Prometheus – Freund und Förderer der Menschheit

Der Titan Prometheus zählt zu den populärsten Figuren der griechischen Mythologie, was sicherlich damit zusammenhängt, dass er ein ganz besonderer Freund der Menschheit ist, der in manchen Quellen auch als ihr Schöpfer gilt. Dementsprechend ist er in Literatur, Musik, Malerei, Philosophie, Computerspielen etc. äußerst prominent vertreten, wobei uns an dieser Stelle natürlich besonders seine Rezeption in der Phantastik interessiert.

Im Folgenden werfen wir daher zunächst einen Blick auf ausgewählte Auftritte des Titanen in der modernen Phantastik, bevor wir uns in einem zweiten Schritt auf die antike Überlieferung konzentrieren.

Prometheus in der Phantastik

Mary Shelleys „Frankenstein Or the Modern Prometheus“

Mit Mary Shelleys „Frankenstein“ rückt gleich eines der ersten Werke der Science Fiction Prometheus ins Zentrum der Aufmerksamkeit, lautet der vollständige Titel des Buches doch „Frankenstein or The Modern Prometheus“. Die Anspielung auf den Titanen ist naheliegend, da der Wissenschaftler Viktor Frankenstein wie Prometheus menschliches Leben geschaffen hat, wobei der Unterschied darin liegt, dass Frankenstein sich nicht wie Prometheus um seine Schöpfung kümmert.1

Prometheus als Schöpfer der Menschheit in Christophe Becs Comicreihe „Prometheus“

In Christophe Becs 2008 begonnener Comicreihe „Prometheus“ (meine Besprechung findet Ihr hier) tritt der Titan sowohl im übertragenen als auch im tatsächlichen Sinne auf. Der Ursprung des irdischen Lebens stammt in der Reihe aus dem Weltraum, wobei noch nicht dargestellt wurde, ob das Leben zufällig auf die Erde kam oder bewusst dorthin gebracht wurde. Sicher ist jedenfalls, dass seit der Frühzeit der Menschheit Außerirdische als deren Wohltäter auftreten, womit wir einen Bezug zu Prometheus im übertragenen Sinne vorliegen haben.

Ein Clou der Serie ist jedoch, dass sie zwar größtenteils in unserer heutigen Welt bzw. in einer alternativen Version davon spielt, aber dennoch auch der „echte“ Prometheus und die mit ihm verbundenen Mythen als reale Geschichte präsentiert werden. Da die Reihe noch nicht beendet ist, ist noch nicht gänzlich klar, welche Rolle dem Titanen im Gesamtwerk zukommen wird. Offen bleibt auch, weshalb die Außerirdischen die Menschheit nun vernichten wollen.

Ridley Scotts „Prometheus“

Ridley Scotts 2011 erschienener Film „Prometheus“, der den ersten Teil der Vorgeschichte der „Alien“-Reihe darstellt, greift einige Aspekte auf, die wir bereits aus Christophe Becs Comicreihe kennen. Außerirdische haben das Leben auf der Erde geschaffen und die Menschheit danach beobachtet, bis sie irgendwann zu dem Schluss kommen, ihre Schöpfung zu vernichten.

Während diese extraterrestrischen Wesen also die Rolle des Prometheus übernehmen, trägt ein Raumschiff, mit dem ein menschliches Forschungsteam versucht, die eigenen Schöpfer zu besuchen, den Namen des Titanen. Durch Titel und Raumschiff ist Prometheus in dem Film also ausgesprochen präsent.

Ein Prometheus in „Iron Sky 2 – The Coming Race“

In „Iron Sky 2 – The Coming Race“ aus dem Jahr 2019 finden wir eine unausgesprochene Prometheus-Rezeption vor. Dabei handelt es sich um ein außerirdisches Wesen, das zur Zeit der Dinosaurier auf der Erde landet und dort mit einer besonderen Energiequelle ein Affenpärchen manipuliert, das er passenderweise als Adam und Eva bezeichnet. Wie der Titan gerät er wegen seiner Schützlinge in einen Konflikt mit anderen Wesen seiner Art. Auch wenn er nach eigener Aussage eigentlich immer nur helfen wollte, endet letztlich alles tödlich.

