Von Harry Potter bis Star Wars – der Phönix in der Phantastik (Celine Derikartz)

„Wie ein Phönix aus der Asche“ heißt es oft. Der antike Mythos des Feuervogels, der nach seinem Tod aus der eigenen Asche wieder aufersteht, erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit und hat die Zeit bis heute überdauert. Zugegeben, ein Vogel, der in einem stetigen Kreislauf, nachdem er geschlüpft ist, auf dem Höhepunkt seines Lebens in Flammen aufgeht und sich dann aus seiner eigenen Asche neu erschafft, ist an Symbolcharakter kaum zu überbieten. Kein Wunder also, dass zahlreiche Filmemacher und Autoren, wie unter anderem Ray Bradbury für seinen Science-Fiction-Roman Fahrenheit 451 aus dem Jahr 1953, des Öfteren darauf zurückgriffen.

„So ein alberner Vogel, ein sogenannter Phönix, den es früher einmal gab: Alle paar Jahrhunderte baute er sich einen Scheiterhaufen und verbrannte sich selbst. […] Aber jedes Mal, wenn er sich verbrannte, erhob er sich neugeboren wieder aus der Asche.“[i]

Allein dieser Ausschnitt veranschaulicht sehr schön, was wir heute unter anderem mit einem Phönix verbinden, was ihn so unwahrscheinlich faszinierend und als Motiv so ergiebig macht. Unsterblichkeit, eine zweite Chance, ein Neuanfang, eine Rückkehr mit neuer Stärke. Der Phönix war und ist offenbar mehr als nur ein “Federvieh“ mit erstaunlichen Comeback-Qualitäten.

Antike Ursprünge: Der Phönix als Wunder und Symbol für die Sonne

Schon in der Antike bestanden recht konkrete Vorstellungen über dieses mystische Geschöpf und dessen äußere Erscheinung. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus (sein Werk entstand ca. 110 – 120 n.Chr.) berichtete zum Beispiel über das Jahr 34 n. Chr., wobei er sich vermutlich auch auf ähnliche Berichte älterer Autoren[ii] stützt, Folgendes:

„Unter dem Konsulat des Paulus Fabius und des L. Vitellius erschien nach dem Verlauf vieler Jahrhunderte wieder der Vogel Phönix aus Ägypten und bot den gelehrtesten Männern der einheimischen und der griechischen Bevölkerung Stoff zu vielfacher Erörterung dieser Wundererscheinung. […] Daß dieses Tier der Sonne heilig und in der Form seines Schnabels und der Zeichnung seines Gefieders von den anderen Vögeln verschieden ist, darüber herrscht Einigkeit bei allen, die seine Gestalt beschrieben haben. […]“[iii]

Das kulturübergreifende Motiv des Phönix

Das Motiv des Phönix scheint kulturübergreifend präsent und gleichermaßen beliebt gewesen zu sein, da es Eingang in die Berichte von Griechen und Römern, später sogar in mittelalterliche Quellen, gefunden hat. Die Ursprünge des Phönix selbst lagen offenbar in Arabien und sein Ziel für den Verbrennungsprozess war angeblich der Altar des Sonnengottes in Ägypten.[iv] Für die Ursprünge im arabischen Raum spricht allein der Name, die antike Landschaft Phönizien beschreibt in etwa das Gebiet des heutigen Libanon. Ovid berichtet in seinen Metamorphosen, dass der Phönix auch den Assyrern bekannt war[v] und er seine Informationen unter anderem aus dieser Quelle bezieht.

