genau das ist es, was meiner Meinung nach eine Geschichte über Atlantis braucht. Ich wollte die Geschichte sehr nah an der Wirklichkeit spielen lassen, um einen Zugang zu diesem Mythos und der Wahrheit, den er enthält, zu schaffen. Gleichzeitig sollte die Phantasie angeregt werden, damit Atlantis in den Köpfen der Leser auflebt.

4. Womit es losging

Den Wunsch, einen Roman zum Thema Atlantis zu verfassen, habe ich seitdem ich sechzehn Jahre alt war. Da kam mir die Grundidee zu meiner Geschichte, die mich über die Jahre hinweg begleitet und niemals losgelassen hat. Als ich dann vor einigen Jahren eine Terra X-Dokumentation mit dem Titel „Expedition nach Atlantis – Eine Insel geht unter“ gesehen habe, verlagerte sich ohne mein Zutun die Geschichtsidee nach Santorin bzw. Thera.1

Wie kam es dazu? Dieser wirklich sehenswerte Beitrag setzt sich intensiv mit Platons Text auseinander und seiner Beschreibung, wo Atlantis gelegen hat. Dabei wird eindrucksvoll das Fazit gezogen, dass eine realistische Möglichkeit besteht, dass Platon von Thera bzw. der Kultur der Minoer berichtet hat. Ich war begeistert. Als Fan des alten Ägypten und der Griechen stellten die Minoer für mich eine Brücke zwischen den beiden Welten dar. Dieses Volk ist der Altertumsforschung in vielerlei Hinsicht bis heute ein Rätsel.

Über ihre Religion, Lebensweise und Politik ist nur wenig bekannt, weil der Vulkanausbruch auf Santorin und der ihm folgende Tsunami möglicherweise für ihren Untergang verantwortlich ist.2 Viele unserer heutigen Annahmen basieren auf den Fresken in Knossos auf Kreta und auf Santorin. Dabei sticht der Stierkult, die herausragende Rolle der Frau im gesellschaftlichen Leben und der erhebliche Wohlstand dieser Welt besonders hervor.

Die Krone von Atlantis
Minoisches Fresko (Bildquelle: Wikipedia, gemeinfrei)

Ein auf Satorin entdecktes Fresko ist dabei von besonderer Bedeutung. Es zeigt die Stadt Akrotiri auf Thera. Zu sehen ist eine wunderschöne mit Wasserkanälen durchzogene Stadt mit goldenen Dächern. Sie wurde zusammen mit der Insel und vermutlich der minoischen Kultur durch den Vulkanausbruch auf Santorin zerstört. Diese Katastrophe war für die Region damals absolut prägend. Die Vorherrschaft der Minoer über die Ägäis bis nach Ägypten war beendet und so konnten die Griechen überhaupt erst aufsteigen.

Sozusagen von heute auf morgen, oder – wie Platon es ausgedrückt hat – binnen einer einzigen Nacht und eines einzigen Tages war die Kultur der Minoer und ihr Einfluss wie vom Erdboden verschluckt. Dass der Untergang dieses stolzen Reiches, das in einigen Aspekten seiner Zeit voraus war, Inspiration oder sogar vielleicht Vorbild für Atlantis war, fand ich überzeugend. Es hat mich inspiriert, „mein Atlantis“ dort anzusiedeln.

5. Was schreibt Platon?

Platon und seine Dialoge „Timaios“ und „Kritias“

Als ich mit den Recherchen für mein Buch begonnen habe, bin ich zunächst an den Ursprung gegangen: Platons originale Texte. Er erwähnt Atlantis in zwei fiktiven Dialogen: „Timaios“ und „Kritias“. In dem ersten unterhält sich der Philosoph Timaios mit Sokrates, während im zweiten Dialog die Politiker Kritias und Hermokrates miteinander sprechen. Dabei kommen sie auf Atlantis. In Timaios heißt es zu Atlantis:

