Veröffentlicht: 31. März 2019 – Letzte Aktualisierung: 20. März 2022
Das Imperium Romanum im 20. Jahrhundert
Nachdem wir schon die Folgen „Who mourns for Adonais“ (Staffel 2, Folge 2) und Plato’s Stepchildren (Staffel 3, Episode 10) besprochen haben, die sich beide auf das antike Griechenland beziehen, kommen wir heute mit Bread and Circuses (Staffel 2, Episode 25) zur dritten Folge von Star Trek: The Original Series – also den Folgen mit Kirk, Spock und McCoy -, die sich in sehr direkter Weise mit der Antike beschäftigt.
Diesmal verschlägt es die Enterprise auf einen Planeten, auf dem eine den antiken Römern entsprechende Zivilisation das 20. Jahrhundert erreicht hat. Der Planet ähnelt der Erde in vielerlei Hinsicht sehr stark und überaschenderweise sprechen die dortigen Römer sogar ein Englisch, wie es auf der Erde im 20. Jh. gesprochen wurde. Kirk erklärt diese Parallelen mit „Hodgkin’s Law of Parallel Planet Development“, was einerseits natürlich eine hübsche „Erklärung“ für solcherlei Gedankenspiele zur alternativen Geschichte bietet, andererseits aber im Rahmen der Mehrwelten-Theorie zumindest auf der reinen Vorstellungsebene möglich wäre.
Brot und Spiele und das Herrschaftssystem der modernen Römer
Wie der Titel der Episode (Bread and Circuses) leicht erahnen lässt, scheint das antike Rom aus Sicht der Serienschaffenden besonders eines auszumachen: Brot und Spiele. 1 Die ersten Menschen, auf die die Besatzung der Enterprise stößt, sind entlaufene Sklaven, die unter ärmlichen Bedingungen, aber mit modernen Gewehren ausgerüstet in Höhlen hausen, während die übrigen Römer in einer industrialisierten Gesellschaft leben.
Imperatoren, die ihre Linie auf Caesar und Octavian/Augustus zurückführen können, werden zwar angesprochen, kommen aber nicht direkt in der Sendung vor (s.u.). Die entlaufenen Sklaven erweisen sich als Angehörige eines friedfertigen monotheistischen Sonnenkultes, während im Imperium mit Jupiter, Neptun etc. die üblichen römischen Götter angebetet werden. Die Namen sind klar der römischen Antike entlehnt, wie z.B. Severus oder Flavius Maximus.
Kirk, Spock und McCoy geraten schließlich in die Gefangenschaft des Imperiums, in dem es einen ersten oder obersten Bürger gibt, was an die republikanische Bezeichnung princeps senatus – der Erste Mann des Senats – erinnert, die später von Augustus übernommen wurde. Auch haben wir einen Proconsul Claudius Marcus, bei dem es sich um den eigentlichen Herrscher zu handeln scheint (s.o.), und Praetorianer. Die Sicherheitskräfte tragen „moderne“ Ausrüstung (60er Jahre), aber neben ihren Gewehren auch Schwerter. Der Anführer der Truppe trägt ein rotes Halstuch, was wohl an einen roten Helmbusch angelehnt ist.
Eine römische Atmosphäre
Die Räumlichkeiten sind durch Säulen, Statuen, offene Feuer, Obstschalen, Wandteppiche und Möbel klar antikisierend gestaltet. Die wenigen Außenaufnahmen zeigen Bilder antiker oder antikisierender Gebäude – vielleicht aus Rom. Da wir uns in einer römischen Welt befinden, werden ungewöhnliche Delikatessen wie Spatzen serviert.
Bread and Circuses: Medienkritik in der Arena
Witzig ist die Arena, bei der es sich um Kulissen in einem Fernsehstudio handelt, in dem die Reaktionen des Publikums als Tonaufnahmen eingespielt werden und ein Moderator das Geschehen kommentiert, was sehr an „Die Tribute von Panem“ erinnert. Mit Hilfe der Arena scheint einerseits das Volk durch Unterhaltung unter Kontrolle gehallten zu werden, während sich der Ort gleichzeitig anbietet, um unliebsame Personen loszuwerden. Natürlich erfolgt an dieser Stelle auch ein Verweis auf Parallelen zum realen Fernsehen im 20. Jh.
Jedenfalls trägt ein Teil der Soldaten klassische römische Rüstungen, teilweise allerdings mit modernen Gewehren zusätzlich zu den Schwertern. Spock und McCoy müssen in der Arenea gegen zwei Thraker antreten, was sie letztlich natürlich überleben. Wesentlich weniger erfolgreich wehrt sich Kirk in seinen Gemächern gegen die Avancen einer attraktiven Sklavin, die den Befehl hat, ihn zu verführen. Da Kirk weiß, dass der Frau befohlen wurde derart zu handeln, entspricht es eigentlich nicht dem moralischen Kompass von Star Trek, dass er sich dennoch darauf einlässt, auch wenn das Kapitel Kirk und die Frauen natürlich grundsätzlich ein etwas spezielles Thema ist.
