Ich, Hannibal – Meine Erfahrungen als historischer Berater bei einem Fantasy-Roman

Als am 31.05.2024 Judith & Christian Vogts neuer Roman Ich, Hannibal erschien, habe ich mich vermutlich fast ebenso über die Veröffentlichung gefreut wie die beiden Vögte. Ich, Hannibal ist nämlich nach Joachims Sohns Wie ich mit Jesus Star Wars rettete der zweite Roman, bei dem ich als historischer Berater fungieren durfte.

Wie ich zum Berater von „Ich, Hannibal“ wurde

Die Grundvoraussetzungen dafür waren denkbar günstig, da ich mich schon immer sehr für den karthagischen Feldherren Hannibal interessiert habe. Außerdem habe ich wegen meiner Begeisterung für den Hellenismus meine Doktorarbeit über Philipp V. von Makedonien geschrieben, bei dem es sich um einen Bundesgenossen des Karthagers im gemeinsamen Krieg gegen Rom gehandelt hat. Man kann also sagen, dass ich ziemlich gut mit Hannibal und seiner Zeit vertraut bin.

Hinzu kommt, dass ich Judith und Christian Vogt seit 2019 kenne und wir uns aufgrund vielerlei gemeinsamer Interessen immer wieder mal auf Veranstaltungen treffen oder zusammen Podcasts aufnehmen.

So ergab es sich also gleich aus mehreren Gründen, dass ich Mitte 2023 das Manuskript von Ich, Hannibal erhielt und kommentieren durfte.

Die Handlung des Romans

Bevor ich meine Arbeit als historischer Berater beschreibe, sollte ich wohl zunächst ein paar Worte über den Inhalt des Romans verlieren. Denn Ich, Hannibal ist kein historischer Roman, sondern eine Erzählung, die in einer Fantasyvariante der antiken Welt zur Zeit des Zweiten Punischen Krieges angesiedelt ist (218-201 v.Chr.).

Daher entspricht die Erzählwelt im Wesentlichen dem, was wir über die reale damalige Zeit wissen, doch kommen übernatürliche Aspekte wie gewaltige Monster oder Ungeheuer hinzu. So wie Harry Potter oder Percy Jackson in Fantasyvarianten unserer modernen Welt spielen, ereignet sich die Handlung von Ich, Hannibal also in einer Fantasyversion der Antike.

Man könnte jetzt sagen, dass man es mit historischer Genauigkeit in einem Fantasy-Roman nicht allzu genau zu nehmen braucht, und hätte da vermutlich gar nicht mal Unrecht mit. Ich glaube allerdings, dass es für einen überzeugenden Weltenbau durchaus wichtig sein kann, dass die realen Aspekte der auf der Antike basierenden Fantasywelt zumindest im Wesentlichen Hand und Fuß haben.

Zu guter Letzt sei noch auf eine nicht ganz unwichtige Abweichung von der realen Geschichte hingewiesen. Hannibal kommt in dem Buch kaum vor, da er gleich zu Beginn von seiner Frau Himilke ermordet wird, die sich fortan für ihn ausgibt und mithilfe übernatürlicher Wesen einen Kriegszug gegen Rom führt.

Daher geht es in dem Roman auch keineswegs um die Verherrlichung antiker Feldherrn oder Schlachten. Vielmehr handelt es sich bei Ich, Hannibal um eine feministische Erzählung, die die unzähligen unschuldigen Opfer von Kriegen in den Vordergrund rückt. Da wir in Bezug auf die Antike – sei es nun bewusst oder unbewusst – gelegentlich dazu neigen, Kriege zu überhöhen oder zu verharmlosen, erscheint mir dies ein durchaus wichtiger Verdienst der Erzählung zu sein.

Die Ausgangslage der historischen Beratung

Ich muss gleich zu Beginn sagen, dass es eher ein Vergnügen als wirkliche Arbeit war, das Manuskript zu lesen. Denn Judith und Christian kennen sich ziemlich gut in Alter Geschichte aus. So ist Ich Hannibal ja auch nicht das erste der Buch der beiden, das in der Antike bzw. in einem an die Antike angelehnten Setting spielt.