Auf dieser Insel Atlantis nun bestand eine große und bewundernswürdige Königsherrschaft, welche nicht bloß die ganze Insel, sondern auch viele andere Inseln und Teile des Festlands unter ihrer Gewalt hatte. Außerdem beherrschte sie noch von den hier innerhalb liegenden Ländern Libyen bis nach Ägypten und Europa bis nach Tyrrenien hin. Indem sich nun diese ganze Macht zu einer Heeresmasse vereinigte, unternahm sie es, unser und euer Land und überhaupt das ganze diesseits der Meeresenge liegende Gebiet mit einem Zuge zu unterjochen. (…) Späterhin aber entstanden gewaltige Erdbeben und Überschwemmungen, und da versank während eines schlimmen Tages und einer schlimmen Nacht das ganze streitbare Geschlecht bei euch scharenweise unter die Erde, und ebenso verschwand die Insel Atlantis, indem sie im Meere unterging.“3

Ähnlich wie der Flutmythos in der Bibel erzählt Platon hier von einer großen Militärmacht, die den ganzen Mittelmeerraum beherrschte, aber durch eine Naturkatastrophe ausgelöscht wurde. Das Ganze klingt zunächst nach dem endgültigen Sterben der Atlanter. Es ist aber vor allem „Kritias“, der uns am meisten über Atlantis verrät. Hier berichtet Platon von einer Stadt mit ringförmigen Wasserkanälen, die mit Abkömmlingen der Götter bevölkert war. Poseidon hat nämlich Platon zufolge mit einer Sterblichen – Kleito– Kinder gezeugt: 5 Zwillingspaare. Atlas war der Älteste von ihnen und von den zehn Herrschern der Mächtigste. Nach ihm ist das Reich benannt worden. Platon geht dann in eine detaillierte Beschreibung der Insel über, die lesenswert aber auch sehr umfangreich ist. Dabei erzählt er, dass von Atlas ein einflussreiches Geschlecht abstammte, das über eine sehr lange Zeit hinweg das Imperium lenkte und leitete.

Der Fall der Atlanter

Zum Schluss kommt Platon aber zum Fall der Atlanter:

Als aber ihr Anteil am Wesen des Gottes durch die vielfache und häufige Beimischung des Sterblichen in ihnen zu schwinden begann, und die menschliche Art überwog, da erst waren sie dem vorhandenen Reichtum nicht mehr gewachsen und entarteten und erschienen dem, welcher es zu erkennen vermochte, niedrig, indem sie von allem, was in Ehren zu stehen verdient, gerade das Schönste zu Grunde richteten, denen aber, die ein wahrhaft zur Glückseligkeit führendes Leben nicht zu erkennen imstande waren, schienen sie damals erst recht in aller Herrlichkeit und Seligkeit dazustehen, als sie ungerechten Gewinn und ungerecht erworbene Macht im Überflusses besaßen.“4

Die Atlanter wurden arrogant, überheblich und unfähig das Glück ihres Lebens zu genießen. Platon führt dies auf die Verdünnung des Göttlichen in ihrem Blut zurück. Neid, Missgunst und Skrupellosigkeit ließen das Geschlecht des Atlas verfallen. Wieder ganz ähnlich wie auch in der Bibel, blickt Zeus auf Atlantis hinab und beschließt, dass er dies nicht hinnehmen kann:

„Der Gott der Götter aber, Zeus, welcher nach den Gesetzen herrscht und solches wohl zu erkennen vermag, beschloss, als er ein treffliches Geschlecht so schmählich herunterkommen sah, ihnen Strafe dafür aufzuerlegen, damit sie, durch dieselbe zur Besinnung gebracht, zu einer edleren Lebensweise zurückkehrten. Er berief daher alle Götter an ihrem ehrwürdigsten Wohnsitz zusammen, welcher in der Mitte des Weltalls liegt und eine Überschau aller Dinge gewährt, welche je des Werdens teilhaftig wurden, und nachdem er sie zusammenberufen hatte, sprach er …“5

Ich kann mich noch gut daran erinnern, was mit mir passiert ist, als ich diese Zeilen gelesen habe. Denn mir sind sofort zwei Dinge aufgefallen, die sich wie geschaffen in meine Geschichte eingefügt haben. Erstens: Platon erzählt davon, dass es Überlebende der Katastrophe von Atlantis gab. Anders ergäbe es keinen Sinn, dass die Atlanter wieder zu einer edleren Lebensweise zurückfinden sollten. Aber viel wichtiger noch: Wir wissen nicht, wie die Strafe des Zeus aussah. Der Text bricht nämlich an dieser Stelle ab. Der „Kritias“ ist unvollständig! Wie genau sah also die Strafe des Zeus aus – abgesehen von Erdbeben und Überschwemmungen? Und was passiert, wenn es den Atlantern gelingt, sich in den Augen der Götter zu bessern?