Von der Sonne zum Sohn
Doctor McCoy merkt an, dass es im realen Rom nie Sonnenanbeter gegeben habe und wundert sich über diesen Unterschied in der Entwicklung. Wir erfahren, dass der Kult der Sonne so alt sei wie das Imperium und dass für diesen Kult alle Menschen Brüder seien. Am Ende klärt Uhura ein diesbezügliches Missverständnis ihrer männlichen Besatzungskollegen auf: Die Kultisten sprachen nicht von der Sonne („the sun“), sondern vom Sohn („the son“) und somit von Jesus von Nazareth oder einem entsprechenden Pendant, woraus Kirk schließt, dass sich das Christentum in diesem römischen Reich erst im 20. Jh. zur Staatsreleigion entwickeln wird.
Alternativ hätte man in hier die Gelegenheit nutzen können, die Römer an Sol Invictus, den unbesiegten Sonnengott, glauben zu lassen, der zeitweilig ein ernster Konkurrent des Christentums gewesen ist. (Insofern kannten die Römer durchaus „Sonnenkulte“. McCoys Aussage oben übersieht dies entweder oder konzentriert sich auf eher „primitive“ Formen solcher Kulte.)
Die Antikenrezeption in Star Trek Bread and Circuses
Wie so oft bei Star Trek: TOS bleibt auch in der Folge Bread and Circuses vieles oberflächlich, was die Antikenrezeption angeht, wobei die beiden „griechischen“ Folgen diesbezüglich allerdings einiges mehr zu bieten haben. Spannend ist natürlich die Vorstellung, wie das Imperium Romanum im 20. Jh. ausgesehen hätte, wenn es denn so lange überlebt hätte. Insofern thematisiert auch ein Dialog zwischen Spock und dem Proconsul kurz die Vor- und Nachteile einer solchen Welt im Vergleich zu der unseren. Zwar schrecken an der römischen Welt die Sklaven, die Härte, der Despotismus etc. ab, doch konnte man so immerhin drei Weltkriege vermeiden, was zurecht daran erinnert, nicht voreilig über fremde Kulturen zu urteilen, sondern zuerst vor der eigenen Türe zu kehren. Wie George Kovac es so schön ausdrückt haben wir hier also eine den gesamten Planeten betreffende pax romana vorliegen.
Interessant ist auch, wie sich die für die Episode verantwortlichen Kreativen die Entwicklung der Sklaverei vorstellen: Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Sklaven ein Anrecht auf medizinische Versorgung und auf Bezahlung im Alter erkämpft, weshalb es lange keine Unruhen mehr gab. Doch schürt die Religion des Sohnes diesbezüglich neue Spannungen … Auch in unserer Welt ist das Christentum ja ursprünglich besonders auch bei Sklaven beliebt gewesen.
Das Gedankenspiel ist nett, doch kann diese Folge hinsichtlich der Antikenrezeption den beiden griechischen Episoden nicht annähernd das Wasser reichen.
Mehr zur Antikenrezeption in Star Trek findet Ihr hier.
Literatur:
- Die Bibliothek von Alexandria in „The Atlas Six“ - 28. Oktober 2024
- [Fantastische Antike – Der Podcast] Progressive Phantastik - 21. September 2024
- Walhalla – Die nordische Mythologie im Comic - 31. Juli 2024
Die Rezeption des römischen Reiches in dieser Folge ist leider in der Tat wenig subtil, der starke Fokus auf Gladiatorenkämpfe ist aber auch den Antikefilmen der 50er und frühen 60er Jahre geschuldet. Auch sieht sich Film und Fernsehen auch als Nachfolge der Spiele in Rom oder sehen die Spiele als böse „Spiegelversion“ von sich. Auch der Gladiatorfilm spielt damit. Das zeigt, die stärke dieses Denken.
Die Rom rezeption in Star Trek spielt sich aber vor allem in der Ausgestalltung des Romulanischen Sternen Imperiums (TOS, TNG) und dem Terranischen Imperium (Enterprise, Discovery) des Spiegeluniversiums wieder. Intressant ist dabei auch, dass die beide oben genannten Kulturen als Xenophobisch, Militärisch und intrigant dargestellt werden.
Ja, völlig richtig! Das spielt sicherlich eine wichtige Rolle.
Zu Romulanern etc. muss ich auch noch einen Artikel schreiben.