Dementsprechend hatten sich die Vögte gute Fachliteratur herausgesucht, die ich mit ein paar Büchern aus meinen Beständen ergänzt habe. Über die Sozialen Medien konnte man die Ernsthaftigkeit der betriebenen Recherche verfolgen, etwa wenn Judith sich öffentlich über ihre Beschäftigung mit dem griechischen Historiker Polybios äußerte.

Fachliteratur für ich Hannibal
Eine Auswahl der Fachliteratur, die ich beim Lesen des Manuskripts von „Ich, Hannibal“ herangezogen habe. (Photo: Michael Kleu)

Die Lektüre des Manuskripts

Aufgrund der intensiven Recherchen der Vögte habe ich den Roman im Wesentlichen wie jedes andere Buch lesen können. Nur, wenn ich bei Begriffen oder einzelnen Sachverhalten ob ihrer Richtigkeit unsicher war, habe ich meine Nachschlagwerke zur Hand genommen und das Geschriebene kritisch überprüft. In seltenen Fällen habe ich dabei wirklich einen Fehler oder eine Ungenauigkeit gefunden, während meine Recherchen in der Regel lediglich zu der Feststellung führten, dass alles seine Richtigkeit hat.

Sprachliche Feinheiten

Mit besonderer Aufmerksamkeit musste ich Eigennamen oder geographische Bezeichnungen überprüfen. Im Deutschen folgen wir in der Regel der griechischen Schreibweise, während sich die englische Welt am Lateinischen orientiert. So sagen wir auf Deutsch zum Beispiel Kerberos, während im englischsprachigen Raum von Cerberus die Rede ist. Schreibt man aber eine Geschichte aus römischer Perspektive, ist es natürlich auch im Deutschen sinnvoll, der lateinischen Schreibweise zu folgen.

Was regelmäßig bei den Verfasser*innen studentischer Hausarbeiten für Verwirrung sorgt, erwies sich bei Ich, Hannibal als wesentlich komplizierter. Während man sich bei einer wissenschaftlichen Untersuchung in der Regel auf eine der möglichen Schreibweisen festlegt, kommen im Roman Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen vor, sodass es immer von der jeweiligen Erzählperspektive abhängt, ob es bei bestimmten Bezeichnungen nun mehr Sinn hat, sich am Lateinischen, am Altgriechischen oder ggf. sogar an einer anderen Sprache zu orientieren.

Da es dabei sehr leicht zu Unregelmäßigkeiten kommen kann, traf es sich recht gut, dass ich diesbezüglich ein recht geübtes Auge habe.

An dieser Stelle darf natürlich nicht vergessen werden, dass gelegentliche diesbezügliche Schwierigkeiten überhaupt nur deshalb auftraten, weil sich die Vögte begrüßenswerterweise darum bemühten, so gut es eben geht der kulturellen Vielfalt des antiken Mittelmeerraums Rechnung zu tragen, statt sprachlich alles über einen Kamm zu scheren.

Das Expertenwissen historischer Berater*innen

Da sich meine Doktorarbeit über Philipp V. auf dessen Seepolitik konzentrierte, kenne ich mich recht gut mit der Seekriegsführung der betreffenden Zeit aus. Und wie der Zufall es so wollte, kam tatsächlich ein Kriegsschiff Philipps V. im Roman vor, bei dem mir ein kleiner Fehler in der Beschreibung auffiel.

Selbstverständlich kommt man als Experte für das antike Makedonien auch nicht umhin, sich ein wenig mit dem Konflikt zwischen Griechenland und Nordmazedonien auszukennen, da beide Staaten für sich in Anspruch nehmen, jeweils der einzig legitime Erbe des damaligen Makedoniens zu sein. Daher fiel mir auch in diesem Kontext im Manuskirpt von Ich, Hannibal eine Kleinigkeit auf, bei der ich eine Änderung empfahl.

