Sid Meier’s Alpha Centauri: Von Gaias Stieftöchtern und der Sparta-Koalition

Von Sid Meiers Civilization nach Alpha Centauri

In Sid Meiers großartiger Civilization-Reihe übernimmt man die Leitung einer Zivilisation seiner Wahl (aus der Antike z.B. Karthager, Griechen oder Römer), um diese von der Steinzeit über Antike, Mittelalter und Neuzeit bis maximal in eine – von uns heute aus gesehen – nahe Zukunft zu führen. Dabei kann man das Spiel über verschiedene Siegbedingungen erfolgreich beenden. Mir war immer die Variante am liebsten, in der man gewinnt, indem man ein Raumschiff baut, das einen Teil der eigenen Bevölkerung als Siedler nach Alpha Centauri bringt, um dort eine menschliche Siedlung zu errichten. Insofern war es aus meiner Sicht dann eine tolle Idee Sid Meiers, 1999 mit Alpha Centauri eine Civilization-Variante auf den Markt zu bringen, die eben nicht auf der Erde spielt, sondern bei der Ankunft eines menschlichen Raumschiffes im Alpha Centauri-System einsetzt.

Das Sternsystem Alpha Centauri

Dieses System ist in der Science Fiction recht beliebt, wenn es um Kolonisationsprojekte geht, da Alpha Centauri das der Erde nächste Sternensystem darstellt und somit für die Menschheit – zumindest theoretisch – am schnellsten zu erreichen ist. Der Name leitet sich vom Sternbild Zentaur und somit von den Kentauren der griechischen Mythologie ab, die Mischwesen mit dem Oberkörper eines meist männlichen Menschen und dem Unterkörper eines Pferdes waren. Das Alpha entstammt der Bayer-Bezeichnung, nach der der aus unserer Perspektive hellste Stern eines Sternzeichens mit dem ersten Buchstaben des griechischen Alphabets versehen wird, worauf dann der Name des Sternzeichens im Genitiv folgt. Alpha Centauri ist folglich der hellste Stern bzw. Doppelstern des Sternbilds Zentaur.

Alpha (links) und Beta (rechts) Centauri. Rot markiert ist Proxima Centauri (Photo: Skatebiker at English Wikipedia: hier) (CC BY-SA 3.0)
Chiron der Planet – Cheiron der Kentaur

Da Sid Meier innerhalb dieses Sternensystems natürlich einen erdähnlichen Planeten benötigte, auf dem sich die Menschen niederlassen können, bezeichnete er diesen passend zum Sternbild als Chiron. Chiron oder Cheiron war der Name eines Kentauren, der sich anders als seine meist eher lüstern-unzivilisiert dargestellten Artgenossen durch gewisse zivilisatorische Eigenschaften auszeichnete, weshalb er in der griechischen Mythologie als Lehrmeister verschiedener berühmter Helden wie Achilles, Asklepios oder Iason auftritt. Je nach Überlieferung kommt der eigentlich unsterbliche Kentaur durch Herakles oder Achilles ums Leben, woraufhin er in manchen Versionen seiner Geschichte entweder als Kentaur oder als Schütze an den Sternenhimmel versetzt wird. Die zwei Monde Chirons, Pholus und Nessus (auf Griechisch Pholos und Nessos), sind ebenfalls nach Kentauren benannt, die beide durch Herakles getötet werden. Somit handelt es sich hier zunächst um eine Antikenrezeption, die durch die traditionelle Bezeichnung unseres Sternenhimmels teilweise vorgegeben ist und dann entsprechend ausgebaut wird.

Düstere Zukunft

In den Civilization-Spielen, in denen man das Spiel per Reise nach Alpha Centauri gewinnen kann – diese Siegbedingung gibt es seit Teil III der Reihe -, stellt die Reise quasi die Krönung der menschlichen Entwicklung dar. Bei Alpha Centauri verhält sich dies ganz anders, da hier der Reise zu den Sternen eine düstere Zukunftsprognose zugrunde liegt. Aufgrund von Kriegen, Hunger und Krankheiten bleibt den Menschen bei Alpha Centauri nichts weiter übrig, als unter Leitung der Vereinten Nationen ein Raumschiff namens „Unity“ nach Chiron zu schicken, um dort eine neue Heimat für die Menschen zu finden.

