Einführung
In den 1980er Jahren zählte die US-amerikanische Serie „Battlestar Galactica“ für mich zum Größten, was die damalige Fernsehlandschaft zu bieten hatte. Es gab nur wenige Serien, die so sehr meinen persönlichen Geschmack getroffen haben, wie diese Produktion von Glen A. Larson. Vielleicht war es die besondere Mischung aus Science Fiction, Mystik und Mythologie, die mich mit meinen damals 10 Jahren so intensiv ansprach.1 Grund genug, „Battlestar Galactica“ erneut anzuschauen und die Antikenrezeption genauer zu untersuchen.
Der Vorspann
Auf die grandiose, von einem Orchester eingespielte Titelmelodie der Serie folgt ein Sprecher, der die folgende Einführung vorträgt:
There are those who believe that life here began out there, far acros the universe, with tribes of humans who may have been the forefathers of the Egyptians or the Toltecs or the Mayans, that they may have been the architects of the great pyramids, or the lost civilisations of Lemuria or Atlantis. Some believe that there may yet be brothers of man who even now fight to survive somewhere beyond the heavens.
Auf Basis dieser Einleitung ist es mehr als offensichtlich, dass „Battlestar Galactica“ in den Bereich der Prä-Astronautik einzuordnen ist. Die Menschheit stamme womöglich nicht von der Erde, sondern aus dem Weltraum. Mit Ägyptern, Tolteken und Mayas werden drei konkrete Völker namentlich genannt, die Pyramiden errichtet haben und auch auf andere Weise durch erstaunliche kulturelle Leistungen in Erscheinung getreten sind, wobei außer Acht gelassen wird, dass die Ägypter diesbezüglich wesentlich früher anzusiedeln sind als die beiden mesoamerikanischen Völker. Mit Lemuria und Atlantis kommen noch Zivilisationen hinzu, die anders als die zuvor genannten Völker aller Wahrscheinlichkeit nach nie existiert haben.
Die Idee ist jedenfalls, wie in der Prä-Astronautik üblich, dass frühe Hochkulturen ihr Wissen aus dem Weltraum bezogen, wobei es in diesem Fall allerdings keine Außerirdischen sind, sondern die Menschheit selbst aus dem Weltraum zur Erde kommt, woraufhin das fortschrittliche Wissen über Raumfahrt etc. in der Folge offensichtlich verlorengegangen sein muss.
Der letzte Satz der Einführung legt nahe, dass die folgende Erzählung in der Gegenwart der Zuschauer*innen der Serie spielt.2
Die Rahmenhandlung
Im Laufe der Serie erfahren wir, dass die Menschheit ihren Heimatplaneten Kobol aufgeben musste, da dieser keine lebensfreundliche Grundlage mehr bot. Daher verließen 12 Stämme den Planeten, um sich auf ebenso vielen anderen Planeten, den sogenannten Kolonien, eine neue Existenz aufzubauen. Doch ist der Menschheit auch in ihrer neuen Heimat kein friedliches Leben vergönnt, da es zu einem Krieg mit den Cylons (Zylonen) kommt, der ganze 1.000 Jahre andauert. Schließlich täuschen die Zylonen mit Hilfe des menschlichen Verräters Baltar Friedensverhandlungen vor, die sie nutzen, um die 12 Kolonien bei einem Überraschungsangriff zu vernichten.
Von den mächtigen Kampfsternen der Kolonien übersteht nur die von Commander Adama kommandierte Galactica den Angriff und nimmt die Überlebenden auf, um in einem Convoy von 220 Raumschiffen eine mythische 13. Kolonie der Menschen zu suchen, von der nur in alten Schriften die Rede ist: die Erde.
