Veröffentlicht: 23. Februar 2018 – Letzte Aktualisierung: 11. Oktober 2020
In Netflix‘ sehenswerter Serie Dark finden sich immer wieder Anspielungen auf Ariadne und den Ariadnefaden, die wir im Folgenden etwas näher beleuchten wollen.
Theseus und Ariadne
Ariadne war die Tochter des Kreterkönigs Minos und die Halbschwester des Minotauros, der über den Körper eines Menschen sowie den Kopf eines Stieres verfügte und in einem Labyrinth hauste, in dem ihm alle neun Jahre sieben junge Frauen und sieben junge Männer aus Athen geopfert wurden. Um diese Darbringung von Menschenopfern zu beenden, kommt der Held Theseus nach Kreta, wo er und Ariadne sich ineinander verlieben. Ariadne übergibt Theseus schließlich den berühmten Faden, mit dessen Hilfe es dem Helden gelingt, seinen Weg wieder aus dem Labyrinth heraus zu finden, nachdem er den Minotauros im Kampf besiegt hat.
Dark – Eine Zusammenfassung
Die Geschichte von Dark ist sehr verworren und dementsprechend schwer zusammenzufassen. Die Handlung ereignet sich jedenfalls im fiktiven Ort Winden, in dem wir verschiedenen Personen bzw. Familien begegnen, deren Leben uns zunächst auf drei Zeitebenen präsentiert werden. So beginnt die Handlung im Jahr 2019, um dann in die Jahre 1986 und 1953 zurückzublicken. Später kommen die Jahre 1920 und 2052 hinzu, bevor schließlich auch das 19. Jh. einbezogen wird. In der dritten Staffel werden diese Zeitebenen noch durch zwei Parallelwelten mit ihren jeweiligen Zeitebenen ergänzt.
Reisen durch Zeit und Raum
Ohne zu viel von Handlung zu verraten, kann man sagen, dass es sich um eine sehr interessant konstruierte Zeitreiseerzählung handelt, die mit diversen Paradoxa und Tragödien verbunden ist. Zeitreisen werden durch ein neben einem Atomkraftwerk liegendes labyrinthartiges Höhlensystem ermöglicht, das Zeitabschnitte miteinander verbindet, die 33 Jahre auseinanderliegen, was mit der Idee verbunden ist, dass alle 33 Jahre von der Erde aus betrachtet die Konstellation zwischen unserem Heimatplaneten, der Sonne und den Sternbildern identisch ist, sodass also eine Art astronomische Verbindung zwischen diesen Zeitpunkten besteht. Hinzu kommen im Laufe der Serie noch an Steampunk erinnernde Maschinen, die davon unabhängige Zeit- und Weltenreisen ermöglichen.
Im Mittelpunkt der Ereignisse: Jonas und Martha
Im Zentrum all dessen stehen jedenfalls die Teenager Jonas (Louis Hofmann) und Martha (Lisa Vicari), die durch geheimnisvolle Kräfte aneinander gebunden scheinen und auf die sich auch die Parallelen zur Erzählung um den Ariadnefaden konzentrieren.
Der Ariadnefaden in Dark – Die allgemeine Rezeption
Wie so oft, vollzieht sich auch in Dark die Antikenrezeption auf verschiedenen Ebenen. Beginnen wir mit den eher allgemeinen Parallelen. Der bereits oben vorgestellte Jonas schlüpft sozusagen in die Rolle des Theseus, wenn er in das Labyrinth der verschiedenen Zeitebenen und Konstellationen aufbricht, um einem Mysterium ein Ende zu setzen, das mit einem sich alle 33 Jahre vollziehenden Verschwinden und auch dem Tod von Kindern verbunden ist.
Allgemeinerer Natur sind daneben die Elemente in Dark, die an griechische Tragödien und sich selbst erfüllende Prophezeiungen erinnern. Mütter töten ihre Töchter, Töchter ihre Väter, Söhne ihre Mütter, Freunde ihre Freunde, Liebende ihre Liebe. An Tragik und ungewöhnlichen Familienkonstellationen muss Dark sich griechischen Tragödien gegenüber nun wirklich nicht verstecken, wobei das Töten manchmal unbeabsichtigt, aber immer unausweichlich ist. So ist der Kampf gegen das Schicksal eines der zentralen Motive der Serie.
