Veröffentlicht: 3. Mai 2020 – Letzte Aktualisierung: 20. September 2022
Einführung
An anderer Stelle thematisierte dieser Blog bereits, dass sich die Darstellung Anakin Skywalkers als „Auserwählter“ stark an die jüdisch-christlichen Messias-Vorstellungen anlehnt. Der vorliegende Beitrag möchte im Folgenden diese sehr offensichtliche Bibelrezeption um weniger bekannte Verweise auf das Alte Testament und auf Babylon im Star Wars-Universum erweitern, wobei die sogenannte babylonische Gefangenschaft einen Hauptteil der Untersuchung einnehmen wird.
Nabu – der babylonische Gott der Weisheit, Schreibkunst und Macht
Es ist allgemein bekannt, dass in der Science-Fiction wie auch allgemein in der Phantastik Orte, Gegenstände und Persönlichkeiten häufig nach antiken Vorbildern benannt werden. Bei Naboo, dem Heimatplaneten von Königin Amidala und Imperator Palpatine, der das erste Mal 1999 in „Die dunkle Bedrohung“ auftauchte, finden wir dieses Phänomen ein weiteres mal. Das doppelte O wird häufig wie ein U ausgesprochen und ergibt somit Nabu. Nabu ist der Name des babylonischen Gottes der Weisheit, Schreibkunst und der Macht. Dass ausgerechnet der Imperator von diesem Planeten stammt, untermauert meiner Meinung nach, dass der Name nicht zufällig gewählt wurde.
Jedha-City und Jerusalem
In „Star Wars – Rogue One“ führt der Weg der Protagonist_innen nach Jedha. Dort betreten Sie Jedha-City, die auch als die „heilige Stadt“ bezeichnet wird. Die Stadt beherbergte einst einen Jedi-Tempel und wurde zu einer Pilgerstätte für die Anhänger_innen der Macht. Zur Zeit der Filmhandlung hält das galaktische Imperium den Planeten besetzt und drangsaliert die Bevölkerung. Es plündert die heiligen Stätten aus, um an die Cyberkristalle zu gelangen, die den Todesstern mit Energie versorgen sollen. Die Kristalle sind den Gläubigen der Macht heilig, da die Jedis damit ihre Lichtschwerter betreiben. Daher kommt es vor Ort zu einer bewaffneten Rebellion. In Straßenkämpfen stehen sich nun Besatzer und Aufständische gegenüber, welche die geraubten Kristalle zurückgewinnen wollen.
Im Panoramablick über die Stadt ist deutlich zu sehen, dass Jerusalem als Vorlage für Jedha-City gedient haben muss. Beide Städte sind auf einem Berg von einer Stadtmauer umgeben errichtet. Jedha besitzt viele Gebäude mit Kuppeln und Türmen, welche stark an die vielen Synagogen, Moscheen und Kirchen der Jerusalemer Altstadt erinnern.
Historische Vorlagen für die Zerstörung von Jedha-City
Die beiden großen Blaupausen für das galaktische Imperium sind das römische Kaiserreich und das Deutsche Reich unter den Nationalsozialisten. Die Plünderung der heiligen Stätten zum Bau des Todessterns und die anschließende Zerstörung der Stadt durch eben jenes Symbol des Imperiums verknüpft diese Ebenen geschickt und lässt für beide Deutungen historische Ereignisse zugrunde legen.
Rom und Judäa
Kommen wir zunächst zu den antiken Ereignissen: Judäa wurde von Pompeius 63 v. Chr. Erobert, woraufhin ein von Rom abhängiger König eingesetzt wurde. Bis zum großen Jüdischen Krieg 66-70 n. Chr. wurde die Provinz entweder direkt von einem römischen Ritter (z.B. Pontius Pilatus) oder in Kooperation mit einem Klientelkönig verwaltet. Aufgrund von zunehmenden religiösen und innenpolitischen Spannungen kam es zum offenen Krieg mit Rom.
Erst die späteren Kaiser Vespasian und Titus konnten den Krieg für Rom entscheiden. Im Verlaufe dieses Feldzuges eroberten Titus‘ Legionen Jerusalem, plünderten und zerstörten den Tempel, von dem heute bekanntlich nur noch die Klagemauer zu sehen ist. Die Schätze aus dem Tempel wurden zur Finanzierung des von Vespasian begonnenen und von Titus eingeweihten flavischem Amphitheater verwendet, das heute unter dem Namen Kolosseum ein Symbol für die Macht, die Fähigkeiten, aber auch die Grausamkeit des Römischen Imperiums darstellt.
Der Aufstand im Prager Ghetto
Das zweite historische Ereignis, welches die Szene inspiriert haben könnte, könnte z.B. der verzweifelte Aufstand gegen die Nationalsozialisten im Prager Ghetto gewesen sein. Dafür spräche die großflächige Zerstörung der ganzen Anlage und die Benennung der Rebellengruppe als „Partisanen“.