Seine Metamorphosen behandeln Verwandlungen und Transformationen in all ihren Facetten und Ausprägungen. Gerade das Motiv des Phönix, der in sich selbst bereits eine Verwandlung und einen ewigen Kreislauf darstellt, hat daher wenig überraschend Eingang in seine Werke gefunden.[vi] Das Vergehen des Phönix in voller Blüte und seine folgende erneute Geburt interessierte als Naturschauspiel der besonderen Art ebenfalls Plinius den Älteren für seine Naturgeschichte.[vii] Seinem Bericht zufolge war der Phönix auch in Indien und Äthiopien geläufig.[viii]

Ein einzigartiges und wunderbares Phänomen

Alle Berichte eint, dass der Phönix als ein einzigartiges und wunderbares Phänomen wahrgenommen und ausschließlich mit einer Vielfalt an positiven Eigenschaften in Verbindung gebracht wurde – vor allem auch weil sein Erscheinen sehr selten war. Kaum jemand hat den Phönix gemäß den Autoren je zu Gesicht bekommen, weil zwischen jeder Erneuerung 500 Jahre liegen würden.[ix] Je nach Quelle erfolgte jedoch eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung dieser Wahrnehmung.

Insgesamt galt er als Synonym für das Leben, das Licht, die Sonne, sowie für die Wiederauferstehung und die Vergänglichkeit und die Ewigkeit gleichermaßen. Ein Feuer, das erlischt und sich dann wieder entzündet. In Anlehnung daran, wurde daher auch die äußere Erscheinung in den meisten Quellen sehr ähnlich beschrieben: Die Farbgebung des „klassischen“ Phönix changiert zwischen Rot und Gold.[x]

Narnia
Photo: Celine Derikartz

Der Phönix und die Farbe Rot – C. S. Lewis und der Feuervogel in Narnia

Dieser Optik bleibt auch Narnia-Autor C. S. Lewis treu. Namentlich wird der Phönix zwar in keinem der sieben Bände des Narnia-Zyklus erwähnt, doch direkt im ersten Band, Das Wunder von Narnia, wird ein „wunderschöner“ Vogel beschrieben, auf den die antike Beschreibung eines Phönix durchaus zutreffen würde. „Größer als ein Adler war der Vogel, seine Brust war safrangelb, sein Schopf scharlachrot und seine Schwanzfedern leuchteten purpurn.“[xi]

Lewis selbst bediente sich mehrfach im großen Stil bei der antiken Mythologie und bevölkerte seine Fantasiewelt Narnia unter anderem mit Zwergen, Satyrn, Nymphen und geflügelten Pferden. Der Verdacht liegt daher nahe, dass es sich bei dem beschriebenen Vogel tatsächlich um einen Phönix handelt, auch wenn er nicht explizit als solcher bezeichnet wird. Der Vergleich mit einem Adler wäre ebenfalls als Indiz für einen Phönix zu werten, da auch in den antiken Quellen für das Erscheinungsbild eines Phönix mehrfach ein Adler zum Vergleich herangezogen wurde.[xii] Demnach war der Phönix in der Vorstellung sogar dem mächtigen Adler überlegen, was eine Erhabenheit des Phönix impliziert und seine besondere Stellung untermauert.

Der Phönix als Verheißung und Zeichen einer positiven Wende

Während ein solcher Vogel im weiteren Verlauf dieser Geschichte und in den übrigen Narnia-Büchern nicht mehr in Erscheinung tritt, wurde ihm in der Verfilmung des zweiten Buches eine wichtige Sequenz gewidmet. In der finalen Schlacht des Films sieht alles nach einer Niederlage der Protagonisten aus. Die Streitmacht des Bösen ist unaufhaltsam auf dem Vormarsch und der eigentliche Held der Geschichte, der mächtige Löwe Aslan, der als Einziger in der Lage wäre das Blatt zu wenden, gilt als tot. Genau in diesem Setting erscheint jedoch ein Phönix, der nicht nur eine Wand aus Feuer erschafft und somit den geschwächten Narnianen einen Rückzug ermöglicht, sondern auch ein Vorbote der Rückkehr Aslans ist.

Kurz darauf erscheint nämlich der vom Tode auferstandene Aslan und verhilft den Narnianen doch noch zum Sieg. Auch die von der bösen Hexe versteinerten Charaktere kann er wieder zum Leben erwecken. Diese Symbolik, dass etwas Gutes unmittelbar bevorsteht, deckt sich mit den antiken Überlieferungen des so seltenen Ereignisses. Verständlich, dass Regisseur und Produzenten trotz des Fehlens in der Literaturvorlage anscheinend nicht auf dieses Element verzichten wollten. Eine ähnliche Rolle nimmt der Phönix auch im nächsten Beispiel ein.

