Sie war’s, sie war’s! Er war’s, er war’s! – „Bärtige“ Frauen in Monty Pythons „Life of Brian“ und der „Frauenvolksversammlung“ des Aristophanes

Die Steinigungsszene gehört wohl zu den berühmtesten Stellen aus Monty Pythons „Life of Brian“ aus dem Jahr 1979. Um was geht es hier? Einem Mann namens Matthias wird Gotteslästerung vorgeworfen, da er beim Essen angemerkt hatte, dass sein Mahl gut genug für Jehova sei. So findet er sich nun halbnackt und in Ketten auf einem öffentlichen Platz wieder, wo ihm in Form der Steinigung der Prozess gemacht werden soll. Dabei verliest ein Offizieller (John Cleese) – wohl ein Priester – die Anklageschrift und verkündet das Urteil, das sogleich vom anwesenden Publikum vollstreckt werden soll. Doch kommt es im Verlauf dieses Prozesses wiederholt zu Unterbrechungen, da der Offizielle, der um ein auffälliges Maß größer gewachsen ist als das Publikum, aufgrund diverser Zwischenrufe in hoher Stimmlage wiederholt den Verdacht schöpft, dass Frauen anwesend sein könnten, was bei einer ordentlichen Steinigung natürlich nicht der Fall sein darf. Am schönsten ist dies, wenn ordnungswidrig zu früh Steine auf den armen Matthias und sogar auf den Offiziellen geworfen werden und letzterer im Anschluss nach dem Schuldigen fragt. Denn dann tönt aus dem Publikum zunächst jeweils ein hohes  „She did. She did“, das dann von einem tieferen „He did, he did.“ (Sie war’s, sie war’s! Er war’s, er war’s!) abgelöst wird. Tatsächlich setzt sich das Publikum nämlich ausschließlich aus Frauen zusammen, die, um an der Steinigung teilnehmen zu können, falsche Bärte und Männerkleidung tragen. Die falschen Bärte gibt es praktischer Weise gleich nebenan bei dem Händler (Eric Idle) zu erwerben, der auch die Steine für die Steinigung verkauft, worauf wir weiter unten noch einmal zu sprechen kommen werden. Es sei nebenbei angemerkt, dass Matthias im Gegensatz zu anderen Anwesenden heil aus der Sache herauszukommen scheint:

Die ganze Szene erinnert stark an die „Frauenvolksversammlung“ (Ekklesiazusen), eine Komödie des Aristophanes (540er – um 385 v.Chr.), die dieser wohl in den Jahren 393-391 v.Chr. verfasst hat. In der Komödie sind die Frauen des demokratischen Athens unzufrieden damit, wie ihre Männer die Staatsgeschäfte leiten. Also lassen sie sich die Achselhaare wachsen [1], verwenden Olivenöl, um einen dunkleren Teint zu bekommen [2], ziehen die Kleidung ihrer Männer und schließlich falsche Bärte an, um derart gerüstet zur Volksversammlung (ekklesia) zu ziehen, an der Frauen eigentlich nicht teilnehmen können. (Da es im damaligen Theater nur männliche Schauspieler gab, haben wir es hier mit Männern zu tun, die sich als Frauen verkleideten, die sich wiederum als Männer verkleideten.) Durch geschicktes Vorgehen gelingt es den als Männern verkleideten Frauen, das Volk davon zu überzeugen, die politischen Geschäfte dem weiblichen Teil der Bürgerschaft anzuvertrauen, da dieser dafür offensichtlich besser geeignet sei, da die Frauen ja schließlich auch die Hausgemeinschaften (oikoi) – zumindest ihrer eigenen Wahrnehmung nach – vorbildlich verwalten. Ähnlich wie bei „Life of Brian“ wird dabei wiederholt thematisiert, dass die Frauen sich auch sprachlich an ihre Rolle anpassen müssen, um nicht durch falsche Ausdrucksweise aufzufallen, wenn sie sich z.B. aus Gewohnheit beim Sprechen an die Göttinnen wenden, statt an die Götter, oder ihre Genossinnen mit weiblichen Bezeichnungen ansprechen etc. Gerade letzteres erinnert stark an eine Szene vor der Steinigung, in der Brians (Graham Chapman) Mutter – gespielt von Terry Jones – in Männerkleidung und Bart Steine für die Steinigung einkauft und dabei von ihrem Sohn als „Mum“ angesprochen wird woraufhin sie ihn kurz anzischt und er sich so gerade noch korrigiert, indem er ein schnelles „Sorry! Dad.“ hinterherwirft. Abgesehen von ihrer Anführerin Praxagora, die eine ernsthafte Agenda verfolgt, erscheinen die Frauen im Stück des Aristophanes alle recht sexbesessen und dem Alkohol zugeneigt.[3] Auch dies passt zur Darstellung der Frauen bei der Steinigung, die sich geradezu darum reißen, Matthias hinrichten zu können, und dabei einen alles andere als disziplinierten Eindruck hinterlassen. Die Frauen führen in der Folge jedenfalls eine Art von Kommunismus ein, der ebenso die materiellen Besitztümer wie auch die Sexualpartner umfasst. Ob das gut ausgeht? Lest es mal nach, es lohnt sich!