Prometheus in der antiken Überlieferung

Schöpfer und/oder Freund der Menschen

Prometheus (der Vorbedenker) wird in den Mythen immer als Freund und Förderer der Menschheit betrachtet, wobei er in manchen Überlieferungen auch als ihr Schöpfer gilt. Auf diese besondere Verbindung zum Menschen ist letztlich wohl seine große Popularität zurückzuführen, zumal das Feuer, das der Titan den Menschen gebracht haben soll (s.u.), leicht auch im übertragenen Sinn verstanden werden kann, worauf wir ganz am Ende noch zu sprechen kommen werden.

Die Opfertiere: Der Titan verärgert Zeus

In seiner Rolle als Freund und Förderer der Menschen gerät der Titan wiederholt in Konflikt mit Zeus. Entscheidend ist hier das Opferritual. Denn die Menschen einer griechischen Stadt diskutierten mit den Göttern darüber, welche Teile eines Opfertieres von nun an den Menschen und welche den Göttern gebühren sollten. Prometheus griff daher zu einer List, indem er die besten Teile des Tieres unter dem wenig schmackhaften Pansen, dem größten Vormagen bei Wiederkäuern, versteckte. Die Knochen hingegen baute er geschickt unter einem Stück saftigen Speck auf.

Nun stellte Prometheus Zeus vor die Wahl: Solle den Göttern der Magen oder der Speck gebühren? Zeus durchschaute den Trick zwar, ließ sich aber dennoch auf das Spiel des Titanen ein, weshalb die Griechen von nun an die Knochen etc. der Opfertiere den Göttern überließen, während sie das schmackhafte Fleisch selbst aßen. Es handelt sich hierbei also um einen Mythos, mit Hilfe dessen sich die Griechen ihr Opferritual erklärten (Ätiologie).

Das gestohlene Feuer

Da Zeus natürlich wenig begeistert über die Hinterlist des Prometheus war, verbat er zur Strafe, dass den Menschen das Feuer gegeben würde. Sollte die Menschheit doch sehen, was sie ohne Feuer von ihrem Opferfleisch hatte! Damit war der Titan wiederum nicht einverstanden und stahl kurzerhand ein Stück Glut, das er daraufhin den Menschen übergab. Dies führte zum endgültigen Bruch mit Zeus und zu weitreichenden Folgen für die Menschheit. In seiner Form als Feuer stehlender Wohltäter wird er in der Forschungsliteratur als Prometheus pyrphoros (= der Feuerstehler) bezeichnet.

Die Rache des Zeus – Teil I: Die Büchse der Pandora

Auf Befehl des Zeus erschufen die Götter die verführerische Pandora, die entsprechend ihrem Namen – die Allbeschenkte – mit vielerlei Fertigkeiten versehen wurde. Mit ihrer sprichwörtlich gewordenen Büchse – eigentlich ist es ein Krug – kam sie zu den Menschen, wo sie Epimetheus (der Nachherbedenkende), einen Bruder des Prometheus heiratete. Prometheus hatte das Unheil kommen sehen und seinen Bruder vergeblich zu warnen versucht. (Erstaunlicherweise lässt er sich aber auch selbst auf Pandora ein.) Denn als der Krug der Pandora geöffnet wurde, entwichen sämtliche Plagen, unter denen die Menschheit bis heute zu leiden hat und die sie bis dahin nicht kannte. Auch dieser Mythos hat also eine erklärende Funktion (Ätiologie).

Die Rache des Zeus – Teil II: Der gefesselte Prometheus

Zur weiteren Strafe befahl Zeus außerdem dem Schmiedegott Hephaistos, Prometheus an den Kaukasus zu ketten. Damit nicht genug, erschien jeden Tag ein Adler, um von der Leber des wehrlosen Titanen zu fressen. Da die Leber aber immer wieder nachwuchs, wiederholten sich die Qualen des Prometheus Tag für Tag. Dies hätte sich wohl bis in alle Ewigkeit fortgesetzt, hätte Herakles den Titanen nicht im Rahmen seiner 12 Aufgaben befreit. Dass Prometheus bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder aufs Neue denselben grausamen Tagesablauf durchleben musste, zählt sein Mythos wohl zu einer der ersten Versionen von „Und täglich grüßt das Murmeltier„.