Phönix
Harry Potter und die Kammer des Schreckens in der von Jim Kay illustrierten Ausgabe (Photo: Celine Derikartz)

Fawkes der Phönix in Harry Potter: Licht in dunklen Zeiten

Der heute wahrscheinlich bekannteste und beliebteste Vertreter dieser mystischen Gattung begegnet uns bei den Abenteuern einer der berühmtesten Romanfiguren aller Zeiten. Den ersten großen Auftritt hat Fawkes der Phönix im zweiten Teil der Reihe: Harry Potter und die Kammer des Schreckens. Bei einem Besuch im Büro seines Schulleiters Albus Dumbledore, geht dessen Haustier vor Harrys Augen zunächst in Flammen auf und erscheint dann als Küken im entstandenen Aschehaufen.[xiii]

In dieser Episode wird der Phönix tatsächlich nicht wie üblich als schön und farbenprächtig, sondern zunächst als hässlich und kränklich beschrieben, da seine Erneuerung längst überfällig ist. Dumbledore bedauert, dass Harry Fawkes an einem „Brandtag“ zu Gesicht bekommen hat, da Phönixe „faszinierende Geschöpfe“ seien und versichert ihm, dass er „die meiste Zeit sehr hübsch [ist], herrlich rot und golden gefiedert.“[xiv] Hier liegt also wieder das aus der Antike bekannte und optisch gängige Bild eines Phönix vor.

Fawkes und Harry

Fawkes kommt Harry in der Kammer des Schreckens zur Hilfe und rettet ihm das Leben. Er steht Harry in einem Moment bei, der hoffnungslos scheint, und vermittelt ihm durch sein Erscheinen das Gefühl eine Chance zu haben, weil Dumbledore ihm beisteht. Sein Auftreten signalisiert dem Leser/Betrachter des Films: Achtung, es wird etwas Unerwartetes und Wunderbares passieren. Eine Funktion, die dem Phönix auch in der bereits erwähnten Narnia-Verfilmung zugekommen ist. Er greift aktiv ins Geschehen ein und vergrößert Harrys Chancen, indem er dessen Gegner schwächt – durch magischen Gesang und indem er den Basilisken blendet und seiner größten Stärke beraubt.[xv]

Zudem zeigt Fawkes Harry anstelle von Dumbledore einen Lösungsweg auf. Zunächst, indem er ihm mit dem Schwert eine geeignete Waffe an die Hand gibt, dann als er Harry darauf aufmerksam macht, dass die Zerstörung von Tom Riddles Tagebuch der Schlüssel zum Erfolg ist, da dessen Geist an diesen Gegenstand gebunden ist.[xvi] In den Filmen ist der Moment der Hoffnung in einer scheinbar ausweglosen Situation bildlich wunderschön umgesetzt, als der leuchtend rot gefiederte Vogel unerwartet in der dunklen Kammer erscheint: Fawkes bringt gewissermaßen Licht in die Dunkelheit.

Phoinix Harry Potter
Photo: Celine Derikartz

Fawkes als Lebensretter

Nach seiner im Kampf zugezogenen Verletzung ist Harry eigentlich dem Tode geweiht und Fawkes schafft es, durch seine heilenden Tränen, ihm sein schon verloren geglaubtes Leben zurückzugeben. Er kann also seine Regenerationsfähigkeit auch auf andere übertragen. Anschließend befördert er mühelos vier Personen gleichzeitig aus der Kammer. Diese enorme Kraft und die Fähigkeit Lasten zu transportieren, die über das eigene Körpergewicht deutlich hinausgehen, ist ein Motiv, das bereits in den antiken Quellen beschrieben wurde.[xvii] In den Annalen des Tacitus trägt ein neugeborener Phönix sein Nest nebst dem Leichnam seines Alter Egos zum Bestattungsort, obwohl das ausgewachsene Tier eigentlich viel zu groß und zu schwer sein müsste.[xviii]