Die babylonische Gefangenschaft während der Klonkriege
Einführung
In den Folgen 11-13 (Sklaverei, Sklaven der Republik und Meister und Sklave) der vierten Staffel der Animationsserie „Star Wars – The Clone Wars“ (nicht die ältere Zeichentrickserie „Clone Wars“) scheint das Alte Testament als Vorlage für die Handlung gedient zu haben.
Das zygerrianische Sklavenimperium
Denn in diesen Folgen entdecken Anakin Skywalker, Obi-Wan Kenobi und Ahsoka Tano, dass sich das von den Jedi einst zerschlagene zygerrianische Sklavenimperium im Chaos der Klonkriege mit Unterstützung der Separatisten wieder erhoben hat. Die Zygerrianer entführten die friedlichen Bewohner des Planeten Kiros, um diese auf Zygerria als Sklaven einzusetzen. Die Jedis und Klonkapitän Rex beschließen, sich als Sklavenhändler auf Zygerria einzuschleusen, um die Gefangenen zu finden und zu befreien. Sie werden jedoch enttarnt und selbst versklavt.
Anakin Skywalker und die Königin
Obi-Wan und Rex werden zu den entführten Kolonisten in eine Mine geschickt. Anakin wird zum persönlichen Leibwächter der Königin. Seine Padawan Ahsoka Tano wird als Druckmittel gegen Anakin im Palast festgehalten. Es folgen eine Reihe von Dialogen über Sklaverei, Verpflichtungen und Freiheit zwischen Anakin, welcher als Kind bereits ein Sklave war, und der Königin, der letztlich ihr zu starkes Interesse an dem Jedi zum Verhängnis werden wird. Denn ihr Berater wendet sich an den Anführer der Separatisten Count Dooku, da er das enge Verhältnis der Königin zu einem Sklaven und Jedi kritisch sah.
Ein gewaltsamer Thronwechsel
Dooku führt auf Anweisung seines Meisters Darth Sidious einen Thronwechsel durch die Eliminierung der Königin herbei, weil diese sich weigert, Skywalker hinrichten zu lassen. Anakin und Ahsoka können mit der sterbenden Königin aus dem Palast fliehen. Vor ihrem Tod teilt die Königin ihnen noch den Standort der Minenanlage mit, auf der sich Obi-Wan und die Kolonisten befinden, sodass Anakin und Ahsoka die Klonarmee1 der Republik informieren, die Gefangen befreien und die Anlage zerstören können. Die Kolonist_innen können schließlich nach Kiros zurückehren.
Die babylonische Gefangenschaft
Die babylonische Gefangenschaft wird im Buch Jermia 26-32 und 50-52 im Alten Testament beschrieben. Das Volk von Juda hat sich von Gott entfernt und als Strafe schickt Gott den babylonischen König Nebukadnezar, um das Königreich zu erobern. Laut dem Alten Testament wurden 4.600 Menschen von den Babyloniern in ihre Hauptstadt umgesiedelt. Für die Zahl gibt es keinen weiteren Beleg, weshalb sie als problematisch einzustufen ist, da das Alte Testament bei der Länge der Gefangenschaft nicht mit den Ergebnissen der historischen Forschung übereinstimmt. In dem religiösen Text wird sie auf eine Dauer von 70 Jahren festgelegt, während man aus historischer Sicht davon ausgeht, dass die Eroberung Jerusalems durch das neubabylonische Reich 597 v. Chr. stattfand und mit der Eroberung Babylons durch die Perser unter Kyros II. 539 v. Chr. endete. Das würde eine Zeitspanne von 58 Jahren bedeuten.
Die Texte des alten Testamentes zeichnen ein düsteres Bild des Exils, so z.B. in Psalm 137. In der religiösen jüdisch-christlichen Tradition gilt Babylon als Synonym für Unterdrückung und Verfolgung. Dabei belegen Schriftzeugnisse, dass die exilierten Juden sich schnell integrierten und hohe Positionen in Babylon einnehmen konnten. Es wird sich bei der Maßnahme wohl eher um eine Geiselnahme von vor allem höher gestellten Personen gehandelt haben als um eine systematische Versklavung eines Großteiles der Bevölkerung. Durch die religiösen Texte hat sich bis heute aber dieses Bild der Ereignisse durchgesetzt.
