Wenn aus Zeitreisenden und Mutanten Götter werden – Marvels X-Men: Apocalypse

Das dritte Clarkesche Gesetz in Science Fiction und Fantasy

Bekanntlich besagt das dritte Clarkesche Gesetz, dass weit fortschrittliche Technologien für Wesen, die noch nicht über diese verfügen, leicht für Magie gehalten werden kann. Dementsprechend ist es in der Science Fiction nicht ungewöhnlich, dass Besucher von fremden Planeten weniger weit entwickelten Kulturen als Gottheiten erscheinen können. Ein schönes Beispiel bietet hierfür z.B. die Star Trek: TOS-Folge „Who Mourns for Adonais“, in der sich herausstellt, dass die olympischen Götter der Griechen eigentlich Außerirdische waren, die sich für eine Weile auf der Erde niederließen und den Menschen wichtige zivilisatorische Impulse gaben.

Was wir gerade in Bezug auf äußerst fortschrittliche Technologie besprochen haben, ist natürlich umso mehr denkbar, wenn Kulturen plötzlich mit Wesen konfrontiert werden, die auch ohne technische Hilfsmittel über besondere Kräfte oder Fähigkeiten verfügen. So kann man sich leicht vorstellen, dass frühe Kulturen die Superhelden von Marvel, DC etc. für Götter, Dämonen oder andere übernatürliche Wesen gehalten hätten. (Tatsächlich scheinen die Superhelden für unsere modernen Kulturen ja eine Art Ersatz für die Mythen früherer Zeiten zu sein, wodurch diese Vorstellung umso plausibler wird.) Dies scheinen sich auch die Schöpfer von Marvels X-Men-Universum gedacht zu haben, als sie mit Apocalypse einen sehr frühen Mutanten geschaffen haben.

Der Zeitreisende, der zum Gott wurde

Doch beginnen wir mit Nathaniel Richards, der aus dem 30. Jh. einer alternativen Zeitlinie stammt und vor Apocalypses Geburt – ca. 3000 v.Chr. – mit einer Zeitmaschine in Form einer Sphinx im alten Ägypten gelandet war, wo er sich auf Basis seiner technischen Überlegenheit unter dem Namen Rama-Tut zum Pharao und Gott emporschwingt und die alten Ägypter zwingt, massive Statuen seines Ebenbildes zu errichten und ihre ursprünglichen Götter aufzugeben, womit er ein sehr schönes Beispiel für das dritte Clarkesche Gesetz darstellt. Aufgrund aus der Zukunft mitgebrachter Aufzeichnungen weiß er, dass in Kürze mit Apocalypse der erste (oder der erste äußerst mächtige) Mutant geboren werden wird, den er zu seinem Nachfolger aufbauen und währenddessen als Instrument für den eigenen Machterhalt nutzen möchte.

Photo: Ralph Keller
Auch Mutanten können Götter werden

Doch weiß auch der nach dem phönizischen Gott Baal benannte Anführer einer Räuberbande um die Geburt des Jungen und nimmt ihn als Sohn bei sich auf. Aufgrund sehr verworrener Umstände, deren Schilderung hier zu weit führen würden, muss Nathaniel Richards per Zeitmaschine die Flucht ergreifen und Apocalypse wird zu einem mächtigen Herrscher, der später auch auf Alexander den Großen trifft und nach Rom reist. In der Folge taucht Apocalypse zu mehreren Zeitpunkten der Weltgeschichte und bis in die Gegenwart immer wieder auf, um nach der Weltherrschaft zu streben, wobei er wiederholt als Gott verehrt wird. Sein Name entspricht natürlich nicht zufällig dem griechischen Wort Apokalypse, das man als Weltuntergang sowie im religiösen Sinne als Offenbarung übersetzen kann.

Dabei bedient sich Apocalypse auch der sogenannten Reiter der Apokalypse, die auf die Namen Death (Tod), Famine (Hungersnot), War (Krieg) und Pestilence (Krankheit) hören und selbstverständlich auf den vier apokalyptischen Reitern aus dem 6. Kapitel der Offenbarung des Johannes basieren, denen ebendiese Attribute zugewiesen werden. Bei den vier Reitern des Apocalypse handelt es sich nicht durchgehend um dieselben vier Personen. Vielmehr sind die Namen Death, Famine, War und Pestilence als Rollen zu verstehen, die über die Jahrhunderte von verschiedenen Charakteren übernommen werden können. So fungierte z.B. Hulk vorübergehend als War. Abgesehen von den jeweils zu rekrutierenden vier Reitern wird Apocalypse seit frühester Zeit auch von seinen eigenen Nachfahren unterstützt, die über ähnliche Kräfte verfügen wie er selbst.

Die Verfilmung X-Men-Apocalypse

In der Verfilmung X-Men: Apocalypse aus dem Jahr 2014 wird die Geschichte ein wenig anders erzählt. Hier ist Apocalypse ein mächtiger Mutant im alten Ägypten, der aufgrund seiner Kräfte als Gott verehrt wird. Doch ist ein paar Menschen bewusst, dass Apocalypse kein echter Gott ist. So führen sie während eines Rituals ein Attentat auf den Mutanten durch, das dieser nur überlebt, weil er von seinen vier Wächtern, bei denen es sich ebenfalls um Mutanten handelt, mit einem Schutzschild versehen wird. Unter diesem Schutzschild schläft Apocalypse nun in einer eingestürzten Pyramide, bis er 1983 durch die Machenschaften einer Sekte wieder zum Leben erwacht und es zum Kampf gegen die X-Men kommt. Passenderweise läuft in der Wohnung einer der neuen Unterstützer, die Apocalypse nun um sich schart, die Star Trek: TOS-Folge „Who Mourns for Adonais“ im Fernsehen, womit wir wieder am Anfang unserer Überlegungen angekommen wären.

Während die Antikenrezeption des Films darauf beruht, dass Apocalypse ursprünglich im alten Ägypten lebte und in Form seiner apokalyptischen Reiter eine gewisse Prägung im neuen Testament hinterlassen hat, ist der Sachverhalt in den Comics wesentlich komplexer, weshalb es sich lohnen dürfte, diese an späterer Stelle noch einmal ausführlicher zu besprechen.

Michael Kleu

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