Der Phönix als überirdisches Wesen mit enormen Kräften

An dieser Stelle zeigt sich ein Unterschied zwischen Rowlings Phönix und einigen antiken Vorlagen. Dieser liegt im genauen Ablauf des Kreislaufes: Fawkes verbrennt erst zu Asche, bevor er als Küken eben aus dieser Asche neu entsteht. In der Antike gab dieser Vorgang des Verbrennens und der Erneuerung große Rätsel auf. Tacitus weist explizit darauf hin, dass es viele Märchen und Zweifel darüber gibt.[xix] Die Idee einiger antiker Autoren war, dass das Jungtier zunächst aus einem Samen des sterbenden Vogels hervorging und anschließend nicht sich selbst, sondern seinen Vater auf dem Altar des Sonnengottes verbrannte.[xx] Ovid nannte das Nest daher gleichsam Wiege und Grab.[xxi] Autoren wie Pomponius Mela, Plinius der Ältere und Isidor von Sevilla schreiben allerdings abweichend, dass der Phönix sich nicht auf die herkömmliche Art fortpflanzt, sondern er erst vergeht und sich danach aus den eigenen Überresten selbst wieder erschafft.[xxii]

Der heutige Sprachgebrauch

Dieser Version schließt sich nicht nur Rowling an: Allein das eingangs erwähnte geflügelte Wort „Phönix aus der Asche“ macht deutlich, dass dies die Version ist, die sich im heutigen Sprachgebrauch und der allgemeinen Vorstellung durchgesetzt und etabliert hat. Gerade die Eigenschaft, über die in der Antike keine Einigkeit herrschte, ist gemäß dem heutigen Verständnis das exklusive Merkmal eines Phönix. Eine mögliche Begründung könnte die wichtige Rolle der Asche im christlichen Glauben spielen.

Neben der Farbgebung, der Fähigkeit schwere Lasten zu transportieren und der Wiedergeburt, übernimmt Rowling auch die Herkunft des Phönix aus der Antike: Laut Phantastische Tierwesen ist der Phönix in Ägypten, Indien und China anzutreffen.[xxiii]

Als durch und durch magische Kreaturen bilden Phönixfedern im Harry Potter-Kosmos darüber hinaus den magischen Kern für diverse Zauberstäbe, unter anderem den für Harrys und Lord Voldemorts.[xxiv]

Der Phönix als persönlicher Begleiter und Anführer

Ohnehin ist Fawkes eng mit Dumbledore verbunden – nicht nur als dessen Haustier. Als Dumbledore ins Zaubereigefängnis Askaban gebracht werden soll, ermöglicht Fawkes ihm die Flucht.[xxv] Im weiteren Handlungsverlauf stellt er abermals seine erstaunlichen Fähigkeiten unter Beweis, und nimmt einen eigentlich für Dumbledore bestimmten Todesfluch an seiner statt in sich auf. Er überlebt den Kontakt mit dem Fluch, indem er verbrennt und sich anschließend regeneriert.[xxvi]

Er erscheint Harry oft anstelle von Dumbledore (wie in der Kammer des Schreckens) und ist dessen Symbol. Als Harrys Mentor kommt insofern gleichermaßen auch Fawkes die Rolle eines Anführers zu, der ihm einen Weg aufzeigt. Eine weitere Analogie: Der Patronus von Dumbledore, also sein persönlicher Schutzzauber, erscheint in Form eines Phönix.[xxvii] Nach Dumbledores Tod geht sein Leichnam in weißen Flammen auf und Harry glaubt für einen Moment, einen Phönix in den Rauchschwaden zu erkennen – ein erster Hinweis, dass Dumbledore doch nicht ganz gegangen ist und Harry doch noch einmal begegnen wird.[xxviii]