Photo: Michael Kleu

In beiden Fällen haben wir also Gruppen von Frauen, die sich mit Hilfe von Kleidung und falschen Bärten als Männer ausgeben, um an einer Veranstaltung teilzunehmen, für die Frauen eigentlich nicht zugelassen sind. Auch sehen wir hier wie dort, dass sprachliche Gewohnheiten den Erfolg des jeweiligen Unternehmens bedrohen könnten, wobei beide Frauengruppen ziemlich undiszipliniert auftreten. Auch in „Life of Brian“ haben wir allerdings mit Judith eine Frau, die ernsthafte politische Ziele verfolgt und diesbezüglich ein wenig an Praxagora erinnert. Wir haben schon kürzlich am Beispiel von Monty Python and the Holy Gral gesehen, dass die Mitglieder von Monty Python durchaus etwas von Geschichte verstanden, wobei im Fall von Aristophanes die Rezeption natürlich auch stark über noch heute stattfindende Theaterstücke erfolgt.[4] Es spricht wohl ebenso für Aristophanes wie auch für Monty Python, dass es immer wieder gelingt, im größten Klamauk sehr ernste Probleme anzusprechen, wozu ja auch die oben angesprochene „Jehova“-Problematik passt, die natürlich stellvertretend für alle möglichen Formen von künstlichen Skandalen und religiösem Wahnsinn steht.

[1] Da sich die Frauen hier Achselhaare wachsen lassen, um wie Männer auszusehen, wissen wir, dass sich athenische Frauen zu dieser Zeit diese Behaarung offensichtlich entfernten. Später erfahren wir ähnliches bzgl. der weiblichen Schambehaarung. Es sind Kleinigkeiten wie diese, wegen derer ich die Komödien des Aristophanes als Quellen sehr schätze. Wann sprechen Herodot, Thukydides oder Polybios schon einmal von so etwas?

[2] Es entsprach dem Ideal einer athenischen Frau aus der Bürgerschaft, sich möglichst viel im eigenen Haushalt (oikos) und möglichst wenig außerhalb dessen aufzuhalten, weshalb es auch nicht viel Gelegenheit gab, gebräunte Haut zu bekommen.

[3] Die Darstellung der Frauen bei Aristophanes weicht erfrischend vom dem Ideal ab, das uns die übrigen Quellen präsentieren, wobei natürlich nicht vergessen werden darf, dass es ein Element der Komödie ist, Dinge maßlos zu überzeichnen.

[4] Noah Falstein teilte mir per E-Mail mit, dass ein mit Aristophanes zusammenhängender Witz, den er in das Lucasfilm Games-Spiel „Indiana Jones and the last Crusade“ eingebaut hatte, daher rührte, dass er auf dem College ein Aristophanes-Stück auf der Bühne gesehen hatte.

Literatur:

H.G. Nesselrath: Art. Aristophanes [3], in: DNP 1 (1996), 1122-1130.

B. Zimmermann/A. Schlichtmann (Hgg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike, Bd. 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit, München 2011, S. 671-714 (attische Komödie) und 764-800 (Aristophanes).

Michael Kleu

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