Die Krone von Atlantis
Die Krone von Atlantis (Photo: Freya von Korff)

6. Was ich daraus gemacht habe

Mit diesen Gedanken im Kopf habe ich mich also hingesetzt und meine eigene Version des Atlantis-Mythos geschaffen. In meinem Roman klingt das so:

„Wir wissen nicht genau, wie Atlantis ausgesehen hat. Vielleicht hat es einmal diese riesige Stadt gegeben, wobei das eher unwahrscheinlich ist. Viel eher ist Atlantis aus einem kleinen mediterranen Königreich entstanden. Fest steht allerdings, dass die Bewohner dieses Reiches über einzigartige Technologien verfügt haben. Sie konnten ein Metall verarbeiten, das einzig und allein in ihrem Inselreich vorkam. Dieses Metall ermöglichte zusammen mit den Atlantissteinen die Herstellung von Maschinen, die selbst die heutige Robotertechnik in den Schatten stellen.“

(…)

„Platon hat es Oreichalkos genannt“, sagte Percy.

(…)

„Die Archäologen glauben heute, dass es sich dabei um Messing gehandelt hat. Sie liegen jedoch falsch. Das Metall, das so mit den Atlantissteinen reagiert, dass sich aus ihnen selbstständig handelnde Maschinen herstellen lassen, ist eine einzigartige Zusammensetzung aus Gold, Silber und Kupfer. Letzteres verleiht ihm diesen besonderen Schimmer.“

„Und woher hatten die Menschen aus Atlantis dieses Metall? Und wieso reagiert es mit den Atlantissteinen?“, wollte Ria wissen und stellte damit genau die Frage, die Eleana veranlassen würde, zum Kern ihrer Geschichte zu kommen. Percy beschloss, Ria nicht aus den Augen zu lassen, während sie zuhörte.

„Ich sagte ja bereits, wir wissen nicht, ob Atlantis tatsächlich zu dieser riesigen Stadt geworden ist, die wir uns heute alle vorstellen. Wir wissen aber, wie die Geschichte von Atlantis begonnen hat: mit einem Meteoriten.“

Ria legte ihre Stirn in Falten.

Eleana fuhr fort: „Vor einigen Tausend Jahren – wir sind nicht ganz sicher, wann genau – schlug ein Meteorit auf der Mittelmeerinsel Thera, dem heutigen Santorin auf. Der Einschlag löste keine globale Katastrophe aus, dafür war der Stein zu klein. Doch auf der Insel gab es eine der ersten europäischen Zivilisationen. Es gab eine Stadt, Ackerbau und einen Hafen. Der Meteorit zerstörte alles durch seinen Aufschlag.“

Percy guckte zu, wie Ria sich versteifte und nervös mit den vielen Ringen an ihren Fingern zu spielen begann.

„Alles menschliche Leben wurde ausgelöscht, bis auf eines.“ Eleana machte eine dramatische Pause.

Percy nutzte die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen: „Die Prinzessin von Atlantis. Sie überlebte die Katastrophe als Einzige.“

(…)

„Aber etwas geschah mit der Prinzessin, als sie überlebte. Heute gehen wir davon aus, dass der Meteorit eine besondere Strahlung abgegeben hat. Es war diese Strahlung und nicht der Einschlag selbst, der die Menschen auf Thera dahinraffte. Die Prinzessin jedoch ging an der Strahlung nicht zugrunde. Stattdessen begannen ihre Zellen sich zu verändern. Der Alterungsprozess unserer Zellen, der in unserem genetischen Code implementiert ist, schaltete sich bei ihr aus. Stattdessen begannen sämtliche Körperzellen sich stetig und ständig zu erneuern – in einem ewigen Zyklus“, erklärte Eleana.

(…)

„Sie wurde unsterblich?“, fasste Ria zusammen.