Harry Potter
Photo: Celine Derikartz

Der Phönix als Symbol eines geheimen Ordens und des Widerstands

Band fünf der Reihe trägt den Phönix bereits im Titel. In Harry Potter und der Orden des Phönix wird für den Kampf gegen das Böse ein ehemaliger Geheimbund wieder akquiriert. Erneut wird der Phönix somit als Symbol für das Gute verwandt und dem bedrohlichen Dunkel gegenübergestellt. Der Phönix-Orden kämpfte bereits bei der ersten Machtübernahme Lord Voldemorts im Untergrund gegen ihn und seine Anhänger. Nach dessen Niederlage und Verschwinden löste er sich vorübergehend auf, da er nicht mehr gebraucht wurde und erfindet sich daraufhin neu. Passender kann ein Name nicht sein: Eine (Wieder-) Auferstehung und Erneuerung einer alten Gemeinschaft – wie ein Phönix aus der Asche eben.

Der stete Kampf zwischen Gut und Böse wird mit dem Zyklus von Werden und Vergehen des Phönix symbolisiert und gleichgesetzt. Der Phönix erscheint keinesfalls zufällig, so wie auch seine Transformation einer gewissen Zwangsläufigkeit unterworfen ist. Er steht für ein Gleichgewicht und erscheint wie schon zuvor bei großer Not, beziehungsweise wenn er gebraucht wird.

Phoinix
Photo: Celine Derikartz

Star Wars: Rebellen-Allianzen im Zeichen des Phönix

Auch eine weitere Widerstandsorganisation steht im Zeichen des Phönix. Gleich im ersten Star Wars-Film Eine neue Hoffnung aus dem Jahr 1977, wählte George Lucas für die Allianz der Rebellen das Symbol eines stilisierten Phönix in Graffiti-Optik.[xxix] Er ziert in verschiedenen Farben unter anderem die Helme der Piloten.

Auch hier stellt sich eine kleine Gruppe einem schier übermächtigen Feind und bewahrt immer wieder die Hoffnung, etwas ausrichten zu können. Durch das Auftreten von Luke Skywalker erfährt diese Hoffnung einen zusätzlichen Schub. Wie ein Phönix gelangt er unverhofft in einer Notsituation zu den Rebellen und verleiht dem Widerstand neuen Mut. George Lucas sagte in einem Interview, dass er sich gerne von der antiken Mythologie inspirieren ließ.[xxx]

Phoinix
Photo: Celine Derikartz

In dem 2016 erschienenen, von der Handlung aber noch vor der ursprünglichen Trilogie angesiedelten, Film Rogue One: A Star Wars Story wurde das Symbol für die Rebellion beibehalten.

Bei einem weiteren Ableger des Star Wars-Universums, der von 2014 bis 2018 ausgestrahlten Computeranimationsserie Rebels, findet sich die sogenannte Phönix-Staffel.[xxxi] Selbstverständlich handelt es sich auch hier um eine Widerstandsorganisation.

X-Men: Dark Phoenix – Ein drastischer Stilbruch zur klassischen Variante

Neben dem Kampf gegen das ultimative Böse, der auch im Film X-Men: Dark Phoenix präsent ist, dient der Phönix auch als Motiv für das Gute und Böse innerhalb einer Person beziehungsweise den ewigen Kampf mit sich selbst. Der Phönix ist nicht mehr „nur“ ein Vogel, der eng mit einer Person verbunden ist, sondern geht unmittelbar mit der Person einher. Jean Grey nimmt die rätselhafte und zerstörerische Phönix-Kraft in sich auf und fortan existiert eine dunkle Kopie ihrer Selbst. Sie ist der Phönix und muss sich entscheiden, welchen Weg sie gehen will. Das Phönix-Motiv wird hier durch eine gewisse Unberechenbarkeit beziehungsweise Unkontrollierbarkeit ergänzt. Durch die enorme Ansammlung von Macht und Energie ist Jean Grey als Phönix gegenüber allen anderen Mutanten erhaben und in diesem Zustand unaufhaltsam.