Da sich die Menschheit zum Zeitpunkt der Vernichtung der 12 Kolonien im 7. Jahrtausend ihrer aufgezeichneten Geschichte befindet, müsste diese auf unseren Kalender umgerechnet im 5. Jahrtausend v.Chr. begonnen haben. Wenige tausend Jahre später scheinen die Menschen dann bereits die Erde erreicht haben, da etwa in diesem Zeitraum die frühesten uns bekannten Hochkulturen einsetzen. Dazu passt die Angabe in der Serie, der 13. Stamm sei vor ein paar tausend Jahren zur Erde aufgebrochen.
Ägypter in „Battlestar Galactica“
Nachdem die Ägypter bereits explizit im Vorspann genannt werden, fällt schnell auf, dass die Helme der Viper-Piloten in „Battlestar Galactica“ sehr deutlich an das Nemes-Kopftuch angelehnt sind, die traditionelle Kopfbedeckung ägyptischer Pharaonen. Hinzu kommt, dass wir bei der Zerstörung der Kolonie Caprica durch die Zylonen im Hintergrund gewaltige Gebäudekomplexe sehen, bei denen es sich um moderne Varianten von Pyramiden handelt. Um den ägyptischen Stil perfekt zu machen, finden wir außerdem einen Obelisken auf einem öffentlichen Platz vor. Ein weiterer Ägyptenbezug zeigt sich in Form des Kartenspiels „Pyramids“. Auf dem von Menschen besiedelten Planeten Paradeen sind sogar die Gewächshäuser wie Pyramiden geformt.
Wenn die Galactica in der Doppelfolge „Lost Planet of the Gods“ den Planeten Kobol findet, von dem die Menschheit ursprünglich stammt, sehen wir ein Außenteam der Crew auf einem Planeten, der mit seinen Pyramiden und Säulen sehr an Ägypten erinnert. Dies ist kein Wunder, schließlich hatten die Macher*innen der Serie einen Teil der Schauspieler*innen nach Luxor geflogen, um dort Außenaufnahmen für die Szenen auf Kobol zu drehen.3
So sehen wir den Luxor-Tempel und den ebenfalls in der Nähe befindlichen Karnak-Tempel sowie später auch die Pyramiden von Gizeh inklusive der Sphinx. Ein Raum, in dem sich innerhalb einer der Pyramiden das Grab des neunten Herren von Kobol befindet, ist eindeutig ägyptisch eingerichtet. So ist der Herr von Kobol wie ein Pharao bestattet, während sein Sigel einer Sonnenscheibe mit Strahlen entspricht, wobei es sich tatsächlich um das Zeichen des ägyptischen Gottes Aton handelt.
Die ägyptische Kultur bietet innerhalb der Erzählung dementsprechend das getreueste Abbild der ursprünglichen menschlichen Zivilisation auf dem Planeten Kobol.
Jüdisch-christlich-islamische Bezüge
Bezüge zu den jüdisch-christlich-islamischen Überlieferungen zeigen sich allein schon dadurch, dass Commander Adama namentlich am ersten Menschen der jeweiligen Überlieferungen angelehnt ist, während ein Androide, der die rechte Hand des Verräters Baltar ist, den Namen Lucifer trägt. Baltar selbst könnte sich von Balthasar ableiten, der griechischen Variante eines babylonischen Vornamens, der sich gelegentlich im Alten Testament findet. Wie im Zusatzmaterial der Blu-ray zu erfahren ist, hatte Serienschöpfer Glen A. Larson ursprünglich sogar mit dem Gedanken gespielt, die Serie „Adam’s Arque“ zu nennen, was den Bezug zu den drei monotheistischen Weltreligionen noch offensichtlicher gemacht hätte.