Der Ariadnefaden in Dark – Die direkte Rezeption
Ganz konkret wird die Parallele zu Theseus und Ariadne, wenn wir in Folge 6 der ersten Staffel Jonas dabei beobachten, wie er sich einen Weg durch das Höhlenlabyrinth bahnt, während gleichzeitig Martha bei einer Schulaufführung auf der Bühne steht und die Ariadne verkörpert. Immer wieder werden auf grandiose Weise abwechselnd Martha auf der Theaterbühne und Jonas im Labyrinth gezeigt, wobei Ariadnes bzw. Marthas Worte in einem direkten Bezug zu dem stehen, was Jonas gerade erlebt.
Dabei folgt Jonas einem dem Ariadnefaden entsprechenden roten Seil, das allerdings nicht Martha, sondern das ein durch die Zeit zurückgereister zukünftiger Jonas für sein jüngeres „ich“ gespannt hat, um ihm den Weg zu weisen. Hinzu kommen eine Karte des älteren Jonas mit roten Markierungen und eine Art Geigerzähler. Doch ist Martha bis zum Ende der Serie der eigentliche Antrieb für Jonas, was sich wie ein roter Faden durch alle drei Staffeln zieht.1
In den späteren Staffeln sehen wir Marta wieder als Ariadne auf der Bühne stehen, wobei es nun um untrennbare Schicksalsfäden geht, die bestimmte Menschen oder Gruppen von Menschen miteinander verbinden.
Direkte oder indirekte Ariadne-Rezeption?
Auf die Ariadne-Rezeption bezogen stellt sich die Frage, ob die Serienschöpfer*innen Jantje Friese und Baran bo Odar sich hier durch die antike Überlieferung inspirieren ließen oder ob neuzeitliche Bearbeitungen des Stoffs Pate standen. Ein Buch des in der Schule aufgeführten Stücks, das mehrfach in der Serie zu sehen ist und optisch ein wenig an eine Reclam-Ausgabe erinnert, sowie das Buch einer Bühnenversion aus dem 19. Jh. lassen wohl eher an ein neuzeitliches Theaterstück als Vorlage denken.
Hannibal und die Elephanten
Außerdem gibt es in der Serie noch einen kurzen Dialog über Geschichtsschreibung. Der Leiter des örtlichen Atomkraftwerks merkt in der ersten Staffel an, dass der karthagische Feldherr Hannibal wohl kaum wirklich mit Elephanten über die Alpen gezogen sei, um zu verdeutlichen, dass letztlich die Geschichten die über Ereignisse berichten (bzw. die Geschichtsschreibung) bedeutsamer sind als das tatsächliche Geschehen, womit die Serie ein grundsätzliches Problem (nicht nur) der antiken Überlieferung anspricht.
Nebenbemerkungen
Der Name des Uhrmachers und Zeitmaschinenerfinders H.G. Tannhaus spielt vermutlich auf H.G. Wells an, den Autoren von The Time Machine. Ob Tannhaus vom Tannhäuser abgeleitet ist, der eine Zeit im Inneren des Venusberges verbringt, muss an dieser Stelle offen bleiben. Es könnte sich auch um eine Anspielung auf das berühmte Tannhäuser Tor aus der Blade Runner-Verfilmung handeln. H.G. Tannhaus‘ fiktives Buch Eine Reise durch die Zeit hat übrigens Mino Tauros als Herausgeber oder Verleger, wie in einem Fan-Forum festgestellt wurde.
- Römische Blutsauger: Tote beißen nicht (Libri I-III) - 29. November 2024
- Die Bibliothek von Alexandria in „The Atlas Six“ - 28. Oktober 2024
- [Fantastische Antike – Der Podcast] Progressive Phantastik - 21. September 2024
Schade… Ich habe kein Netflix 🙁
Läuft bestimmt auch irgendwann woanders 😉
Immer muss ich mit meinem Faden her halten. 😉
Liebe Grüße
Ariane
Du bist halt wichtig und gibst jungen Abenteurern Orientierung in der Not! 😉