Veröffentlicht: 31. März 2018 – Letzte Aktualisierung: 8. Februar 2022
Werwölfe sind heutzutage aus Horror und Fantasy kaum wegzudenken und dementsprechend in zahlreichen Produktionen wie etwa True Blood, Underworld, Twilight, Teen Wolf (Film und Serie), Harry Potter, Van Helsing, American Werewolf, Brotherhood of the Wolf oder Stephen Kings Silver Bullet (Der Werwolf von Tarker Mills) vertreten, um mal wahllos ein paar Werke aufzuzählen. Grund genug, sich die Frage zu stellen, wo der Werwolf-Mythos seinen Ursprung haben mag.
Die älteste mir bekannte Stelle stammt von Herodot (5. Jh. v.Chr.), der in seinen Historien von den Neuroi berichtet, einem Volk, das aus griechischer Perspektive irgendwo in den Steppen hinter dem Schwarzen Meer lebte. Diese Neuroi sollen sich einmal im Jahr für ein paar Tage in Wölfe verwandelt haben, um danach dann wieder zu Menschen zu werden. So erzählten es laut Herodot jedenfalls die Skythen und in der Nähe lebende Griechen. Herodot selbst glaubte diese Geschichte nicht, schrieb sie aber immerhin auf, wodurch sie der Nachwelt erhalten blieb (4,105,2).
Photo: Michael Kleu
Es finden sich noch weitere Überlieferungen aus der klassischen Antike, in der Menschen zur Strafe für diverse Vergehen in Wölfe verwandelt werden. Am berühmtesten ist hier wohl der mythische Arkaderkönig Lykaon, über dessen Verwandlung in einen Wolf mehrere Versionen vorliegen. Ich mag ihn nicht so recht als Werwolf betrachten, da mir die regelmäßige Mensch-Wolf-Transformation fehlt. Aus demselben Grund ist auch der im Gilgamesch-Epos genannte namenlose Schäfer, der von der Göttin Ištar in einen Wolf verwandelt wird, für mich kein Werwolf. (Würde man den Schäfer mitzählen wäre er natürlich der älteste bekannte Vertreter dieser Gattung.) Andernfalls könnte man ja auch die von Kirke in Schweine verwandelten Gefährten des Odysseus als Werschweine bezeichnen.
Dennoch kann es aufgrund der allgemeinen Bekanntheit des Lykaon natürlich nicht verwundern, wenn in der Unterhaltungsindustrie gelegentlich auf ihn als ältesten Werwolf zurückgegriffen wird (so zum Beispiel bei Percy Jackson), wozu sicherlich auch die Ähnlichkeit seines Namens zum griechischen Wort lykos (Wolf) beiträgt, was wohl schon die antiken Menschen zu den Geschichten um den Arkaderkönig inspiriert haben dürfte. Der Fachbegriff für Mensch-Wolf-Verwandlungen lautet übrigens Lykanthropie, was sich aus lykos und anthropos (Mensch) zusammensetzt.
Von den weiteren antiken Überlieferungen (für einander ergänzende Auflistungen vgl. den deutschen und den englischen Wikipedia-Eintrag) scheint mir der satirische Roman Satyrica des Publius (oder Titus) Petronius Arbiter (1. Jh. n.Chr.) am spannendsten zu sein. Aber dazu kommen in wir ein andermal.
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Die Herodotgeschichte war mir neu! 1000 Dank dafür! Wird sofort nachgeholt.
Freut mich! 😉
Leider steht da aber nur genau das, was ich im Beitrag paraphrasiere. Daher ist dieser womöglich älteste Beleg leider insgesamt etwas unspektakulär.
Aber ich beschäftige mich demnächst noch mit antiken Vampir- und Geistergeschichten sowie dem oben angekündigten Roman. Das wird dann hoffentlich etwas handfester 😉
Vorfreude aktiviert
Bei den Vampiren bin ich sehr gespannt, welche Du uns vorstellen wirst. Ich kenne ja schon ein bisschen was, da ich lange „Vampire: The Masquerade“ gespielt habe und hin und wieder auch mal gedanklich über den Tellerrand lesen wollte – vor allem, wenn ich Nebencharaktere geschaffen habe, die aus der Antike stammten.
Ich hatte da mal ein hübsches kleines Büchlein, das ein bisschen auf die antiken Wurzeln berief, aber hauptsächlich den modernen Mythos des verführerischen Gentleman-Vampirs mit unheimlich erotischer Ausstrahlung über Polidori und Stoker nachzeichnete.
Die Neuroi bei Herodot waren mir allerdings auch neu. Lustigerweise liest mein Mann mir derzeit „Blutspur“ von Tanya Huff vor, da geht’s neben einem Vampir auch um Werwölfe 😉
„Vampire: The Masquerade“ wollte ich auch immer mal spielen, aber irgendwie ist es bei DSA, Shadowrun, Earth Dawn und Star Wars geblieben. Eigentlich hätte ich ja noch einmal Lust auf so etwas …
Ich muss gestehen, mir war auch Lykaon als erste Werwolf-Überlieferung bekannt.