In den Folgen „War of the Gods I & II“ und „Experiment in Terra“ treffen wir auf Wesen, bei denen es sich um ehemalige Menschen handelt, die eine höhere Entwicklungsstufe erreicht haben und den biblischen Engeln entsprechen. Deren Gegenspieler ist Count Iblis, der sehr an den Teufel erinnert und den Namen einer Figur aus dem Koran trägt, die Satan ähnelt und die Unterwerfung unter Adam verweigert hat. Die Doppelfolge „War of the Gods“ ist geradezu vollgepackt mit der Bildsprache der drei monotheistischen Buchreligionen. Besonders deutlich wird dies, wenn wir Iblis wiederholt in einem paradiesähnlichen Garten vorfinden oder er ankündigt, Nahrung zu vermehren. Am Ende der Doppelfolge opfert sich Apollo, der Sohn Commander Adamas auf, woraufhin er wie Jesus von den Toten aufersteht. Dass Count Iblis ursprünglich eines der höheren Wesen war und dementsprechend ein gefallener Engel ist, fügt sich dementsprechend gut in das Gesamtbild ein.
In der Doppelfolge „The Living Legend“ begegnen wir Commander Cain, der den Kampfstern Pegasus befehligt, der überraschenderweise wie die Glactica den vernichtenden Angriff auf die 12 Kolonien überstanden hat. Der Name steht sicherlich in Bezug zu Kain, dem Sohn Adam und Evas und Mörder seines Bruders Abels, was sich sehr schön daran zeigt, dass Cain anfangs ein falsches Spiel mit Adama spielt, sich am Ende aber geläutert zeigt. Seine Tochter trägt den Namen Sheba, was sich von der Königin von Saba herleitet, die auf Englisch als „Queen of Sheba“ bezeichnet wird.
Die 12 Kolonien sind an die 12 Stämme Israels angelehnt. Die mythische 13. Kolonie, die sich auf der Erde befinden soll, dürfte durch die 10 verlorenen Stämme Israels inspiriert sein. Analog zu den 12 Kolonien gibt es einen Rat der 12, der die Geschicke der Menschheit leitet. Vor der Vernichtung der 12 Kolonien durch die Zylonen leitet Präsident Arda den Rat der 12. Arda ist die Bezeichnung für den sechsten Monat des hebräischen Kalenders.
Ganz offensichtlich von (Sodom und) Gomorra inspiriert ist Gomoray, eine ehemalige Stadt der Menschen, die nun ein Zentrum des zylonischen Reiches darstellt. Eine Stadt auf dem Planeten Kobol, bei der sich das bereits angesprochene Grab des 9. Herren von Kobol befindet, trägt den Namen Eden.
Wo wir in diesem Abschnitt bereits mehrfach von den drei monotheistischen Buchreligionen sprachen: Auch zu Tora, Bibel und Koran gibt es in „Battlestar Galactica“ ein Pendant. Denn im „Book of the World“, bei dem es sich um eine zentrale Schrift zu handeln scheint, ist der Exodus der Menschheit vom Planeten Kobol zu den Kolonien festgehalten. Die Parallelen zum Auszug aus Ägypten liegen auf der Hand.
Äußerungen der Protagonisten wie „God/Lord help us“ deuten gelegentlich darauf hin, dass die Religion der Menschen der 12 Kolonien monotheistisch geprägt ist.
Mormonische Bezüge
Der Name des Ursprungsplaneten der Menschheit, Kobol, leitet sich vom Stern oder Planeten Kolob ab, dem eine gewisse Bedeutung in den Schriften der mormonischen Glaubensrichtung zukommt. Allgemein hat „Battlestar Galactica“-Erfinder Glen A. Larson einige mormonische Elemente in die Geschichte eingebaut, was laut seiner eigenen Aussage damit zusammenhängt, dass er selbst mormonische Wurzeln hat (s.u.).
Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass Larson in einem Interview zu seinen Inspirationsquellen den folgenden – durchaus bemerkenswerten – Satz der mormonischen Theologie aufgreift: „So wie der Mensch ist, so war Gott, und so wie Gott ist, möge der Mensch werden.“4
Wie schon weiter oben bei den Engeln thematisiert, sollen auch die Herren von Kobol ursprünglich Menschen gewesen sein, die sich weiterentwickelt haben. Letztlich wird ihr Status nicht genau definiert. Gelegentlich werden sie im Fandom als eine Art Herrscher mit prophetischen Gaben verstanden.
