Nach den Bänden 1 und 2 geht es bei Mythkillers nun mit „The Thief of Tephet-Sheta“ weiter. Hier liegt der Schwerpunkt deutlich auf ägyptischer Mythologie, bevor ganz am Ende noch die nordische Mythologie einfließt.
Göttliche Unterstützung: Seth
Die Darstellung Seths im Comic
Nachdem unsere vier HeldInnen ihn im letzten Band der Reihe verärgert und zu einem Kampf provoziert hatten, gelingt es ihnen nun, den ägyptischen Gott Seth auf ihre Seite zu ziehen. Schließlich ist auch diesem daran gelegen herauszufinden, wer das Totenreich in Unruhe versetzt hat.
Im Comic residiert Seth in den Räumlichkeiten einer Freimaurerloge in London, wo er von seinen Anhängern als eine ältere Variante von Satan verehrt wird. Die Räumlichkeiten verfügen über einen Zugang zum Kanalsystem, wo der Gott seine Sonnenbarke untergebracht hat. Gemeinsam will die Gruppe nun die Schriften des ägyptischen Weisheits- und Wissenschaftsgotts Thot zurate ziehen. Diese befinden sich in einer Smaragd-Bibliothek in der Stadt Tephet-Sheta im Duat, dem ägyptischen Totenreich.
Doch der Weg dorthin ist gefahrenreich. So wird das Tor, durch das unsere Gruppe die Stadt Tephet-Sheva im Totenreich betreten möchte, von zwei riesigen Schlangenwesen bewacht. Eine dieser Schlangen trägt den Namen Mehen, die andere Neha-Hra. Im Umfeld der Schlangen befinden sich untote Pharaonen, die zu Lebzeiten versucht hatten, durch das Verspeisen von Fleisch von Göttern und Dämonen das Reich der Glückseligkeit zu erreichen.
Die mythologischen Grundlagen der Darstellung
Seth
Der Wüsten- und Wettergott Seth, der auch das Fremde verkörpert, ist eine zentrale Figur in der ägyptischen Mythologie. Nachdem er seinen Bruder Osiris ermordet hat, ringt er mit dessen Sohn Horus um die Vorherrschaft über Ägypten. Ungewiss ist, welches Tier der Kopf des Gottes repräsentiert.
Positiver tritt er in Erscheinung, wenn er den Sonnengott Re auf seiner Barke begleitet und gegen die Schlange Apopis beschützt. Häufiger trifft er auch – wie hier im Comic – auf Thot, wobei das Verhältnis der beiden mal besser, mal schlechter ist. Gelegentlich wird Thot als Seths Sohn dargestellt (s.u.).
In griechisch-sprachigen Papyri, die sich mit Magie beschäftigen, tritt Seth als eine Art Teufel in Erscheinung, was im Comic in Form der neuzeitlichen Verehrer des Gottes aufgegriffen wird. Was ich bisher nicht verstehe ist, weshalb die Comic-Macher Seth mit dem Totenreich in Verbindung bringen. Vielleicht hängt dies mit seinen eher negativen Aspekten und seiner Verbindung zur Magie zusammen.
Im Kampf mit Horus verliert Seth – wohl vorübergehend – seine Hoden. Hierauf spielt auch das Comic an, wenn Amanda Seth androht, ihm zwischen die Beine zu schießen, was den Gott umgehend verhandlungsbereit macht.
Thot, Duat und Mehen
Wie im Comic tritt Thot auch in der ägyptischen Mythologie mit einem Ibis-Kopf auf und repräsentiert Weisheit, Wissenschaft, die Schreibkunst und außerdem den Mond. Laut einer Überlieferung entstammt er einer homosexuellen Beziehung zwischen Seth und Horus.
Mehen ist eine Schlangengottheit, die in der Unterwelt den verstorbenen Pharao begleitet. Außerdem steht Mehen – wie Seth – Re bei seiner nächtlichen Fahrt durch die Unterwelt bei. Da er im Comic als Wächter dargestellt wird, haben sich die Comic-Macher offensichtlich dazu entschieden, seine Funktion ein wenig abzuwandeln.
Das Jenseits wird im Alten Ägypten als Duat bezeichnet. Dieses ist in ein dunkles Totenreich und ein freundlicheres Gebiet unterteilt. Das Jenseitsbuch Amduat beschreibt die nächtliche Reise des Sonnengottes Re durch Duat. In diesem Buch wird auch die Stadt Tephet-Sheva erwähnt.
Tödliche Rätsel – Die Sphinx
In der Bibliothek
Als unsere Gruppe endlich die Bibliothek erreicht hat, beginnt sie nach Schriftrollen zu suchen, die womöglich Antworten auf ihre Fragen bieten können. Doch da tritt eine Sphinx auf den Plan. Die Sphinx, die sich Artakama nennt, hat das Gesicht einer Frau, den Körper eines Löwen und mächtige Flügel. Und selbstverständlich geht es nun um Rätsel. Amanda und die Sphinx stellen sich gegenseitig Rätselaufgaben. Für jede richtige Antwort erhält Amanda Informationen, während ihr der Tod droht, wenn sie ihrerseits die Fragen der Sphinx nicht richtig beantworten kann.
Ödipus und Bilbo Baggins
Die ganze Szene erinnert an eine Mischung aus Ödipus‘ Konfrontation mit der Sphinx und der Szene aus „The Hobbit“, in der Bilbo in einen äußerst gefährlich Rätselwettstreit mit Gollum gerät. Amanda verweist in diesem Kontext sogar explizit auf „The Hobbit“.
