„Forever Club“-Schöpferin Jette Volland über ihre Vergil-Rezeption (Interview)

Nachdem ich kürzlich das Mystery-Hörspiel Forever Club hinsichtlich seiner Vergil-Rezeption untersucht habe, hat sich dessen Schöpferin Jette Volland großartigerweise bereiterklärt, uns in einem kleinen Interview ein paar der in der Besprechung offengebliebenen Fragen zu beantworten.

Falls Ihr meine Besprechung von Forever Club noch nicht gelesen haben solltet, findet Ihr sie hier.

Wer ist Jette Volland? Eine kleine Vorstellung

Jette Volland ist sowohl im deutschsprachigen als auch im angloamerikanischen Raum als Drehbuchautorin, Regisseurin und Produzentin in den Bereichen Film & Fernsehen, Hörspiel-Podcasts sowie Social Media aktiv.

Von ihren früheren Produktionen ist besonders die Mystery-Serie We/R (2021) hervorzuheben, die auf äußerst interessante Art und Weise plattformtypische Publikationen auf Instragram und Snapchat mit einem klassischen Hörspielpodcast (RSS-Feed) verbindet.

Auf We/R folgte mit Forever Club 2022/2023 ein Mystery-Hörspiel in 20 Folgen, das ich aufgrund seiner spannenden Antikenrezeption kürzlich ausführlich besprochen habe, woraus sich das folgende Interview ergeben hat.

Jette Volland über Vergil und den Forever Club – Ein Interview

Jette Vollands Bezug zu Vergil

In Deinem Hörspiel-Podcast „Forever Club“ legt sich der untote Antagonist Friedrich Schneider das Pseudonym Vergil zu. Wie bist Du auf die Idee gekommen, ihn ausgerechnet nach dem eigentlich eher positiv besetzten römischen Dichter des 1. Jh. v.Chr. zu benennen? Hast Du einen persönlichen Bezug zu Vergil?

Ich wollte, dass die Figur „Vergil“ einen starken Namen bekommt. Deshalb habe ich einen historischen Bezug gewählt. Der Schüler Friedrich Schneider ist sehr intelligent, viel belesen, gerade auch, was alte Dichtkunst, Geschichte, Philosophie angeht.

Niemand ist rein böse oder rein gut. Auch „Vergil“ oder Friedrich Schneider nicht. (Auch wenn einige Autor*innen ihre Figuren so zeichnen, davon bin ich selber kein Fan, weil die Realität einfach nicht so ist.) Deshalb finde ich auch nicht, dass es sich widerspricht, wenn der Antagonist nach einer positiv besetzen realen Person benannt ist.

Ich selbst kannte den historischen Vergil bis dahin nur aus Auszügen von Dantes Göttlicher Komödie und habe selber keinen persönlichen Bezug zu ihm.

Aeneis und Göttliche Komödie

Im „Forever Club“ zitiert der Charakter Toby einen Vers aus Vergils Aeneis. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass die Vergil-Rezeption auch über Dantes Göttliche Komödie läuft, in der Vergil als Führer durch jenseitige Welten in Erscheinung tritt. Stand für Dich bei der Rezeption eines der Werke im Vordergrund oder waren beide gleichermaßen in Bezug auf Forever Club von Bedeutung?

Ich bin über Dantes Göttliche Komödie zu Vergil gekommen. Dantes „Vergil“ ist wie „mein“ Vergil ein Art „Zwischenweltler“. Beide haben keinen endgültigen Zugang zur Welt der Toten, aber auch keinen zur Welt der Lebenden. Sie befinden sich also in einer Art „Zwischenwelt“ oder „Zwischenzustand“. Diese Parallele fand ich spannend.

Woher stammt dann aber das Vergil-Zitat (Fata viam invenient) im Hörspiel?

Ich habe tatsächlich nur ein Zitat von Vergil gesucht und fand dann die Übersetzung „Das Schicksal wird seinen Weg finden“ ziemlich treffend auf die Geschichte bezogen. Ansonsten hat es keinen tieferen Grund.

Gut & Böse

Hast Du bewusst damit gespielt, dass der römische Dichter Vergil in unserer Erinnerungskultur eigentlich eher positiv besetzt ist, sich im „Forever Club“ aber ausgerechnet ein mordender Untoter nach ihm benennt?

Wie ich schon eingangs gesagt habe, ist kein Mensch und somit auch keine Figur ausschließlich gut oder böse. Zumal ein „böser“ Mensch sich nicht selbst als „böse“ sieht. Die Figur „Friedrich Schneider“ ist komplexer. Wir kennen sie aktuell nur als „Vergil“, aber davor war sie 18 Jahre lang „Friedrich Schneider“, ein Internatsschüler, dem die Zukunft offen lag, der als außerordentlich talentiert und intelligent galt, der aber auch Außenseiter war. Ich will damit sagen: da gibt es noch einiges, was wir über Friedrich/Vergil rausfinden werden.