Bezüge zur griechischen Welt
Einige Personen in „Battlestar Galactica“ tragen griechische Namen. So lernen wir z.B. die Geschwister Apollo und Athena kennen, die interessanterweise die Kinder von Commander Adama sind, dessen Rolle als Vaterfigur durch die Parallelisierung mit Zeus unterstrichen wird. Außerdem hätten wir da noch die Begleitdame Cassiopeia, deren Name sich von der gleichnamigen Königin der griechischen Mythologie ableitet, was sich auf die Schönheit beider Frauen beziehen könnte. Denn Kassiopeia war von ihrem eigenen Erscheinungsbild so angetan, dass sie sich selbst als schöner als die Nereiden (Meeresnymphen) bezeichnete, was die bekannten Ereignisse um Andromeda und Perseus auslöste.
Natürlich könnte Cassiopeias Name auch vom prominenten Sternbild inspiriert worden sein, dass seinerseits auf die Königin zurückzuführen ist. Denn auch die 12 Kolonien sind nach Sternbildern benannt, in diesem Fall denjenigen der Tierkreiszeichen. So werden in der Serie u.a. explizit Caprica, Sagitaria und Virgon genannt.
Wie wir schon weiter oben gelesen haben, kommandiert Commander Cain den Kampfstern Pegasus. Dass damit wie in der griechischen Mythologie ein geflügeltes Pferd gemeint ist, ergibt sich daraus, dass die Kampfpiloten der Pegasus ein ebensolches als Symbol auf ihren Helmen tragen. Zu den beim Überraschungsangriff der Zylonen zerstörten weiteren Kampfsternen zählen außerdem die Acropolis, die Atlantia sowie die Triton.
Immer wieder treten in der Serie Charaktere in Erscheinung, die griechische Namen tragen, ohne dass dies mit einer tieferen Bedeutung verbunden wäre. In diesem Zusammenhang wären etwa Ariadne, Elias, Hector, Hermes oder Leda zu nennen. Einen Sonderfall stellt in diesem Zusammenhang der Chefankläger der menschlichen Flotte dar, da dieser nach dem athenischen Gesetzgeber Solon benannt ist, sodass ein sinnvoller Zusammenhang zwischen Namen und Funktion besteht. Interessant ist auch der Charakter Kronus, unter dessen Kommando Adama einst gedient hatte, während der Ältere nun dem Jüngeren untersteht. Hier scheint es sich um eine Anspielung auf Kronos, den Vater und Vorgänger des Zeus, zu handeln, der letztlich von seinem Sohn gestürzt werden sollte.
Eine ehemaliges menschliches Reich, das auch von den Zylonen vernichtet wurde, ist das nach dem Orakel von Delphi benannte Delphian Empire, von dessen Hauptstadt Gomoray wir bereits weiter oben gelesen haben.
Gelegentlich fallen auch Ausdrücke wie „Was zum Hades …“, was vielleicht im Sinne von „Was zur Hölle!“ zu verstehen ist. Hades ist auch der Name eines von Baltar kommandierten Basisschiffs der Zylonen, was dem Schiff natürlich aufgrund seiner Namensgleichheit mit dem Gott der Unterwelt eine düster-bedrohliche Aura verleiht.
Besonders gerne trinken die Menschen der 12 Kolonien ein Getränk namens Ambrose, bei dem die Serienmacher*innen offensichtlich Ambrosia im Kopf hatten, die unsterblich machende Speise der griechischen Götterwelt.