Prometheus als Schöpfer der Menschen

Erst in römischer Zeit wird Prometheus vermehrt als Schöpfer der Menschen dargestellt, wobei sein Bild nun wesentlich weniger problematisch erscheint als in der griechischen Überlieferung. Laut Ovid (Metamorphosen 1,76-1,88) erschuf Prometheus die Menschheit, indem er Erde mit Wasser und Luft vermischte. Laut Horaz (Carmina 1,16,13-1,16,16) formte Prometheus den Menschen aus Ton, wobei er noch Elemente aus dem Tierreich hinzufügte. Zwar hat Herakleides Pontikos Prometheus bereits im 4. Jh. v.Chr. als Schöpfer des Menschen bezeichnet, doch sind Ovid und Horaz die ersten uns erhaltenen berühmteren Autoren, die dies aufgreifen. In seiner Form als Schöpfer spricht man in der Literatur von Prometheus plasticator.

Prometheus als Feuerträger
Prometheus als Feuerträger (Jan Cossiers, um 1636/38. Museo del Prado, Madrid) (gemeinfrei)

Schlussgedanken

An Prometheus ist bemerkenswert, dass er immer wieder trickreich und mit einer gewissen kriminellen Energie (Betrug, Diebstahl) in Erscheinung tritt, diese „Verbrechen“ an den Göttern jedoch stets zum Wohle der Menschheit ausführt. Indem Zeus ihn zur Strafe an den Kaukasus ketten lässt, wird der Titan fast schon zu einem tragischen Helden, der große Leiden dafür erdulden muss, dass er dem Menschen geholfen hat.

Für die Phantastik scheint mir besonders interessant zu sein, dass Prometheus den Menschen das Feuer brachte. Denn Feuer ist so grundlegend für die Entwicklung der Menschheit gewesen, dass Prometheus durch diese Tat geradezu als Zivilisationsstifter betrachtet werden kann. Dabei kann das Feuer natürlich auch im übertragenen Sinn als Funken der Vernunft, als Verlassen des Tierzustands etc. betrachtet werden. In vielerlei Hinsicht bietet es sich also geradezu an, diesen Gedanken in Form von Prä-Astronautik, Schaffung von (neuem) Leben etc. fortzuspinnen.

Daher soll der vorliegende Artikel als Grundlage für einige weitere Artikel dienen, die hier in Zukunft zum Thema „Prometheus“ erscheinen werden.

Literatur (mit Quellenverweisen):

DNP-Gruppe Kiel: Prometheus, in: Der Neue Pauly 10 (2001), 402-406.

diverse Beiträge aus:

J. Weiner/B.E. Stevens/B.M. Rogers (Hgg.): „Frankenstein and its Classics. The Modern Prometheus from Antiquity to Science Fiction“, London/New York 2018.

Michael Kleu

Anmerkungen

  1. Man könnte an dieser Stelle noch vieles mehr zu Prometheus und die Antike allgemein in „Frankenstein or The New Prometheus“ sagen, doch soll es hier genügen, auf die relevante Forschungsliteratur zu verweisen: Weiner, J./Stevens, B.E./Rogers, B.M. (Hgg.): Frankenstein and ist Classics. The Modern Prometheus from Antiquity to Science Fiction, London/New York 2018.

Ein Kommentar zu „Prometheus – Freund und Förderer der Menschheit

Gib deinen ab

  1. Der große Dichter Aischylos mag Prometheus, allerdings hasst er Zeus („Der gefesselte Prometheus“). Johann Wolfgang von Goethe mochte Zeus auch nicht, Zitat vom Gedicht Prometheus:

    „Bedecke deinen Himmel, Zeus,
    mit Wolkendunst!
    Und übe, Knaben gleich,
    der Disteln köpft,
    an Eichen dich und Bergeshöh’n!
    Musst mir meine Erde
    doch lassen steh’n,
    und meine Hütte,
    die du nicht gebaut,
    und meinen Herd,
    um dessen Glut
    du mich beneidest.

    Ich kenne nichts Ärmeres
    unter der Sonn‘ als euch Götter!“

    Zu mir: Ich mag diesen Zeus auch nicht (Sintflut des Zeus, Büchse der Pandora und mehr Gründe) -> https://www.mythologie-antike.com/t499-prometheus-mythologie-schopfer-der-menschheit

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