Die Grenzen des Wissens historischer Berater*innen

Dadurch kam mir der Gedanke, dass ein Teil meiner althistorisch ausgebildeten Kolleg*innen diese Fehler oder ungünstigen Formulierungen nicht zwingend bemerkt hätten, weil sie sich eben nicht auf diese Thematiken spezialisiert haben. Umgekehrt ergibt sich daraus, dass ich womöglich die ein oder andere Abweichung von der historischen Vorlage übersehen habe, weil ich eben kein Experte für römisches Recht oder Bauwesen bin.

Tatsächlich kam es vereinzelt vor, dass der Roman in Bezug auf die römische Republik von Aspekten sprach, die mir als Althistoriker mit Schwerpunkt Griechenland gar nicht so geläufig waren, sich aber bei der Überprüfung als absolut richtig erwiesen.

Daher wäre es wohl strenggenommen durchaus sinnvoll, statt einem Althistoriker zwei oder drei Expert*innen der antiken Welt mit unterschiedlichen Schwerpunkten zurate zuziehen.

Wie heißt denn das auf Altgriechisch?

So war ich selbst dann an einer Stelle auch dermaßen mit meinem Latein – bzw. besser gesagt mit meinem Altgriechisch – am Ende, dass ich eine Klassische Philologin um Hilfe bitten musste.

Denn in Ich, Hannibal sollte an einer Stelle ein altgriechisches Wort vorkommen. Meine eigenen Kenntnisse reichten zwar für die Feststellung, dass das Altgriechisch im Manuskript vom Wortlaut her nicht ganz optimal war, aber ich war definitiv nicht in der Lage, eigenständig eine gute Alternative zu finden. So half dann dankenswerterweise besagte Klassische Philologin mit Schwerpunkt Altgriechisch aus und versorgte mich mit einem geeigneten Wort, das es dann auch in das fertige Buch schaffte (S. 366).

Darf ich vorstellen? Telesilla!

An einer Stelle der Erzählung dachte ich mir, dass hier ein Verweis auf die Dichterin Telesilla (5. Jh. v.Chr.) ganz schön wäre. Diese stammte aus Argos und soll laut Pausanias (2,20,8-10) und Plutarch (Moralia 245c–f) bei einem spartanischen Angriff auf ihre Heimatstadt das Kommando über Frauen, Männer im nicht-waffenfähigen Alter und Sklaven übernommen haben, nachdem die Spartaner die reguläre Armee der Stadt besiegt hatten. Da Telesilla als Heerführerin allem Anschein nach durchaus talentiert war, gelang es ihr schließlich, den spartanischen Angriff abzuwehren.

Tatsächlich findet sich Telesilla nun auf Seite 84 des Romans, wobei im Index am Ende des Buches erklärt wird, was es mit dieser Dichterin auf sich hat.

Fazit

Wie ich bereits oben vorweggenommen habe, konzentrierte sich meine Beratung als Althistoriker im vorliegenden Fall eher auf Feinheiten, da sich Judith und Christian Vogt sehr gut in die Materie eingearbeitet hatten. Hinzu kommt, dass wir recht viel Spaß hatten, wenn wir meine Anmerkungen besprochen haben. Insofern hat es sich für mich um eine großartige Erfahrung gehandelt, die ich gerne jederzeit wiederholen würde.

Der Austausch zwischen althistorischer Fachwissenschaft auf der einen und Kunst und Kultur auf der anderen Seite ist etwas, was mir viel Freude bereitet und was ich außerdem für sehr wichtig und ergiebig halte. Tatsächlich kommen mir gelegentlich erst Forschungsfragen in den Sinn, weil mich ein Film, ein Roman oder ein Computerspiel auf die Idee gebracht hat.

Daher hoffe ich, dass sich zu Wie ich mit Jesus Star Wars rettete und Ich, Hannibal noch weitere Romane gesellen werden, zu denen ich als Althistoriker und Phantastikforscher einen kleinen Beitrag leisten darf.

Judith & Christian Vogts Roman "Ich, Hannibal" in meinem Bücherregal (Photo: Michael Kleu)
Judith & Christian Vogts Roman „Ich, Hannibal“ in meinem Bücherregal (Photo: Michael Kleu)

 

Michael Kleu

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