Veröffentlicht: 10. August 2022 – Letzte Aktualisierung: 4. Oktober 2022
Ein Gastbeitrag der Autorin Jasmin Jülicher. In einem weiteren Artikel stellt die Autorin die Rom-Rezeption in ihrem Roman „Stadt der Asche“ vor.
Die Reihe „Der Hüter“
Meine Steampunk-Krimi-Reihe „Der Hüter“ spielt im Jahr 1888, allerdings einem Jahr 1888, in dem an der Erdoberfläche eine tödliche Gefahr lauert. Aus diesem Grund sind auf der ganzen Welt abgeschottete Zufluchtsorte entstanden, in denen die verbliebenen Menschen sich vor dieser Gefahr verstecken. Jede dieser neu entstandenen Städte funktioniert auf andere Weise, da sich unterschiedliche Gesellschaftsformen gebildet haben: Eine von Wissenschaftlern geleitete und von Wissensdurst geprägte Stadt, eine Stadt, in der sich die Sitten des alten Roms und des Wilden Westen miteinander verbinden, eine Stadt, in der die glorreichen Zeiten der Piraten wieder aufleben… Und auch eine Stadt, die sich mit ihren Werten und ihrem Glauben am alten Ägypten orientiert und sich genau dort befindet: In den ägyptischen Pyramiden.
Die historischen Persönlichkeiten
Eine Besonderheit meiner Romanreihe besteht darin, dass in jedem Band historische Persönlichkeiten auftreten, die bis heute bekannt sind. So begegnet man während den Ermittlungen beispielsweise Nikola Tesla, Jesse James, J.P. Morgan, Igor Pawlow und vielen weiteren Personen.
Und auch der Serienmörder in jedem Band basiert auf einem realen historischen Serienmörder. Zu jeder dieser Persönlichkeiten recherchiere ich ihren Hintergrund, ihr Aussehen und ihre Besonderheiten, um sie authentisch (oder so authentisch, wie es in einem phantastischen Roman möglich und nötig ist) darzustellen.
Motivation für die Pyramiden als Handlungsort
Wen fasziniert nicht das alte Ägypten mit dem gigantischen Reich, das Pharaonen einst regiert haben und das definitiv einige der spektakulärsten und berühmtesten Bauwerke hervorgebracht hat?
Mich hat das ganze Thema schon seit meiner Jugend begeistert, besonders die Mumien und die Pyramiden, in denen sie verborgen und mit Fallen geschützt waren.
Und je weiter ich mit meiner Buchreihe voranschritt, desto mehr wollte ich einen der Bände in den altägyptischen Pyramiden spielen lassen, denn die Atmosphäre und das Geheimnisvolle dieser Bauwerke war ein spannender Hintergrund für die Geschichte und die Anleihen an den alten Glauben ein perfekter Kontrast zu dem vorherigen Band „Stadt der Asche“, in dessen Handlungsort Narau das Prinzip „Survival of the fittest“ regiert.
Recherche
Meine Recherche zu „Stadt der Sande“ war zweigeteilt: Ich habe zum einen recherchiert, welche historischen Persönlichkeiten (und welcher Serienmörder) auftreten sollen und zum anderen wollte ich einen Teil der Atmosphäre des alten Ägypten einfangen.
1. Recherche zu 1888
Ägyptologie
Bei der Recherche zu den historischen Figuren, die in den Roman „Stadt der Sande“ passen würden, stieß ich zunächst auf die größte Gruppe, die damals einen Bezug zu Ägypten hatte und über die einiges bekannt war: Ägyptologen.
Die Ägyptologie wurde Anfang des neunzehnten Jahrhunderts populär und kam mit der Entzifferung der Hieroglyphen 1822 richtig ins Rollen. Besonders betrieben wurde sie von den europäischen Eliten dieser Zeit (vielfach England, Deutschland und Frankreich), unter denen es zum Trend wurde, Ausgrabungen zu finanzieren und sich auch selbst daran zu beteiligen, um Kunstgegenstände und auch Mumien nach Hause mitzubringen.
Der tatsächliche wissenschaftliche Umgang wurde von anderen ausgeübt, allerdings gab es zu dieser Zeit keinen Studiengang, in dem dieser gelehrt wurde, weshalb sich das Wissen der damaligen Ägyptologen auf die Erfahrung anderer, bereits erfahrener Ägyptologen stützte und es keine einheitliche Bildung zu diesem Thema gab.
Ein bekannter Ägyptologe war Flinders Petrie, der mehrere Tempel ausgrub und sich besonders mit der Verwendung der sehr neuen Röntgentechnik bei der Mumie von Ramses II. einen Namen machte, bei der er die nachträgliche Ausstopfung einer Mumie nachwies.
Weitere bekannte Ägyptologen dieser Zeit (Ende des neunzehnten Jahrhunderts) waren beispielsweise Heinrich Ferdinand Karl Brugsch, Karl Richard Lepsius, Leo Simon Reinisch. Eine Ausgrabung, die von Lepsius geleitet wurde, wurde durch den Illustrator Maximilian Ferdinand Weidenbach festgehalten. All diese historischen Persönlichkeiten (und noch einige mehr) haben Einzug in meinen Roman „Stadt der Sande“ gehalten.
Weibliche historische Persönlichkeiten
Vor Probleme stellt mich meist mein Wunsch, auch weibliche historische Personen in meine Romane einzubinden. Da über Frauen in dieser Zeit jedoch weitaus weniger berichtet wurde, war dies ein gar nicht so leichtes Unterfangen. Trotzdem haben auch einige Frauen aus der damaligen Zeit einen Platz in meinem Roman gefunden, zum Beispiel Therese Charlotte Marianne Auguste von Bayern, eine Ethnologin, Zoologin und Botanikerin. Oder Dr. Franziska Tiburtius, die erste deutsche Frau, die promoviert hat (allerdings in Zürich).