Die Zylonen als römische Zyklopen
Ursprünglich handelte es sich bei den Zylonen – im Original Cylons – um ein reptilienhaftes außerirdisches Volk. Dieses hielt die körperliche Statur der Menschen für die bestdenkbare, weshalb die Zylonen damit begannen, das äußere Erscheinungsbild der Menschen in Form von Robotern nachzubilden. Als die ursprünglichen Zylonen eines Tages ausgestorben waren, führten ihre Geschöpfe fortan ein Eigenleben und begannen damit, andere Völker zu unterwerfen, was schließlich den Konflikt mit den Menschen auslöste, die ihren Nachbarn zur Hilfe geeilt waren. Dabei scheint dem bereits oben vorgestellten Lord Iblis eine nicht unbedeutende Rolle zugefallen zu sein, spricht das Oberhaupt (Imperious Leader) der Zylonen doch mit dessen Stimme. Auch war Iblis wohl nicht ganz unschuldig am Aussterben der ursprünglichen Zylonen …
Da die Zylonen nur ein rotes Auge haben, das sich beständig waagerecht hin und her bewegt, erinnern sie zwangsläufig an Zyklopen. Ihre silberglänzenden Rüstungen sind vom Helm her aber durchaus römisch inspiriert, was sich auch daran zeigt, dass es den Rang des Centurion gibt, der allerdings dem niedrigsten Grad innerhalb der zylonischen Hierarchie entspricht.5
In der Doppelfolge „The Living Legend“ ist Baltar, während er in einem zylonischen Jäger sitzt, mit einem Helm zu sehen, der ihn ebenfalls klar römisch erscheinen lässt.
An römischen Namen begegnen uns in der Serie Aurora und Anton.
Glen A. Larson und die Idee hinter „Battlestar Galactica“
In einem kurzen Interview6, das der Blu-ray der Serie beigefügt ist, erklärt Glen A. Larson, woher die Idee zu Battlestar Galactica stammte. In diesem Kontext erzählt er von seinen mormonischen Wurzeln und seiner Faszination für Mythologie, die Pyramiden und verschiedene diesbezügliche Theorien, wobei er explizit auf Erich von Dänikens „Erinnerungen an die Zukunft“ zu sprechen kommt. „Battlestar Galactica“ sei das Ergebnis all dieser Interessen. So sagt Larson ganz klar, dass er und seine Kolleg*innen sich großzügig bei der Mythologie bedient haben, und stellt auch noch einmal den Exodus als ein zentrales Motiv der Erzählung in den Vordergrund.
Im Folgenden vertritt Larson die These, dass vieles für eine Mutter- oder Ursprungskultur spreche, die lange vor den Ägyptern, Azteken und weiteren Zivilisationen auf der Erde gelebt und die späteren Kulturen inspiriert habe. Diese Ursprungskultur könne geographisch gesehen in der Antarktis angesiedelt gewesen sein, als diese noch an anderer Stelle lag – und dementsprechend wohl eisfrei war -, oder in Atlantis. Es sei vernünftig anzunehmen, dass ein Planet, der mehrere Milliarden Jahre alt ist, möglicherweise ein oder zwei sehr weit entwickelte Hochkulturen hervorbringen könnte.
Natürlich könne die Menschheit aber auch von außerirdischen Humanoiden abstammen, die irgendwann zur Erde gekommen sind und sich fortpflanzten oder Experimente durchgeführt haben, aus denen dann der Mensch hervorgegangen sei. Vielleicht sei das Wort „Himmel“ ursprünglich die Bezeichnung für einen anderen Planeten gewesen, von dem Gott gekommen sei, um den Menschen zu schaffen. Wir alle seien Roboter eines höheren Gottes.
Getreu des bereits oben angesprochenen mormonischen Gedankens, dass der Mensch so ist, wie Gott war, und der Mensch so werden möge, wie Gott ist, kann sich Glen A. Larson vorstellen, dass auch die Menschheit sich eines Tages um einen anderen Planeten kümmern wird, weil sie zuvor auf der Erde oder woanders einen guten Job gemacht habe.
Gedankenspiele um „Battlestar Galactica“
Da die Serie leider nach nur einen Staffel aus Kostengründen abgesetzt wurde, blieben manche in „Kampfstern Galactica“ aufgeworfene Fragen offen. Das hier Zusammengetragene reicht aber bereits aus, um ein paar Grundideen zu rekonstruieren, die die Serie nur andeutet.
