Veröffentlicht: 12. März 2021 – Letzte Aktualisierung: 28. März 2021
„The Cabin in the Woods“ und die Titanen
Immer wieder, wenn ich mich in den Sozialen Medien oder in Internetforen erkundige, welche Horrorfilme noch für fantastischeantike.de interessant sein könnten, empfehlen mir Fans die großartige Horrorkomödie „The Cabin in the Woods“ (2011) von Drew Goddard und Joss Whedon. Konkret geht es darum, dass manche Zuschauerinnen und Zuschauer die uralten Göttinnen und Götter, die in dem Film unter der Erdoberfläche leben, als Titanen wahrnehmen. Werfen wir also einen genaueren Blick auf „The Cabin in the Woods“.
Zusammenfassung der Filmhandlung
Fünf Student:innen fahren für ein gemeinsames Wochenende in eine Hütte im Wald. Jede der fünf Personen entspricht einem der klassischen Charaktere, die wir aus ähnlich aufgebauten Horrorfilmen kennen, sodass sich die Gruppe aus den Archetypen „Hure“, Jungfrau, Sportler, Intellektueller und Trottel zusammensetzt.
Was unsere Student:innen nicht wissen: Unter der Erde leben uralte blutdürstige Götter und Göttinnen, die sogenannten „Ancient Ones“, in deren Auftrag eingeweihte Menschen, die sich mittlerweile zu einer Organisation zusammengeschlossen haben, seit Anbeginn der Menschheit überall auf der Welt aufwendige und an lokale Gewohnheiten angepasste Opferzeremonien inszenieren. So entspricht die für Nordamerika typische Zeremonie einer Gruppe von fünf Jugendlichen, die sich in einer Waldhütte mit übernatürlichen Monstern wie Meermännern, Werwölfen oder Drachenfledermäusen konfrontiert sieht, nachdem sie zuvor die Warnung eines beunruhigenden Vorboten in den Wind geschlagen hat.
Dabei gehört es zum Unterhaltungsprogramm, dass die „Hure“ ihre Brüste zeigt und dann als Erste stirbt, woraufhin alle weiteren Jugendliche nacheinander von per Zufallsprinzip ausgewählten Kreaturen effektreich ermordet werden. Überleben darf höchstens die Jungfrau, das berühmte „final girl“ des Horrorfilms. Wenn sie stirbt, muss sie die Letzte sein, sonst ist die Zeremonie gescheitert. Um sicher zu gehen, dass die einzelnen Charaktere sich so verhalten wie sie sollen, werden sie mit chemischen Substanzen manipuliert.
Solange die Menschheit die „Ancient Ones“ regelmäßig mit diesen Spektakeln belustigt, bleiben diese schön brav unter der Erde und verzichten darauf, ihr Unterhaltungsprogramm selbst in die Hand zu nehmen. Doch in diesem Jahr läuft alles schief. Weltweit scheitert eine Opferzeremonie nach der anderen, sodass der Fortbestand der Menschheit vom Erfolg des Teams aus Nordamerika abhängt …
Konkrete historische Bezüge
Der Vorspann des Films zeigt mehrere Bilder historischer Opferzeremonien, wobei die Zuschauerinnen und Zuschauer anhand der Ikonographie unter anderem Ägypter, Mesopotamier sowie mesoamerikanische Völker wie Azteken oder Maya erkennen können. Die Bilder unterstreichen, dass die Menschheit die Ancient Ones schon seit Jahrtausenden durch Menschenopfer bei Laune hält.
Im Kellerraum der Waldhütte befinden sich zahlreiche Gegenstände, über die die Jugendlichen unwissentlich selbst entscheiden, welche Ungeheuer die Jagd auf sie aufnehmen werden. Hier findet sich z.B. eine Muschel, die das Erscheinen des Meermannes auslösen würde, während sich unsere Gruppe unabsichtlich eine sadistische Zombiefamilie auswählt, indem die „Jungfrau“ laut aus dem Tagebuch der Tochter der Familie vorliest und die längst Verstorbenen – ganz klassisch – durch das Aussprechen lateinischer Beschwörungsformeln wieder zum Leben erweckt. (Das im Film verwendete Latein ist extrem fehlerhaft.)
Unter den zahlreichen Gegenständen befindet sich jedenfalls auch eine Büste des Augustus, die man im Film nicht sieht, die man jedoch im Making-of „We are not who we are: Making ‚The Cabin in the Woods'“ (0:09:34-0:09:35) hervorragend erkennen kann. Dazu passt eine Kreatur, die im „Official Visual Companion“ zum Film als „gladiator demon“ (S. 168) bezeichnet wird. (Ich hätte jetzt gerne ein Prequel mit diesem Gladiatoren-Dämon!)