Diese Unbesiegbarkeit ist allerdings Fluch und Segen zugleich. Die physische Transformation des Phönix ist in diesem Film eher ein psychologischer Prozess der Selbstfindung und der Phönix/Jean Grey hat die Freiheit selbst über ihr Schicksal zu entscheiden. Dadurch, dass sie sich selbst opfert, entscheidet sie sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht selbst für den Tod. Das anschließende Erscheinen eines feurigen Phönix am Himmel deutet jedoch an, dass sie es auf irgendeine Weise doch geschafft hat, den Tod zu umgehen und zumindest ihre Seele noch immer existiert, quasi das Element der Wiedergeburt. Dazu passt, dass ihre Stimme aus dem Off erklärt, dass dies nicht ihr Ende sei, sondern vielmehr ein neuer Anfang.

Maleficent X-Men
Photo: Celine Derikartz

Maleficent: Mächte der Finsternis – Auch im eigenen Inneren

Ein ähnliches Szenario wird auch im zweiten Teil von Disneys Dornröschen-Variante Maleficent entworfen: Eine innerlich zerrissene Hauptfigur entscheidet sich letztendlich doch für das Gute in sich und findet wieder zu sich selbst.  Durch einen Akt der Liebe kurz vor ihrem Tod reinigt sie sich selbst und erhält durch die Wiedergeburt als dunkler Phönix eine zweite Chance. Als solcher ist sie stark und unbesiegbar und kann schließlich auch das allgemeine Gleichgewicht auf der Welt wiederherstellen. Interessant ist auch das Design eines dunklen Phönix. Orientierte sich J.K. Rowling in Harry Potter an der klassischen roten Variante, präsentiert er sich in diesem Film ganz in schwarz.

Fazit – Der Phönix als sehr wirkungsvolles und variantenreiches Stilmittel

Das, was wir heute primär mit einem Phönix verbinden, ist das, was wir Menschen über Jahrhunderte aus vielen verschiedenen Mythen gemacht haben. Wir haben die Elemente beibehalten und herausgestellt, die uns besonders wichtig, außergewöhnlich und prägnant erschienen und sich auf verschiedene Bereiche unseres eigenen Lebens übertragen lassen. Eine Auferstehung nach einer Niederlage, aus einem schlimmen Ereignis gestärkt hervorgehen, das Überstehen einer Krise, eine neue Chance, usw. …

Der Phönix spricht uns deshalb an, weil er uns berührt und unsere Wünsche und menschlichen Bedürfnisse widerspiegelt und damit über eine lange Zeit hinweg symbolisch aufgeladen wurde. Die ursprüngliche Beschreibung des Feuervogels ist mit der Zeit immer vielschichtiger und mehrdeutiger geworden, aber der Phönix scheint vor allem aufgrund dieser Vielseitigkeit gerne in Filme und Bücher mit einbezogen worden zu sein. Einerseits haben wir eine klare Vorstellung, was wir mit einem Phönix verbinden, aber das Motiv bietet dennoch viel Raum zur individuellen Interpretation.

J.K. Rowling und C.S. Lewis orientieren sich stark an den antiken Anhaltspunkten, wie bei der äußeren Erscheinung oder der Fähigkeit schwere Lasten zu transportieren, ergänzten aber auch weitere Attribute, wie zum Beispiel heilenden Tränen oder magischem Gesang. Vor allem durch eine gewisse Personifizierung und Vermenschlichung, spricht das Phönix-Motiv unterbewusst einmal mehr auch eine emotionale Ebene an und ermöglicht eine Identifikation mit der Figur.

Speziell in Filmen eröffnet er auch mannigfaltige Möglichkeiten der optischen Umsetzung: Entweder er erscheint in der Farbe Rot oder aber in einer Art Kontrastprogramm in Schwarz.

Phoinix
Photo: Celine Derikartz

Über die Autorin

Celine Derikartz studiert an der Universität zu Köln Geschichte und Archäologie.

Anmerkungen

Anmerkungen I-XV

[i] Ray Bradbury, Fahrenheit 451, S. 212.