Wenn in der griechischen Mythologie Ambrosia als Speise der Gött*innen in Erscheinung tritt, ist dies wohl als eine entfernte Erinnerung daran zu verstehen, dass die Vorfahren der auf der Erde lebenden Menschen einst, als sie noch als 13. Stamm von Kobol aus zur Erde reisten, dieses „göttliche“ Getränk liebten. Ebenso sind Pyramiden fest im kollektiven Gedächtntis oder Unterbewusstsein der Nachfahren des 13. Stammes verankert geblieben. Besonders spannend ist in dieser Hinsicht der Helm der Kampfpiloten, dessen Erscheinungsbild als Erinnerung an etwas Altehrwürdiges, das von den Sternen kam, zur Kopfbedeckung der Pharaonen umfunktioniert wurde.
In der Stadt Gomoray muss es wohl derart wüst zugegangen sein, dass die jüdische Religion von dort die Grundidee für Sodom und Gomorra übernahm. Umgekehrt scheint die Stadt Eden so prächtig gewesen zu sein, dass sie als Paradies in das Gedächtnis der Menschheit überging. Und auch bei den 12 Sternkreiszeichen handelt es sich in Wahrheit um eine Erinnerung an die 12 übrigen Kolonien der Menschen.
Ähnliche Phänomene lassen sich auch losgelöst von der Antikenrezeption aufgreifen. So treffen wir in der Folge „The Young Lords“ auf einem Planeten, auf dem sich Teile des 13. Stammes niedergelassen zu haben scheinen, auf Einhörner, während die dort lebenden Menschen wie eine Mischung aus Wikingern und American Natives erscheinen. Bei den Einhörnern aus den Sagen und Mythen der Menschen handelt es sich also um dunkle Erinnerungen an Wesen, denen die Menschen tatsächlich einst begegnet waren. Was die Kleidung angeht, scheint es so zu sein, dass die Menschheit immer wieder auf ähnliche Ideen kommt, unabhängig davon, wo sie gerade lebt.7 Dazu passt eine Art Sheriffstern, den Menschen auf einem Planeten in der Folge „The Magnificent Warriors“ verwenden, um ihren Gesetzeshüter zu kennzeichnen.
Die Idee, dass einzelne Aspekte der menschlichen Mythen, Sagen und Religionen ihren Ursprung in einer Zeit haben, die vor der Besiedlung der Erde liegt, entspricht dabei dem Schema, das wir bereits weiter oben im Zusammenhang mit den Engeln kennengelernt haben: Die Serie „Kampfstern Galactica“ rationalisiert übernatürliche Phänomene, indem sie „rationale“ Erklärungen für diese erfindet.8
What about Starbuck?
Nachdem wir nun die ganzen Anspielungen auf Ägypten, Rom, die griechische Welt und die drei großen monotheistischen Buchreligionen gesehen haben, stellt sich die Frage, wie der zentrale Charakter Starbuck an seinen Namen gekommen sein mag. Mein erster spontaner Gedanke war diesbezüglich immer der Steuermann Starbuck aus „Moby Dick“ (1851). Denkbar wäre in beiden Fällen ein Bezug auf Angehörige der Familie Starbuck, die als Walfänger und Seereisende in die amerikanische Geschichte eingegangen sind.
Nebenbemerkungen
Bei meinem Rewatch von „Kampfstern Galactica“ sind mir ein paar Dinge aufgefallen, die mein jüngeres ich vermutlich noch nicht wahrgenommen hat. Zum einen sind dies die weiblichen Kampfpilotinnen in der Serie, die zwar in ihrer Menge ein Resultat des Umstands sind, dass es auf der Galactica nicht genügend Männer gibt, insgesamt betrachtet dann aber doch als Selbstverständlichkeit präsentiert werden, was nicht zuletzt auch am Charakter Sheba liegt. Auch im Rat der 12, dem obersten Gremium der überlebenden Menschheit, sitzen mehrere Frauen, von denen eine von einer Schauspielerin asiatischer Herkunft verkörpert wird.