Da in meinen Roman jeweils ein historischer Serienmörder die Taten begeht, machte ich mich vor „Stadt der Sande“ wieder auf die Suche. Am liebsten wäre es mir gewesen, einen ägyptischen Serienmörder (und generell ägyptische Persönlichkeiten) zu wählen, doch Aufzeichnungen aus der Zeitperiode und zu diesem Thema waren in Ägypten sehr rar gesät, weswegen ich auf einen europäischen Serienmörder ausweichen musste.
2. Recherche zum Alten Ägypten
Eins vorweg: Die Beschreibungen und Begebenheiten in meinem Roman sind keine exakte Dokumentation des alten Ägyptens.
Im Buch geht es darum, dass sich die Menschen im neunzehnten Jahrhundert in den alten Pyramiden vollständig von ihrer Umwelt und anderen Menschen abgeschottet haben. Daraufhin wandten sie sich wieder den alten Gebräuchen zu, allerdings nicht vollständig, denn über die Jahrhunderte ist vieles verlorengegangen, nicht überliefert und schlicht falsch verstanden worden.
Also spielt „Stadt der Sande“ 1888 in den ägyptischen Pyramiden, in denen und unter denen sich die neue Stadt Theben gebildet hat, die von einer Königin und ihrer Hohepriesterin regiert wird.
Natürlich ist es ohnehin schwierig, das alte Ägypten generell darzustellen oder einzubeziehen, da der Begriff eine so lange Zeitperiode abdeckt und sich Ägypten in dieser Zeit immer wieder stark verändert hat. Aber ich habe einige Aspekte gewählt, die bis in die heutige Zeit bekannt sind.
Ein großer Punkt, um den es in „Stadt der Sande“ geht, ist der Aberglaube und die Religion, verbunden mit der Mumifizierung.
Im Roman werden mehrere ermordete Menschen aufgefunden, allesamt mit schwarz verfärbten Blutgefäßen, welche die Hohepriesterin als Fluch des Pharaos, der bei einer Ausgrabung unter den Pyramiden gefunden wurde, interpretiert. Um den Fluch einzudämmen und den Verstorbenen ein Leben nach dem Tod zu ermöglichen, werden die Opfer mumifiziert. Der Mumifizierung kommt also eine große Bedeutung zur, vor allem, da Nic, eine der Ermittlerinnen im Buch, die Mumien, die sich in verschiedenen Stadien der Mumifizierung befinden, untersucht. Dieser Untersuchung gingen viele Recherchen voraus, um herauszufinden, wie genau eine solche Mumifizierung abgelaufen ist, welche Materialien verwendet wurden und wie der Verstorbene platziert wurde.
Bei der Art der Mumifizierung, die ich für den Roman gewählt habe, wurden stets folgende Schritte befolgt:
1. Entfernung der Organe
Bis auf das Herz wurden alle Organe aus dem Körper entfernt. Das Hirn durch die Nase, die restlichen Organe durch einen Schnitt auf der linken Körperseite. Die entnommenen Organe werden in wohlriechende Flüssigkeiten (Mischungen aus Harz und anderen Substanzen) getränkt, mit Tüchern umwickelt und in Kanopen gelegt).
2. Austrocknung des Körpers
Leinenumwickelte Säckchen mit Natronsalz werden in den Körper gelegt, um ihn auszutrocknen und so vor Verwesung zu schützen.
3. Balsambad
Der Leichnam wird in ein Balsambad gelegt, das sich aus Harzen und ätherischen Ölen zusammensetzt. Anschließend wird er zum Abtropfen der Flüssigkeit auf ein Holzgestell gelegt.
Die Zusammensetzung des Balsambads variierte von Mumie zu Mumie, je nachdem, von wem und wann sie bestattet wurde. In der römischen Zeit wurde häufig Bitumen beigefügt, weshalb Mumien aus dieser Zeit eine schwarze Färbung haben.
4. Befüllung des Körpers
Da der Körper durch die Austrocknung einfällt, wird er anschließend mit Sägespänen wieder aufgefüllt und der Schnitt im Körper durch Wachs verschlossen.
5. Einwicklung in Leinentücher
Im letzten Schritt wird der Leichnam mit Leinentüchern umwickelt. Zwischen diese werden manchmal Amulette zum Schutz des Verstorbenen gelegt.
Stadt der Sande
„Stadt der Sande“ führt also auf eine abenteuerliche Reise in die ägyptischen Pyramiden und ist eine Geschichte, in der sich moderne Ansichten, Steampunk-Ansätze und Traditionen des alten Ägyptens zu einer phantastischen Geschichte verbinden, in der ein Serienmörder zur Strecke gebracht werden muss.
Über die Autorin
Jasmin Jülicher hat sich schon als Kind für düstere Geschichten und Rätsel begeistern können. Die Begeisterung für Rätsel führte dazu, dass sie in der 7. Klasse Latein wählte, wodurch ihre Liebe zur deutschen Sprache entfacht wurde. Gleichzeitig interessierte sie sich von klein auf für Naturwissenschaften, was schließlich das Studium der Biologie zur Folge hatte. An der Uni besuchte sie ein Seminar zum Thema „Krimis schreiben“, das nachhaltigen Einfluss auf sie ausüben sollte …
Mehr zu Jasmin Jülichers Biographie und Werk findet Ihr hier.
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