Ein Zwischenfall und warnende Zitate

Kurz vor der Ankunft kommt es jedoch zu einem Zwischenfall, durch den letztlich sieben menschliche Fraktionen mit unterschiedlicher Zielsetzung auf dem Planeten landen. Zu dieser etwas düstereren Ausgangslage des Spiels passt dessen Intro-Video, in dem eine Frauenstimme aus der Konklavenbibel zitiert, wie die Menschen aus dem Garten Eden vertreiben worden sind, der fortan von den Cherubim (Begleitern Gottes, später zu den Engeln zählend) und einem sich drehenden Flammenschwert bewacht wurden, um den Weg zu dem Lebensbaum zu bewachen. Aus dieser Konklavenbibel, die scheinbar aus unserer Zukunft stammt, wird auch später im Spiel immer wieder biblisch Anmutendes zitiert. Somit stellt diese Antikenrezeption einen warnenden Zusammenhang zwischen der biblischen Vertreibung der Menschen aus dem Garten Eden und der großen Gefahr her, die der Mensch heutzutage für das Leben auf der Erde darstellt und die eines Tages vielleicht wirklich dazu führen wird, dass wir dieses Paradies verlassen werden müssen.

Die Fraktionen

Eine der Fraktionen, in die sich die Menschen auf der „Unity“ aufspalten, ist die Sparta-Koalition, die sich – Überraschung! – durch eine primär militärische Ausrichtung auszeichnet. Etwas spannender sind Gaias Stieftöchter, die nach der griechischen Erdgöttin Gaia benannt sind und friedlich im Einklang mit der Natur leben möchten. Diese Fraktion spielt auf die Gaia-Hypothese an und erinnert wohl nicht aus Zufall an Isaac Asimovs Planeten Gaia aus dem Foundation-Zyklus, auf dem sämtliches Leben ein gemeinsames Bewusstsein teilt und zu einer Art Superorganismus verschmolzen ist, der sich später auf alles Leben innerhalb der gesamten Galaxie ausdehnen wird. Auf dem Planeten Chiron ist dies mit einem Riesenfungus verbunden, der wiederum in einem engen Verhältnis zu gewaltigen Würmern steht, die ganz offensichtlich eine Anspielung auf Frank Herberts „Dune“ darstellen.

Alien Crossfire

Die Erweiterung „Alien Crossfire“ baut die Spielidee weiter aus, weist aber, soweit ich derzeitig sehe, keine weitere Antikenrezeption auf.

Fazit

Insgesamt betrachtet handelt es sich bei „Sid Meier’s Alpha Centauri“ um ein (zumindest damals) innovatives und spannendes Science Fiction-Spiel mit gesellschaftskritischer Ausgangslage, das darüber hinaus auch noch Anspielungen auf Meisterwerke der Science Fiction-Literatur und sogar ein wenig Antikenrezeption beinhaltet.

Michael Kleu

4 Kommentare zu „Sid Meier’s Alpha Centauri: Von Gaias Stieftöchtern und der Sparta-Koalition

Gib deinen ab

  1. Ich habe bei Alpha Centauri meistens Gaias Stieftöchter gespielt, weil mir die zugrundeliegende Philosophie der Gruppierung sehr sympathisch war – auch wenn dann mehr Einheiten nicht nach dem Baukastensystem, sondern durch „gezähmte“ Psychoviren gebildet wurden.

    Die Anspielung auf die (durch seine weltumspannend symbiotisch/übernehmend verschmolzene Fungus-Lebensform) Gaia-Hypothese habe ich damals (aus meinem damaligen Lese-Fundus heraus) stark auf Hohlbeins „Die Töchter des Drachen“ bezogen, das mit aus naheliegenden Gründen (Name und daher Identifikation mit der Hauptfigur) recht nahe ging. Ich habe erst später bemerkt, dass die Quelle des Mythos älter ist.

    Die offenkundige Spartaner-Anspielung war mir dagegen recht schnell klar, zumal ich als Kind eine Geschichte gelesen habe, in der quasi hypothetisch Leonidas‘ sich nackt und nur mit einem Dolch bewaffnet unter den Heloten behaupten musste, um dann den weiten Bogen zur Schlacht bei Thermopylae zu schlagen. Das hatte damals großen Eindruck hinterlassen.

    Dune kannte ich damals noch nicht – daher war mir diese Anspielung nicht so richtig klar.

    1. Ich habe bisher nur mit Gaias Stieftöchtern gespielt, weil mir die auch einfach am sympathischsten sind. Vielleicht sollte ich auch den anderen Fraktionen mal eine Chance geben 😉

      Als ich das Spiel als Student gekauft habe, muss ich die Anspielung auf „Dune“ bereits verstanden haben, da ich in Form der David Lynch-Verfilmung schon früh mit dem Wüstenplaneten in Kontakt gekommen bin. Isaac Asimov kannte ich damals noch nicht, sodass ich diesen Bezug sicher nicht verstanden habe.

      „Töchter des Drachen“ kenne ich gar nicht, da muss ich mal recherchieren 😉

      Von Wolfgang Hohlbein habe ich „nur“ die Indiana Jones-Romane gelesen, die mir sehr gut gefallen haben.

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