Später sieht man außerdem unter den Kampfpiloten einen Schauspieler asiatischer Herkunft, wobei mit Colonel Tigh und Boomer der Stellvertreter Adamas und ein populärer Nebencharakter afroamerikanisch besetzt sind.
Selbstverständlich ist die Serie ein Kind ihrer Zeit und zeigt manches, was man heute vermutlich anders machen würde. Zum Beispiel würde man heute wohl keinen Schimpansen mehr in ein Roboterkostüm stecken, wie man es für den Charakter Daggit getan hat. Insgesamt betrachtet hat es mich dann aber doch überrascht, wie „fortschrittlich“ die Serie teilweise im Vergleich zu zeitgenössischen Produktionen wie den ersten Star Wars- oder Star Trek-Filmen wirkt.
Schlussgedanken
Auch wenn im Detail nicht alles gleichermaßen überzeugend erscheint, verbindet „Battlestar Galactica“ insgesamt betrachtet griechische, ägyptische, römische und religiöse Inspirationsquellen auf äußerst gelungene Weise mit Prä-Astronautik und Science Fiction. Dabei gelingt es der Serie, ihre Erzählung durch die relativ unverschleierten Bezüge zu verschiedenen Mythologien und Religionen mit altbekannten Bezugspunkten zu versehen, über die das Publikum leicht Anschluss an die Erzählwelt finden kann. Gleichzeitig verleihen die Rückbezüge auf das Altertum der Geschichte eine gewisse zusätzliche Tiefe.
In Kombination mit der sehr guten Besetzung, den bemerkenswerten Gaststars, der großartigen Titelmelodie und dem gelungenen Design ergibt sich ein großes Ganzes, das auch heute noch Spaß macht und durchaus überzeugt.
Oft fragt man sich als Erwachsener, warum sein kindliches „Ich“ sich derart für dieses oder jenes begeistern konnte. Bei „Kampfstern Galactica“ stellt sich mir diese Frage definitiv nicht und der vorliegende Text wird sicherlich nicht meine letzte tiefere Auseinandersetzung mit dieser Serie sein. Denn in mancherlei Hinsicht spricht „Battlestar Galactica“ den nun 44-jährigen Mann noch ebenso an wie den 10-jährigen Jungen von 1989, auch wenn sich in den 34 Jahren dazwischen meine Perspektive ein wenig verschoben haben mag.
Die Neuauflage von „Battlestar Galactica“ (2004-2009)
Eine Untersuchung der Antikenrezeption in der Neuauflage von „Kampfstern Galactica“ findet Ihr in diesem Buch.
- Die Bibliothek von Alexandria in „The Atlas Six“ - 28. Oktober 2024
- [Fantastische Antike – Der Podcast] Progressive Phantastik - 21. September 2024
- Walhalla – Die nordische Mythologie im Comic - 31. Juli 2024
Anmerkungen
- Ich habe die Serie von März bis August 1989 auf RTL gesehen, ohne eine einzige der wöchentlich ausgestrahlten Episoden zu verpassen. Damals hieß die Serie für mich natürlich noch „Kampfstern Galactica“.
- Dieser Eindruck wird durch die Folgeserie namens „Galactica 1980“ bestätigt, in der die Galactica die Erde erreicht, die sich zu diesem Zeitpunkt – wie der Titel schon nahelegt – etwa im Jahr 1980 befindet. Im Fandom wird diese Fortsetzung nicht als kanonisch betrachtet und auch hier wollen wir den Mantel des Schweigens um sie hüllen.