Das „Geheimnis“ um den Namen Vergil

In meiner Besprechung des Hörspiels äußere ich die Überlegung, dass es der Geschichte womöglich recht guttut, dass die Hörer*innen gar nicht so genau erfahren, weshalb Friedrich sich Vergil nennt, weil das die Phantasie anregt und dem Ganzen noch einen zusätzlichen mysteriösen Touch verleiht. Hast Du das bewusst alles so ein bisschen vage gehalten, um einen solchen Effekt zu erzielen?

Gar nicht mal des mysteriösen Touches wegen, wie Du es bezeichnest. Ich bin davon ausgegangen, dass viele den Namen „Vergil“ gar nicht so sehr auf den Schirm haben und nicht direkt an einen alten römischen Dichter denken. Bewusst habe ich aber ausgelassen, zu erzählen, wie es dazu kam, dass Friedrich sich diesen Namen gewählt hat. Ich wollte das „Geheimnis“ noch nicht lüften und zudem auch nicht so schnell runtererzählen. Das hat Platz für eine potentielle weitere Staffel.

Micas Held*innenreise

Die Entwicklung der Protagonistin Mica innerhalb der 20 Folgen des Hörspiels entspricht in mancherlei Hinsicht der klassischen Held*innenreise nach Joseph Campbell oder Christopher Vogler. Hast Du Dich beim Verfassen der Geschichte bewusst ein wenig an der Held*innenreise orientiert oder haben sich die Parallelen eher zufällig ergeben? Und war die Held*innenreise ein Bestandteil Deiner Ausbildung, zum Beispiel an der Hochschule für Fernsehen und Film München, an der Du u.a. studiert hast?

Die „Heldenreise“ ist natürlich etwas, an dem man als Autor*in oder Filmemacher*in nicht vorbeikommt. Ich habe tatsächlich vor meinem Studium an der HFF schon mal einen zweitägigen Kurs bei Christopher Vogler selbst dazu belegt und dann im Studium die verschiedenen anderen „Heldenreisen“ kennengelernt, wie Snyder, Pearsons, Campbell.

Ich lass mich beim Drehbuchschreiben, egal, ob für Film oder Audio, aber von meiner eigenen Intuition leiten und achte weniger auf solche Konzepte wie Heldenreise oder Aktstruktur. Mit am wichtigsten beim Schreiben finde ich, ist, dass man seine Figuren sehr gut kennt. Genau weiß, warum sie in einer Situation dieses oder jenes tun oder eben nicht tun.

Die Reaktionen der Zuhörerschaft

Grundsätzlich ist der Name Vergil eher ein kleinerer Nebenaspekt in Deiner Geschichte, über den sich außer Altertumswissenschaftler*innen und Literaturliebhaber*innen vermutlich kaum jemand größere Gedanken machen wird. Wie ist das für Dich als Autorin, wenn Leute sich plötzlich intensiv oder sogar wissenschaftlich mit derartigen Details auseinandersetzen?

Total wertschätzend. Es ist nichts, was man kalkulieren oder worauf man es anlegen kann. Natürlich möchte ich eine Geschichte erzählen, die die Menschen, die diese anhören oder ansehen, bewegt oder berührt. Aus der sie etwas für sich „ziehen“ können und mit in ihr Leben (außerhalb der Geschichte) mitnehmen können. Aber das ist, wie gesagt, nichts, was automatisch passiert.

Du bist der erste, der sich wissenschaftlich mit Forever Club auseinandergesetzt hat. Das freut mich total, weil ich Deine Gedanken dazu sehr spannend finde und sie interessante Aspekte auf die Geschichte und deren Figuren werfen, die teilweise genauso von mir gemeint waren, aber hier und da auch neue Interpretationen erlauben.

Aber auch die nicht-wissenschaftliche Auseinandersetzung durch andere mit dem eigenen Stoff ist genauso wertschätzend. Bei Forever Club gab es viele längere Kommentare auf den verschiedenen Audio-Plattformen, die intensiv auf die Serie eingegangen sind. Da fand ich teilweise echt erstaunlich, wie unglaublich viel von meiner Intention tatsächlich bei den Zuhörer*innen angekommen ist. Das ist für mich die schönste Bestätigung meiner Arbeit und Lob.

Vielen Dank für das Interview!

Mehr Historisches von Jette Volland?

Wenn Ihr Mystery-Erzählungen mögt, die (zumindest am Rande) historische Themen aufgreifen, könnte es sich für Euch lohnen, in Jette Vollands bereits oben angesprochene Sendung We/R reinzuhören. Dort wird eine andere Zeit als die Antike rezipiert, worüber ich an dieser Stelle aber aus Gründen der Spannung nicht zu viel verraten möchte.

Jedenfalls werden Euch beim Hören sicherlich zwei oder drei kleinere Parallelen zu Forever Club auffallen. Aber dazu demnächst mehr in meinem Klönen mit Kleu-Podcast.

Die fünf Protagonist*innen des Mystery-Hörspiels "Forever Club" von Jette Volland auf einem Photo
Jette Vollands „Forever Club“: Von links nach rechts: Jonas Ems (MIKE), Anuthida Ploypetch (BIBI), Mercedes Müller (MICA), Heinrich Berger (ALEK), Polly Roche (KAT). (© Sebastian Simmert/Junique Productions GmbH/WDR)
Michael Kleu

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