Eleana nickte. „Sie wurde gesünder, stärker, intelligenter. Der normale menschliche Körper und auch der genetische Code sind vom Tag seiner Entstehung an Umwelteinflüssen ausgesetzt, die ihn schwächen und weniger optimal werden lassen. Auch im Rahmen von Zellerneuerung entstehen Fehler, die unsere Fähigkeiten und unser Wohlbefinden beeinträchtigen, ohne dass wir es merken. Bei der Prinzessin von Atlantis hoben sich sämtliche Schäden dieser Art auf. Sie wurde ein schlicht perfekter Mensch: wunderschön, schnell, stark und übermäßig hochbegabt in allem, was sie tat.“

(…)

„Es geschah noch mehr als das“, fuhr Eleana fort. „Überkommen mit Trauer über den Untergang ihres Volkes, schaffte es die Prinzessin von Atlantis, den Tod zu überwinden. Es gelang ihr, zehn Bewohner der Insel wieder zum Leben zu erwecken: fünf Frauen und fünf Männer, fünf Paare also. Dabei übertrug sie die Strahlung des Meteoriten auf die toten Körper mit dem Effekt, dass auch deren Zellen diesen ständigen Erneuerungsprozess begannen. Sie erschuf weitere zehn Unsterbliche.“

„Diese elf waren die ersten Atlanter. Die Prinzessin von Atlantis und die zehn, denen sie die Unsterblichkeit geschenkt hatte“, ergänzte Percy.

„Moment!“, entfuhr es Ria. Sie hob ihre beiden Zeigefinger und sah hastig zwischen Percy und Eleana hin und her. „Kleito!“, rief sie. „Das passt zur Sage von Kleito!“

„Der Gott Poseidon könnte für den Meteoriten stehen, der vom Himmel fiel und der Kleito mit der Gabe der Unsterblichkeit beschenkte. In der Sage heißt es, Poseidon hätte Kleito als seine Braut auserwählt“, sinnierte Eleana.

„Und die zehn anderen könnten für die zehn Kinder stehen, die Kleito Poseidon geboren haben soll. Der Erstgeborene war Atlas, nicht wahr?“, führte Ria die Überlegung fort.

„Der erste König von Atlantis.“6

Meine Grundidee war, dass es bis heute Nachfahren der Atlanter gibt, die dank der Bruchstücke eines Meteoriten besondere kognitive und körperliche Fähigkeiten besitzen. Sie leben in einer Stadt namens Ozeana und hängen einem Kult an, der die Rückkehr der Prinzessin und Auferstehung von Atlantis erwartet (hier habe ich bei der Artus-Sage ein bisschen gewildert). Als Ria auf Gräfin Eleana trifft, sucht diese gerade nach dem größten Atlantisstein der Welt: der Krone von Atlantis.

Die Idee zu den Atlantissteinen bzw. dem Meteoriten kam mir übrigens durch eine aus purem Jux veranstaltete Google-Suche zum Thema Atlantis. Es gibt einen Schmuckstein, dem nachgesagt wird, dass er ein Bruchstück der Insel sei. Man nennt ihn Larimar.7 Ich fand das so charmant, dass ich mir eine Kette mit so einem Stein gekauft und sehr viel getragen habe.

Larimar-Kette
Larimar-Kette auf einer Replik des Diskos von Phaistos (Photo: Freya von Korff)

Im Rahmen derselben Google-Suche stieß ich auch beiläufig auf die These, dass alle Menschen mit blauen Augen Nachfahren von Atlantis seien. Feststeht jedenfalls, dass alle Menschen mit blauen Augen, denselben Vorfahren haben, der vermutlich vor einigen Tausend Jahren in der Region rund um das Schwarzen Meer gelebt hat.8 Dies brachte mich auf die Idee, auch der Genetik eine Rolle in meinem Mythos zu verpassen. Aus diesem Grund haben alle Figuren in meinem Roman, die eine familiäre Beziehung zu Atlantis haben, blaue Augen.

7. Wohin führt das Abenteuer?

Um all diese Gedanken in einen Roman unterzubringen, habe ich ein Set von Charakteren gewählt, die allesamt eine Vergangenheit haben, von der der Leser erst im Laufe der Handlung erfährt. Als ich den Roman fertig hatte, ist mir aufgefallen, dass alle meine Figuren etwas gemeinsam haben. Sie haben etwas verloren. Ihr Umgang mit diesem Verlust, oder auch ihre Unfähigkeit ihn zu akzeptieren, schleudert sie in den Atlantis-Mythos. Das passte für mich gut, denn auch bei Atlantis geht es um etwas Verlorenes und die Hoffnung darauf, dass etwas davon zurückkehrt.