Was erfahren wir über die „Ancient Ones“?
Wir erfahren, dass die Ancient Ones unter der Erde leben und äußerst blutdürstig sind. In vergangenen Zeiten reichten verhältnismäßig einfache Zeremonien, um diese Göttinnen und Götter zu besänftigen. So heißt es in „The Cabin in the Woods“, dass man früher einfach eine junge Frau in einen Vulkan werfen konnte. Doch mit der Zeit stiegen die Ansprüche der Ancient Ones, sodass in unserer Gegenwart sehr aufwendige Zeremonien inszeniert werden müssen.
Die Ancient Ones schlafen in der Regel, wobei dieser Zustand nur erhalten bleiben kann, wenn die Menschheit sie durch die blutigen Zeremonien in einem Dämmerzustand hält. Auch wenn es im Film nicht genau beschrieben wird, muss es eine Kommunikation wischen Ancient Ones und den eingeweihten Menschen geben, die gewährleisten, dass die Wünsche der alten Göttinnen und Götter befriedigt werden.
Sind die Ancient Ones unzufrieden, können sie ihren Unmut über Erdbeben kundtun. Am Ende des Films sehen wir eine gewaltige Hand aus der Erde hervorbrechen, nachdem auch der amerikanische Ritus gescheitert ist. Passend zum Aufenthaltsort der Ancient Ones erinnert die Hand an blaugraues Gestein, durch das glühendes Magma fließt.
Letztlich stehen die Ancient Ones natürlich stellvertretend für uns, das gesättigte und verwöhnte Publikum, dem es nach immer aufwendigeren Horrorfilmproduktionen mit Brüsten und Blut gelüstet.
Wer sind die Titanen?
Bei den Titanen handelt es sich um ein altes Göttergeschlecht der griechischen Mythologie, das den jüngeren olympischen Göttinnen und Göttern um Zeus in einem gewaltigen Kampf – der Titanomachie – unterlag und daraufhin in den Tartoros verbannt wurde, den tiefsten Teil des Hades. Allerdings gibt es auch Titanen und Titaninnen, die nicht im Hades endeten, was damit zusammenhängen mag, dass manche erst lange nach der Erfindung der Titanomachie hinzugedichtet wurden. Zu diesen zählen z.B. Prometheus, Atlas oder Okeanos. Von ihrer Gestalt her waren die Titanen menschenähnliche Riesen.
Sind die „Ancient Ones“ Titanen?
Da die Ancient Ones uralt sind, unter der Erde leben und scheinbar über gewaltige humanoide Körper verfügen, ist es mehr als verständlich, dass einige Zuschauerinnen und Zuschauer an die Titanen denken, die ja im Tartaros – also tief unter der Erde – auf ihre Befreiung warten.
Andererseits erinnern die Ancient Ones natürlich sehr an H.P. Lovecrafts Great Old Ones. Tatsächlich haben Drew Goddard und Joss Whedon auf der WonderCon bestätigt, dass sie an Lovecrafts Old Ones wie Cthulhulu usw. dachten, statt eines Tentakelwesens aber eine menschliche Erscheinungsform bevorzugten, die wiederum durch britische Geschichten über Riesen inspiriert war. Von den Titanen ist in diesem Kontext leider keine Rede.1
Irren sich die Zuschauerinnen und Zuschauer also, die bei „The Cabin in the Woods“ an Titanen denken müssen? Nein. Auch wenn die beiden Schöpfer des Films – zumindest nicht bewusst – die Titanen der griechischen Mythologie im Sinn gehabt zu haben scheinen, stimmt das Ergebnis ziemlich gut mit diesen überein. Somit handelt es sich also aller Wahrscheinlichkeit nach um keine bewusste Antikenrezeption, sondern eher um eine unbeabsichtigte Parallele.
Literatur
The Cabin in the Woods. The Official Visual Companion. Titan Books, London 2012.
Weiterführende Links
Die unterschiedlichen Rituale in „The Cabin in the Woods“
- Römische Blutsauger: Tote beißen nicht (Libri I-III) - 29. November 2024
- Die Bibliothek von Alexandria in „The Atlas Six“ - 28. Oktober 2024
- [Fantastische Antike – Der Podcast] Progressive Phantastik - 21. September 2024
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