Veröffentlicht: 4. Mai 2021 – Letzte Aktualisierung: 21. September 2022
Vorbemerkungen
Lukas Föhring hat eine ausführliche Untersuchung zur Rezeption des Römischen Reiches in Tolkiens „Der Herr der Ringe“ am Beispiel der Königreiche Arnor und Gondor verfasst. Um die Lesbarkeit zu gewährleisten, werden auf dieser Seite nur eine kurze Einführung sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse wiedergegeben. Die vollständige Untersuchung haben wir hier als PDF angehängt:
Middle-earth als Mythologie für England
Im vergleichsweise jungen Literaturgenre der Fantasy gelten Tolkiens Bücher The Hobbit und The Lord of the Rings als Standardwerke und wurden in vielerlei Hinsicht zum Trendsetter des Genres. Dabei bauen diese Geschichten häufig auf antiken und mittelalterlichen Mythen oder Ereignissen der realen Geschichte auf. Tolkiens Middle-earth ist dafür ein gutes Beispiel, da er als Linguist und Geschichtsinteressierter sich bewusst an Teilen der europäischen Geschichte bedient hatte, um seine Mythologie für England zu schreiben.
Arnor, Gondor und die Spätantike
Insbesondere Gondor kommt in der Handlung eine Schlüsselrolle zu, da es zum Schauplatz des finalen Abwehrkampfes gegen Sauron und seine Heere wird. So stellte Tolkien in einem seiner Briefe fest, das Königreich Gondor sei „a kind of proud, venerable, but increasingly impotent Byzantium.“[1] Mit Byzantium meint er an dieser Stelle das Oströmische Reich, welches sich parallel zu Westrom im Zuge der Spätantike als ein eigenständiges Reich etablierte.
Insofern ist es nicht die Frage meiner Untersuchung, ob sich Tolkien bei der Konzeption von Arnor und Gondor am Römischen Reich orientiert hatte, sondern welche Aspekte der realen Historie rezipiert wurden und ob die gewählte Darstellung Tolkiens den realen Geschehnissen entspricht. Dabei habe ich versucht einen breiten Überblick über die verschiedenen Aspekte zu bieten und gleichzeitig einzelne Entwicklungen beispielhaft herauszugreifen.
Gründungsmythos und Untergang
Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die Entstehungsgeschichte und den Gründungsmythos der Königreiche und deren Aufteilung gegeben, sowie eine kritische Betrachtung von Tolkiens Geschichtsverständnis am Beispiel Byzantiums. Im Anschluss daran werden drei Entwicklungen des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert mit Arnor und Gondor verglichen – die Desintegration Westroms, die Machtübernahme der Heermeister und die Rolle der foederati. Danach werden der Untergang Arnors und der Abwehrkampf Gondors als eine fiktive Version des weströmischen Untergangs und des oströmischen Fortbestehens hinterfragt. Abschließend wird die Figur Aragorn als neuer gondorischer König Elessar Telcontar und Neugründer eines vereinigten Reiches im Sinne eines restitutor orbis anhand von Justinian I. als historischem Vorbild untersucht.
Ergebnisse
Bei der Untersuchung der Antikenrezeption in The Lord of the Rings zeigte sich, dass die germanisch-römischen Beziehungen und die politische Transformation des Römischen Reiches in der Spätantike fruchtbare Inspirationsquellen für Tolkien waren. Er nutzte die historischen Ereignisse und Entwicklungen als Vorbild, um den langsamen Verfall eines einstmals mächtigen Reiches nachzubauen. Das Dekadenz-Motiv steht dabei deutlich im Vordergrund und ist die treibende Kraft hinter Tolkiens Geschichte über den Niedergang Arnors und Gondors.
An einigen Aspekten lässt sich ebenso deutlich eine Geschichtsverzerrung erkennen, die teilweise durch die zeitgenössische Forschungsmeinung und/oder teilweise durch Tolkiens Narrativ bedingt ist. So z.B. werden die Germanen zu den Rohirrim idealisiert und die Feinde Gondors zu antiken Stereotypen, die nicht die historische Realität widerspiegeln. Einzelne Details wiederum lassen sich anderen historischen Vorbildern zuordnen.
Die Rezeption des Römischen Reiches der Spätantike durch Tolkiens The Lord of the Rings bietet insgesamt ein sehr ambivalentes und teils fragwürdiges Bild.
Anmerkungen
[1] Letters of Tolkien, Nr. 294, S. 376.
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Toller Beitrag! Und das Anteasern ist geschickt gemacht 😉 : Gerade als ich richtig gut im Lesefluss und es spannend wurde, endet der Blogartikel. Zum Glück habt ihr das längere PDF bereitgestellt – dem werde ich mich noch in Ruhe widmen.
Ich habe verschiedene Varianten ausprobiert und freue mich, dass ich dann letztlich wohl doch eine gute Lösung gefunden habe 😉