Veröffentlicht: 2. Februar 2022 – Letzte Aktualisierung: 8. Februar 2022
Der kleine Drache Kokosnuss
Der kleine Drache Kokosnuss lebt mit seinen Freund*innen Matilda und Oskar auf der Dracheninsel, wo sie vielerlei Abenteuer erleben, die teilweise historische Bezüge aufweisen. So erkunden sie in den verschiedenen Büchern etwa Ritter, Römer, die Steinzeit, das Alte Ägypten oder die Wikinger. Obwohl letztere eher weniger mit der Antike zu tun haben, widme ich mich heute dem Buch „Der kleine Drache Kokosnuss und die starken Wikinger“, da Autor Ingo Siegner hier etwas äußerst Bemerkenswertes gemacht hat.
(K)ein Wikinger!
Eines Tages erblicken der Feuerdrache Kokosnuss, das Stachelschwein Matilda und der Fressdrache Oskar wie ein Schiff an ihrer Insel anlegt. Matilda glaubt, dass es sich bei der Besatzung des Schiffs um Wikinger handle, da alle Hörner an ihren Helmen tragen. Oskar ist skeptisch, hat er doch gerade ein Buch über Wikinger gelesen, in dem gesagt wird, dass Wikinger keine Hörner an ihren Helmen trugen. Über eine Fußnote merkt Autor Ingo Siegner an, dass dies richtig sei.
Das fremde Schiff lässt jedenfalls einen Mann auf der Dracheninsel zurück. Kokosnuss, Matilda und Oskar sprechen den Fremden an und fragen, ob er ein Wikinger sei. Als dieser die Frage bejaht, fragt Oskar, warum er denn dann Hörner am Helm trage. Dem Wikinger ist das zunächst ein bisschen peinlich. Schließlich erklärt er, dass sein Anführer die Idee gehabt hätte, die Trinkhörner an den Helmen zu befestigen, damit sein Trupp gefährlicher aussehe.
Eine clevere Dekonstruktion falscher Vorstellungen
Ingo Siegner ist offensichtlich bewusst, dass Wikinger keine Hörner an ihren Helmen trugen. Hätte er den Wikinger aber ohne Hörner dargestellt, hätten sich die Kinder beim Lesen des mit zahlreichen Bildern illustrierten Buches unweigerlich gefragt, warum er keine Hörner am Helm trägt. Vielleicht hätten sie den Mann aufgrund ihrer Erwartungshaltung auch schlichtweg nicht als Wikinger akzeptiert. Schließlich war die falsche Darstellung von Wikingerhelmen in der Populärkultur lange verbreitet und begegnet Kindern heutzutage immer noch regelmäßig, zum Beispiel, wenn sie sich mit „Wiki und die starken Männer“ beschäftigen.
Ingo Siegner hat das Problem äußerst kreativ gelöst. Zwar erfüllt er die Erwartungshaltung der Kinder, indem er ihnen einen Wikinger mit Hörnern am Helm präsentiert, doch erklärt er gleichzeitig, dass es sich dabei um eine falsche Vorstellung handelt. Cleverer kann man das eigentlich nicht machen!
Die Zwickmühle, wider besseres Wissen falsche Vorstellungen über historische Sachverhalte zu bedienen, da andernfalls eine ablehnende Haltung des Publikums befürchtet wird, stellt sich Kreativen immer wieder, z.B. auch in Film und Fernsehen oder in digitalen Spielen. Wenn sich in Kinderbüchern so tolle Lösungen finden lassen, sollte das doch auch in anderen Medien machbar sein!
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