Als bekennender Fan der griechischen Sagen habe ich mir dann für das Abenteuer einige Elemente „geborgt“. Poseidon und Kleito habe ich ja schon erwähnt. Aber auch die Theseus-Sage stand an einigen Stellen für meinen Roman Pate. Schließlich führt diese Geschichte in das Zentrum des (vielleicht) ehemaligen atlantischen Imperiums: nach Kreta. Dort spielt auch der letzte Teil von „Die Krone von Atlantis“. Auch Ria und ihre Gefährten begegnen dem Minotaurus und es ist ein Ariadne-Faden, der sie in das Herz eines Labyrinths führt. Mehr kann ich allerdings nicht verraten. Wer wissen will, was passiert, muss das Buch lesen… 😉

Eure Freya

GastautorIn

Anmerkungen

  1. Vgl. https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/expedition-nach-atlantis-eine-insel-geht-unter-100.html, abgerufen am 5. März 2020.
  2. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Minoische_Eruption, abgerufen am 5. März 2020.
  3. Vgl. http://opera-platonis.de/Timaios.pdf, abgerufen am 5. März 2020.
  4. Vgl. http://opera-platonis.de/Kritias.pdf, abgerufen am 5. März 2020.
  5. Vgl. Fußnote 4.
  6. Vgl. Freya von Korff, „Die Krone von Atlantis“, epubli 2019, S. 152 ff.
  7. Vgl. https://www.natur-journal.info/heilsteine/larimar/, abgerufen am 5. März 2020.
  8. Vgl. https://www.sueddeutsche.de/wissen/urahn-der-blauen-augen-trendfarbe-der-evolution-1.288702, abgerufen am 5. März 2020.

Ein Kommentar zu „Der Philosoph und das Abenteuer: Wie Platon mich zu „Die Krone von Atlantis“ inspirierte (Freya von Korff)

Gib deinen ab

  1. Liebe Freya,

    vielen Dank für den tollen Einblick in Deine Arbeitsweise!

    Da ich meine Ansichten zu Atlantis bereits in einem eigenen Artikel festgehalten habe (https://fantastischeantike.de/atlantis/), halte ich hier zunächst einfach nur ein paar Punkte fest.

    1. Du benutzt den Begriff Phantastik ganz anders als ich ihn verstehe. Wie würdest Du Phantastik im Gegensatz zur Fantasy definieren?

    2. Mir war es gar nicht so bewusst, dass die Atlantis = Thera-Theorie heute noch so präsent ist. Im entsprechenden Wikipedia-Artikel habe ich aber gerade gelesen, dass es tatsächlich noch einige VertreterInnen dieser Theorie gibt. Ich mag zwar die Insel Santorini sehr gerne, aber an der Gleichsetzung mit Atlantis stört mich ein wenig, dass Platon Atlantis außerhalb der Meerenge von Gibraltar (Säulen des Herakles), also im Atlantik verortet.

    3. Die auf dem Fresko gezeigte Stadt passt wirklich zumindest im Groben zu Platons Beschreibung. Spannend!

    4. Du schreibst: „Platon erzählt davon, dass es Überlebende der Katastrophe von Atlantis gab. Anders ergäbe es keinen Sinn, dass die Atlanter wieder zu einer edleren Lebensweise zurückfinden sollten.“ Völlig richtig! Zeus kann nicht die völlige Vernichtung geplant haben.

    5. Sehr spannend finde ich, wie Du eine „reale“ Grundlage der Poseidon-Kleito-Erzählung geschaffen hast, die dann ihrerseits wieder phantastisch ist.

    6. Die Idee mit den blauen Augen ist interessant. In der pseudo-wissenschaftlichen/esoterischen Literatur gibt es ja wirklich die Ansicht, dass die Atlanter „Arier“ oder „nordisch“ oder ähnliches gewesen seien.

    Mir haben Deine Schilderungen sehr gut gefallen und ich finde – abgesehen natürlich von Deiner auseinandersetzung mit Platon – die Stellen sehr interessant, an denen z.B. zufällige Google-Ergebnisse Einzug in Deine Erzählung erhielten. Klasse!

    Vielleicht könnten wir uns in meinem Podcast ausführlich über all das unterhalten.

    Schöne Grüße

    Michael

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