Time Bandits – Eine Diebestour durch die Zeit
„Time Bandits“ (1981) ist ein Film von Terry Gilliam, in dem sich der 11-jährige Kevin mit sechs Zwergen1 auf eine Diebestour durch Raum und Zeit begibt. Denn die sechs Zwerge haben dem obersten Wesen bei der Erschaffung der Welt geholfen und sich von diesem danach nicht ausreichend gewürdigt gefühlt. Daher haben sie sich von ihm eine Karte „ausgeliehen“, auf der Löcher in der Zeit eingetragen sind, die sie nun zur eigenen Bereicherung zu nutzen planen.
Wie der Zufall es so will, befindet sich eines dieser Löcher in Kevins Zimmer, was schließlich dazu führt, dass der Junge sich mit seinen neuen Gefährten auf eine spektakuläre Reise begibt, die ihn zu Napoleon Bonaparte, Robin Hood, Agamemnon, auf die Titanic und schließlich in die Zeit der Legenden führt …
Kevin, der Geschichtsfreak
Kevin ist ein großer Fan der Geschichte, was gleich zu Beginn des Films verdeutlicht wird. Bereits in der ersten Szene des Films liest Kevin ein Buch mit dem Titel „The Big Book of Greek Heroes“. Begeistert berichtet er seinem Vater davon, dass antike griechische Krieger im Rahmen ihrer Ausbildung 44 Arten des unbewaffneten Kampfs sowie 26 unterschiedliche Möglichkeiten, Gegner mit den bloßen Händen zu töten, gelernt hätten, was mir beides völlig unbekannt ist und daher erfunden sein könnte. Als Kevin gerade von Agamemnon erzählen möchte, schicken seine völlig desinteressierten Eltern ihn ins Bett.
In Kevins Zimmer sehen wir neben zahlreichem Spielzeug Figuren griechischer Krieger, während an der Wand Bilder griechischer Helme und Darstellungen von antiken Vasen, Italien, Rittern, Napoleon und seiner Zeit etc. hängen. Hier wird bereits einiges angedeutet, was im weiteren Verlauf der Handlung eine Rolle spielen wird.
Alexander der Kleine
Die erste gemeinsame Reise führt unsere Gruppe ins Zeitalter Napoleons, der sich gerade auf seinem Italienfeldzug befindet. Der nicht all zu groß gewachsene Napoleon (Ian Holm) ist sehr auf Körpergrößen fixiert und listet während eines Gelages die recht geringen Maße berühmter Persönlichkeiten auf. In diesem Kontext sagt er, dass Alexander der Große, dessen Reich sich von Indien bis Ungarn (!) erstreckt habe, 5 Fuß – also etwa 1,50 Meter – groß gewesen sei. Ein paar Zentimeter mehr schlägt er Atilla dem Hunnen zu.
Tatsächlich vermitteln die Quellen insgesamt betrachtet den Eindruck, dass Alexander der Große im Vergleich zu seinen Zeitgenossen nicht sonderlich hochgewachsen war. Allerdings muten manche der Belege eher anekdotenhaft an, während die Größenangabe von 3 Ellen (etwa 1,40 m) im Alexanderroman wohl eher zu verwerfen ist.2
Kevin trifft auf Agamemnon
Nachdem er bei einem Abenteuer bei Robin Hood (John Cleese) von seinen Reisegefährten getrennt wurde, landet Kevin zunächst alleine bei König Agamemnon (Sean Connery), der in „Time Bandits“ der realen Geschichte und nicht der Welt des Mythos zugeordnet wird.
Agamemnon befindet sich gerade während eines Zweikampfs mit einem Minotauros niedergeschlagen auf dem Boden, während sich dieser nähert, um einen letzten tödlichen Hieb durchzuführen. Doch genau in diesem Moment fällt Kevin vom Himmel herab auf Agamemnons Bauch, wodurch der König die Möglichkeit zu einem Überraschungsangriff erhält und den Minotauros schließlich tötet.3
Die Darstellung des Agamemnon
Der Helm Agamemnons ist an einen korinthischen Helm angelehnt und auch Lederrüstung, Schild und Speer scheinen der archaischen oder klassischen Epoche nachempfunden zu sein. Die Frisur entspricht im Wesentlichen der klassischen Darstellung. Die Krone der Königin Klytaimnestra könnte vom sogenannten Schatz des Priamos inspiriert sein, während ich zu Agamemnons Krone keine Entsprechung kenne. Der aus der Mythologie wohlbekannte Konflikt zwischen Agamemnon und seiner Frau Klytaimnestra spiegelt sich in „Time Bandits“ in Form eines recht feindseligen Verhaltens wider.
Ursprünglich sollte Agamemnon am Ende des Films eine Truppe griechischer Soldaten gegen das Böse (Evil Genius) anführen und dabei fallen, was sich jedoch nicht realisieren ließ. Stattdessen erschien Sean Connery am Ende noch einmal ganz kurz als Feuerwehrmann, während antike Bogenschützen die Kampfszene allein übernahmen. Da sie ursprünglich mit Agamemnon auftreten sollten und phrygische Mützen tragen, könnte eine Vase mit einem skythischen Bogenschützen oder die Statue eines trojanischen Bogenschützens als Inspirationsquelle gedient haben.