Ich habe vor längerer Zeit einen Artikel über die Parallelen der jeweiligen Rätselszenen mit Ödipus und mit Bilbo geschrieben, weshalb ich mich sehr freue, dass den Machern des Comics offensichtlich ein ähnlicher Gedanke kam. Lest also bitte unbedingt den älteren Artikel als Hintergrundinformation für die Rätselszene in Mythkillers 3.
Werfen wir aber an dieser Stelle zumindest einen Blick auf die Rätsel. Schreibt doch mal in den Kommentaren, welche Antworten Ihr Euch vorstellen könntet.
- I flow for miles, yet touch no bank. As fuels are graded, I am first-rank. Colors I change with every breath, when I escape I bring swift death.
- I can fly across the widest land, yet I am stopped by the palm of a hand. Faster than a thousand steeds, you can not ride what has just one speed.
- A loud sound ends me – this you can prove, yet when inside me you cannot move. I will wager you’ve had me lately: too long without, you suffer greatly.
- I’m born in greed, or pain or fear. I often hide but I won’t disappear. Most men ignore me, even when shown. I’ll feed on you or upon my own.
Der Wettkampf, in dem die Göttin Selket als Schiedsrichterin fungiert, endet nicht friedlich. Allerdings erfahren unsere HeldInnen den Namen des Gottes, der für die Unordnung im Totenreich verantwortlich ist: Kyros.
Artakama
Unklar bleibt, weshalb die Sphinx den Namen Artakama trägt. Uns ist eine persische Aristokratin namens Artakama überliefert, die auf der Massenhochzeit von Susa mit Ptolemaios I. vermählt wurde. Vermutlich verstieß Ptolemaios Artakama nach dem Tod Alexanders wieder. Dass Ptolemaios kurz darauf die Herrschaft über Ägypten erlangte, stellt möglicherweise die Verbindung her, die die Comic-Macher zu der Namensgebung inspirierte.
Selket und Kyros
Die Göttin Selket ist eine Schutzgöttin der Heilkundigen, die vielleicht einen Skorpion auf dem Kopf trägt, was in der Forschung allerdings umstritten ist. Da sie im Comic Amanda töten soll, wenn diese den Rätselwettstreit verliert, konnten die Comic-Macher wohl nicht widerstehen, Selket in Form einer gefährlichen Skorpion-Göttin in die Geschichte einzubauen.
Optisch wirkt der in blauer Farbe gezeichnete Kyros ein wenig indisch, wobei der Name natürlich zuallererst an Persien erinnert.
Von Thot verwundet und von Idun geheilt.
Auf der Flucht vor der Sphinx greift der Gott Thot aus dem Verborgenen ein und verletzt Diomedes. Die Wunde bewirkt, dass dieser rapide altert. Daher bittet Amanda Seth, alle auf der Sonnenbarke nach Walhalla zu bringen. Hier versuchen sie einen der Äpfel der Unsterblichkeit zu stehlen, werden jedoch von einer herrlich selbstironischen Idun zunächst daran gehindert.1 Denn Idun ist die germanisch-nordische Göttin der Jugend und der Unsterblichkeit und bewacht die goldenen Äpfel, die den Göttinnen und Göttern ewige Jugend bescheren.
Großartig wird es, wenn Amanda Idun zu erklären versucht, um wen es sich bei Diomedes handelt. Die nordische Göttin verfügt offensichtlich über gewisse Grundkenntnisse der griechischen Mythologie, wirft jedoch alles Mögliche amüsant durcheinander. Jedenfalls erhält Diomedes letztlich einen der Äpfel und gesundet.
Mein Eindruck von Mythkillers 3: The Thief of Tephet-Sheta
Mythkillers 3 „The Thief of Tephet-Sheta“ ist sehr unterhaltsam und bringt die Story ein gutes Stück voran. Die das Heft dominierenden Elemente der ägyptischen Mythologie haben mir meine diesbezüglichen Grenzen aufgezeigt. Ich musste einiges nachschlagen, wodurch das Lesen des Comics mich um ein gutes Stück schlauer gemacht hat, was die Mythologie der Ägypter angeht. Natürlich kann man das Comic auch genießen, ohne diese Dinge nachzulesen. Sehr schön ist, wie griechische, ägyptische, jüdische, „afrikanische“ und nordische Mythologien miteinander vermischt werden.
Die große Frage ist jetzt, was es mit Kyros auf sich hat, der nun als Antagonist der Geschichte endlich einen Namen erhalten hat. Einer der persischen Großkönige dieses Namens dürfte ja wahrscheinlich eher nicht gemeint sein. Lassen wir uns überraschen!
Literatur:
A. von Lieven: Art. Seth, in: Der Neue Pauly 11 (2001), 478-479.
A. von Lieven: Art. Thot, in: Der Neue Pauly 12 (2002), 476-477.
außerdem die Wikipedia-Artikel zu Artakama, Duat, Idun, Mehen, Re, Seth und Thot.
- Die Bibliothek von Alexandria in „The Atlas Six“ - 28. Oktober 2024
- [Fantastische Antike – Der Podcast] Progressive Phantastik - 21. September 2024
- Walhalla – Die nordische Mythologie im Comic - 31. Juli 2024
Schreibe einen Kommentar