Der Mythos der Mensch-Tier-Verwandlung ist wirklich ein beliebtes Motiv. Ich habe auch schon von Wertigern in Indien und Werkrokodilen in Afrika gelesen.
Das es außer Werwölfen noch andere Wertiere gibt, wurde mir das erste Mal bewusst, als ich als Teenager die Ravenloft-Reihe las, in der ein Werdachs (!) vorkam. Beorn aus „Der Hobbit“ ist dann vermutlich das nächste Werwesen, auf das ich stieß.
Wertiger und Werkrokodile kenne ich noch gar nicht. Muss ich gleich mal nach googlen 😉
P.S.: Ich finde Deinen Blog sehr cool!
Sehr interessant. Ich finde ich es immer spannend herauszufinden, wo eigentlich die Mythen herkommen, die wir heute oftmals als selbstverständlich erachten. Auch wenn die Firgur des Lykanthropen offensichtlich schon sehr alt ist und in einigen (unabhängig voneinander existierenden) Kulturen auftaucht, war ich beispielsweise sehr überrascht, dass einige Werwolf-Attribute der Popkultur, die heute gang und gäbe, auf den Film „Der Wolfsmensch“ von George Waggner zurückgeht.
ich hab mal ne Doku (arte?) über Rumänien gesehen, dort gibt es, neben Vampiren, auch Wehrwölfe (so sagt man zumindest :-), die werden dort wohl Strigoi (?) genannt, das klingt doch ziemlich ähnlich wie Neuroi.
Ich denke da sitzt Du aber näher an der Quelle als ich…
Die Doku haben wir auch gesehen. R. hatte vorher aber in Rumänien noch nie was von diesen Werwölfen gehört. Ich frage mal ihre Oma 😉 Sicherlich gibt es bei den vielen Völkern, die in Rumänien gelebt haben und leben, Unterschiede in den regionalen Sagen.
Die Gegend, von der Herodot spricht, wird öfters in der Ukraine oder Russland lokalisiert, das würde ja so grob passen.
was wunderliche Geschichten angeht ist Rumänien gewissermaßen das Indien Europas 🙂
grade mal gegoogel:
https://scharfmfs.de.tl/Strigoi.htm
also das klingt schon ein bisschen wie die Neurois…
Immer an den Knoblauch denken wenn Du nach Rumänien fährst!
Interessanter Beitrag 🙂 Germanische Sagen fallen für dich aber nicht unter Antike, oder? Da ist ja auch der Erscheinungszeitpunkt schwer zu bestimmen. Jedenfalls könntest du sonst noch den Fenriswolf aufführen.
Richtig! Bei den germanischen, aber auch bei den nordischen oder keltischen Mythen habe ich immer das Problem, dass die ersten schriftlichen Zeugnisse oft erst aus dem Mittelalter stammen und ich daher nur vermuten kann, wie alt diese Geschichten sind. Wenn also z.B Tacitus was über germanische Mythologie schreibt, nehme ich das rein, während ich mittelalterliche Zeugnisse in der Regel nicht berücksichtige.
Es ist aber auch mit dieser Einschränkung schon mehr als genug zu tun 😉
Hey 🙂
Es ist doch immer wieder spannend zu sehen, woher all die Mythen, die wir kennen, doch herkommen. Ich hätte nicht mal eine Vermutung gehabt, wo der Mythos um Werwölfe ihren Ursprung hat. Zum Glück lernt man allerdings nie aus 🙂
Liebe Grüße
Isabell
Ursprung weiß ich nicht, aber zumindest ist es das älteste schriftliche Zeugnis. Das ist ja auch schon was 😉
In einem Spiegelartikel vom 30.9. 2013 „Die Attacke der Werwölfe“ wird die Entdeckung eines Kultplatzes in Osteuropa vorgestellt, an dem offenbar Hunde – oder Wölfe – geschlachtet wurden. Es wurde die These aufgestellt, dass die Teilnehmer dieser Zeremonien sich die Felle umgehängt hätten, um dann auf Raubzug zu gehen. Das wurde dann mit verschiedenen Überlieferungen in Verbindung gebracht.
Wenn ich mich recht erinnere hatten auch die Spartaner einen vergleichbaren Brauch zur „Mannwerdung“. So gesehen erscheint auch das Märchen vom Rotkäppchen in einem ganz neuen Licht.
Ja, in Tierhaut zu schlüpfen (Löwen, Wölfe, Büffel etc.) ist kein seltenes Phänomen und kann vielleicht mit dem Ursprung solcher Geschichten in einen Zusammenhang gebracht werden. Osteuropa würde geographisch ja tatsächlich zu Herodots Darstellung passen. Spannend finde ich auch Stephen Kings Überlegung, den Werwolf als eine Art Dr. Jekyll und Mr. Hyde zu betrachten, also als Methapher für das Tier oder das Monster im Menschen, das bei manchen in gewissen Abständen ausbricht.