Mykene
Als Mykene verwendet der Film den marokkanischen Ort Aït-Ben-Haddou, wodurch die Stadt Agamemnons einen afrikanisch-orientalisch-mykenischen Mischstil aufweist.4 Tatsächlich erzählt die Szenenbildnerin Milly Burns im Zusatzmaterial des Films, dass das Team sich bei der Gestaltung von Mykene von Knossos inspirieren ließ, man aber auch marokkanische Elemente integrierte. So stammt ein Teil der Requisiten – wie z.B. Teppiche oder Tonkrüge – aus der örtlichen Umgebung und man übernahm auch marokkanische Wandmuster.5 In einem Raum des Palastes befinden sich unspektakuläre Bilder des Trojanischen Kriegs an einer Wand, während eine Säule von der Form und der Farbgebung her eindeutig den Säulen aus Knossos entspricht.
Milly Burns erklärt außerdem, dass das Leben in den Straßen von Mykene Darstellungen von antiken griechischen Vasen, Mosaiken oder Wandmalereien nachempfunden wurde, wobei sie u.a. Händler, Musikinstrumente oder einen Mann mit einem aufgespießten Hasen erwähnt und auch Bilder der antiken Vorlagen zeigt. Auch hier erfolgte eine Vermischung mit marokkanischen Elementen, wenn das Filmteam z.B. einen traditionellen marokkanischen Webrahmen in die Szenerie übernahm.
Wie der Kostümbildner James Acheson berichtet, übernahm das „Time Bandits“-Team Roben aus Pier Paolo Passolinis Film „Oedipus Rex“ (1967), die sie in einer Garage in Castel Gandolfo gefunden hatten.6 Da diese von einer besonderen Qualität waren, wurden im selben Stil weitere Roben hergestellt. Die Priester in Mykene tragen Nachbildungen der sogenannten Maske des Agamemnon. Die Verwendung dieser Maske kann nicht überraschen, da sie – wenn auch wohl zu unrecht – auf das Engste mit dem Namen Agamemnon verbunden ist. Die Maske zur Gesichtsbedeckung der Priesterschaft zu machen, ist eine durchaus interessante Idee.
Schlussbetrachtungen
Wir erleben die Geschichte von „Time Bandits“ aus der fantasiegetränkten Perspektive des 11-jährigen Kevin, was sich schön am Ende des Films zeigt, wenn die Festung des ultimativen Bösen zum Teil aus gigantischen Legosteinen besteht. Dementsprechend spiegeln auch die historischen und mythologischen Szenerien die Perspektive eines Kindes wider, das allerdings – wie oben gezeigt – äußerst geschichtsinteressiert ist.
Vielleicht erklärt sich so, weshalb Agamemnon gegen den Minotauros kämpft, obwohl es in der Mythologie keinen Bezug zwischen den beiden gibt. Schließlich ist es in der Phantasie eines Kindes naheliegend, einen großen Helden gegen ein populäres „Monster“ antreten zu lassen. Jedenfalls wird Agamemnon anders als in Wolfgang Petersens „Troy“ (2001) äußerst positiv und sympathisch präsentiert.
Wirklich außergewöhnlich ist bei „Time Bandits“ das Zusatzmaterial, mit Hilfe dessen man – vor allem durch Milly Burns – großartige Einblicke in die filmische Nachbildung Mykenes erhält, wobei ich die durchaus überzeugende Verschmelzung von mykenischen und marokkanischen Elementen sehr spannend finde.
„Time Bandits“ ist aus vielerlei Gründen ein bemerkenswerter Film. Einer dieser Gründe ist für mich die spannende Antikenrezeption.
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Anmerkungen
- Es handelt sich bei den sechs „Time Bandits“ nicht um Menschen, sondern um Geschöpfe, die dem obersten Wesen bei der Erschaffung der Welt geholfen haben. Da wir uns in einer Fantasy-Geschichte befinden, schließe ich mich den Filmbesprechungen an, die sie als Zwerge bezeichnen.
- Vgl. zu dem Problem Robin Lane Fox: Alexander der Große. Eroberer der Welt, Reinbeck bei Hamburg 2010 (erweiterte Neuauflage), 38-40.
- Der Kopf des Minotauros soll in „Gladiator“ wiederverwendet worden sein.
- Darauf bin ich durch die Seite movie-locations.com aufmerksam geworden.
- Vgl. „The Look of Time Bandits“ und „From Script to Screen“ im Zusatzmaterial der Blu-ray. Da die Wandmuster bei den Außenaufnahmen zu sehen waren, verwendete man sie auch für die Innenaufnahmen im Studio, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu erzeugen.
- Vgl. „The Costumes of Time Bandits“ im Zusatzmaterial der Blu-ray .
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