[ii] Herodot, Historiae 2, 73 (entstanden zwischen 490 – 430 v.Chr.); Publius Ovidius Naso, Metamorphosen XV, 391 – 407 (entstanden zwischen 3 – 8 n.Chr.); Pomponius Mela, De Chorographia 3, 82 ff. (entstanden um das Jahr 43 n.Chr.); Plinius der Ältere, Historia Naturalis 10, 2 (entstanden um das Jahr 77 n.Chr.).

[iii] Tacitus, Annales VI, 28.

[iv] Hoffmann, Friedhelm, Art. Phönix, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2009; Tacitus, Annales VI, 28.

[v] Publius Ovidius Naso, Metamorphosen XV, 393.

[vi] Publius Ovidius Naso, Metamorphosen XV, 391 – 407.

[vii] Plinius der Ältere, Historia Naturalis 10, 2.

[viii] Plinius der Ältere, Historia Naturalis 10, 2, 3.

[ix] Herodot, Historiae 2, 73; Plinius der Ältere, Historia Naturalis 10, 2, 4; Pomponius Mela, De Chorographia 3,83; Isidor von Sevilla, Etymologiae 12, 7, 22 (entstanden zwischen 570-636 n.Chr.); Tacitus, Annales VI, 28.

[x] Herodot, Historiae 2, 73; Plinius der Ältere, Historia Naturalis 10, 2, 3; Isidor von Sevilla, Etymologiae 12, 7, 22.

[xi] C. S. Lewis, Das Wunder von Narnia, S. 143.

[xii] Herodot, Historiae 2, 73; Plinius der Ältere, Historia Naturalis 10, 2, 3.

[xiii] Joanne K. Rowling, Harry Potter und die Kammer des Schreckens, S. 224; Joanne K. Rowling, Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind, S. 45.

[xiv] Joanne K. Rowling, Harry Potter und die Kammer des Schreckens, S. 224.

[xv] Joanne K. Rowling, Harry Potter und die Kammer des Schreckens, S. 336 f.

Anmerkungen XVI-XXXI

[xvi] Joanne K. Rowling, Harry Potter und die Kammer des Schreckens, S. 344.

[xvii] Tacitus, Annales VI, 28.

[xviii] Tacitus, Annales VI, 28; Herodot, Historiae 2, 73; Publius Ovidius Naso, Metamorphosen XV, 401 ff.; Pomponius Mela, De Chorographia 3,84.

[xix] Tacitus, Annales VI, 28.

[xx] Tacitus, Annales VI, 28; Herodot, Historiae 2, 73; Publius Ovidius Naso, Metamorphosen XV, 401 ff.

[xxi] Publius Ovidius Naso, Metamorphosen XV, 403 f.

[xxii] Plinius der Ältere, Historia Naturalis 10, 2, 4; Isidor von Sevilla, Etymologiae 12, 7, 22; Pomponius Mela, De Chorographia 3, 84.

[xxiii] Joanne K. Rowling, Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind, S. 45.

[xxiv] Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Stein der Weisen, S. 96.

[xxv] Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Orden des Phönix, S. 731.

[xxvi] Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Orden des Phönix, S. 956.

[xxvii] Callie Ahlgrim (2019, Juni 4), All the known Patronuses of the ‚Harry Potter‘ characters – from Dumbledore to the Weasley twins. Abgerufen am 06.05.2020, von https://www.insider.com/harry-potter-characters-patronus-2018-11.

[xxviii] Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Halbblutprinz, S. 649.

[xxix] Amy Ratcliffe (2016, Februar 2), 5 Symbols in the Star Wars Universe. Here`s how to identify the Rebel Alliance, the First Order, and more. Abgerufen am 04.05.2020, von https://www.starwars.com/news/5-symbols-in-the-star-wars-universe.

[xxx] BillMoyers, (1999, Juni 18), The Mythology of ‘Star Wars’ with George Lucas. Abgerufen am 06.05.2020, von https://billmoyers.com/content/mythology-of-star-wars-george-lucas.

[xxxi] Lucasfilm, Phoenix squadron. Abgerufen am 06.05.2020, von https://www.starwars.com/databank/phoenix-squadron.

Celine Derikartz

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