- Im der Blu-ray beiliegenden Zusatzmaterial erinnert sich Glen A. Larson daran, dass es Schauspielerin Jane Seymour in Ägypten nicht gestattet war, die Uniform einer kolonialen Kriegerin zu tragen, weil es sich dabei um „Männerkleidung“ handelte. Daher musste ein junger Mann als Seymour-Ersatz herhalten, der ihr körperlich jedoch nicht ähnelte, weshalb so gedreht wurde, dass dies möglichst wenig auffällt. So wurden manche Szenen dann im Studio nachgedreht, wobei dann auch weitere Schauspielerinnen eingebaut werden konnten.
- Vgl. hierzu „Glen A. Larson: Die Entstehung von Kampfstern Galactica“ auf der Blu-ray von „Kampfstern Galactica“.
- Als Hellenist habe ich einen gewissen Spaß daran, dass die Zylonen als antagonistische Eroberer und Unterdrücker freier Völker mit den Römern gleichgesetzt werden.
- Glen A. Larson: Die Entstehung von Kampfstern Galactica.
- Einen ähnlichen Gedanken scheinen die Macher*innen der Neuauflage von „Battlestar Galactica“ (2004-2009) aufzugreifen, wenn sie Männer auf der Galactica in Anzug und Krawatte herumlaufen lassen.
- In einem Aufsatz, der in Kürze erscheinen wird, bezeichne ich es als „verschmelzende Antikenrezeption“, wenn sich Werke der Phantastik von der Antike inspirieren lassen, um dann innerhalb ihrer Erzählungen die „wahren“ Grundlagen dessen erfinden, von dem sie sich haben inspirieren lassen. Vgl. zu diesem Phänomen ausführlich M. Kleu: Mit Ariadnefaden durch ein phantastisches Labyrinth – Ein Kategorisierungsvorschlag für die Antikenrezeption in der Phantastik, in: M. Janka/R. Fichtel/B. Sariaydin (Hgg.): Mythen multimedial. Modernste Antike in der Gegenwartskultur, Darmstadt 2023 [im Druck].
Dass ich die Serie als 10-Jähriger geradezu verinnerlicht hatte, zeigte sich beim Schreiben daran, dass ich statt „Commander Adama“ ständig „Commanda Adama“ geschrieben habe und dachte, Glen A. Larson hieße Glen R. Larson. Als Kind habe ich das A. immer deutsch ausgesprochen 😉
Ob der Mythos um 13 Kolonien auch eine Remineszenz and die Staatsgründung bzw. Unabhängigkeitserklärung der USA ist? 🤔
Das ist ein sehr guter Gedanke! Muss ich demnächst noch einbauen! Danke schön 😉
Die Mormonen gehen ja auch davon aus, dass einer (oder mehrere?) der verlorenen Stämme Israels in Amerika gelandet sind. Dementsprechend wären die American Natives die Nachfahren eines oder mehrerer der verlorenen Stämme.
Ich glaube, hinsichtlich der Mormonen könnte man noch einiges rausholen. Es gibt auch einen mormonischen Podcast, der sich intensiv mit der Frage auseinandersetzt, was an Battlestar Galactica alles mormonisch inspiriert ist. Den muss ich bei Gelegenheit mal anhören.
Vielen Dank für den hervorragenden Blogpost rund um die Mythen des erweiterten Mittelmeeres plus der Mormonen! Dieser Blog hat erade einen Fan gewonnen, lieber Kollege Kleu! ☺✍🖖
Das freut mich aber jetzt sehr! 🙂
Vielen Dank und schöne Grüße
Michael Kleu
M. Janka/R. Fichtel/B. Sariaydin (Hgg.): Mythen multimedial. Modernste Antike in der Gegenwartskultur, Darmstadt 2023
Hast du eine Ahnung, ist das Buch schon fertig?
Nein, leider ist es noch nicht fertig. Da das Buch aber den wohl wichtigsten Aufsatz enthält, den ich je geschrieben habe, kann ich kaum abwarten, dass es endlich erscheint 😉
Sobald ich was Neues erfahre, gebe ich Dir Bescheid.