Parallelen in der Architektur
Die Prallelen zwischen den Zygerrianern und den Babyloniern sind am offensichtlichsten anhand der Architektur zu sehen. Die Hauptstadt von Zygrria ist von einer blauen Mauer mit großen Toranlagen umgeben, deren Vorbild eindeutig das babylonische Ischtar-Tor ist. Wurde das Stadtbild Babylons von der Zikkurat (gestufter Tempelturm aus Mesopotamien) des Marduk (oberster babylonischer Gott) dominiert, nimmt auf Zygarria der königliche Palast diese Rolle ein. Wie bei dem Ischtar-Tor springt die Ähnlichkeit mit den Rekonstruktionen des antiken Vorbilds sofort ins Auge.
Parallelen in der Geschichte
Aber auch die Geschichte der Zygerrianer in den Folgen ähnelt der des babylonischen Reiches. Beide Reiche erheben sich nach dem Verlust ihrer Macht zu einer erneuten kurzfristigen Blüte. In beiden Reichen verliert der Herrscher die Gefolgschaft hochrangiger Untertanen, da er mit den Traditionen des Reiches bricht und diese verbünden sich daraufhin mit einem auswärtigen Herrscher, welcher die Kontrolle übernimmt. Die zygerrianische Königin verliert ihren Premierminister, da sie entgegen der Tradition einem Sklaven – noch dazu einem Jedi – zu nahesteht.
Der letzte König des neubabylonischen Reiches, Nabonid, überwarf sich mit der mächtigen Priesterschaft des Gottes Marduk, da er den Gott Sin verehrte. Die Priesterschaft kooperierte daher mit dem Perserkönig Kyros II. der sich zu Marduk bekannte.
Unterschiede
Der größte Unterschied bei diesem Vergleich liegt jedoch darin, dass das neubabylonische Reich seinen Einfluss im Vergleich zu seinem Vorläufer sogar steigern konnte und sich mehrere Jahrzehnte behaupten konnte (626 bis 539 v. Chr.), während das zygerrianische Sklavenimperium innerhalb weniger Monate ein Ende zu nehmen scheint.
Kiros und Kyros II.
Dass der Planet, auf den die befreiten Sklaven zurückkehren können, den Namen Kiros trägt und dieser somit fasst identisch mit dem Namen des Perserkönigs Kyros II. ist, der die babylonische Gefangenschaft beendete und die Rückkehr der Juden in ihre Heimat ermöglichte, dürfte daher ebenfalls kein Zufall sein.
Über den Autoren
Roman Haenßgen studiert Public History an der Universität zu Köln. In seiner Freizeit ist er ein begeisterter Star Wars-Fan. In einem früheren Artikel für fantastischeantike.de untersuchte er die Parallelen zwischen Grandmoff Tarquin und Pompeius Magnus.
- Der Hexer: Nilfgaard und zwei Römische Reiche - 4. Dezember 2021
- Das Elysium: Interpretationen in „Gladiator“ und „Assassin’s Creed Odyssey“ - 16. April 2021
- Die Rezeption der Stadt Petra in ‚Middle-earth: Shadow of War‘ - 12. Februar 2021
Anmerkungen
- Die Anti-Sklavereihaltung der galaktischen Republik in Star Wars wird dadurch konterkariert, dass sie eine Armee von für den Krieg gezüchteten Soldaten einsetzt, die als Eigentum der Republik bezeichnet werden und keine Form der politischen Repräsentation im Senat besitzen. Der Vorwurf der Sklaverei liegt da mehr als nahe und wird in anderen Folgen der Serie auch thematisiert, wie zum Beispiel in der Folge „Der unsichtbare Feind“ in der ersten Staffel.
Sehr schöner und interessanter Beitrag! Die Vergleiche zwischen Jerusalem und Jedha-City sowie der Toranlage auf Zygerria und dem Ischtar-Tor hätten vielleicht noch grafisch dargestellt werden können, damit diese besser verständlich sind. Der Psalm 137 hätte noch genauer hervorgehoben werden können. Seine Bedeutung ist mir nicht ganz klar geworden. Ansonsten super interessant und tolles Thema, weiter so!
Vielen Dank für das Feedback!
Ja, dieser Artikel schreit eigentlich nach gutem Bildmaterial. Der Autor, Roman Haenßgen, hatte Screenshots für den Artikel angefertigt, doch habe ich diese zunächst rausgenommen.
Da es sich um sogenannte Bildzitate handelt, müsste die Darstellung eigentlich ok sein. Ich muss mich da aber noch einmal schlau machen.
Vielen Dank für den Hinweis!
Geht das auch ungegendert in sinnvollen Deutsch? Der Plural von Protagonist ist Protagonisten nicht Protagonist*innen. Eher Protagonisten/-innen schreiben, auch wenn das absolut unnötig ist. Zumal auch nicht von Besatzerinnen und Nationalsozialistinnen gesprochen wird. Ergo reine Ideologie.
Ich hätte da ein paar Anmerkungen zu grammatikalisch korrektem Deutsch 😉