Hades und Gre’thor: Jenseitsvorstellungen bei Griechen und Klingonen

Gre’thor – die klingonische Hölle

In der Star Trek Voyager-Folge „Barge of the Dead“ (6×03) erfahren wir, dass entehrte Klingonen nach ihrem Tod auf der Barke der Toten nach Gre’thor gebracht werden, dem klingonischen Pendant zur Hölle. Das Tor nach Gre’thor wird von Fek’Ihr bewacht, einem monströsen klingonenartigen Wesen, das zudem die Seelen der Verstorbenen quält (vgl. hierzu auch die TNG-Episode „Devil’s Due“).

Während die Barke durch blutrote Gewässer ihrem Ziel entgegensteuert, versuchen die an Schlangen erinnernden Kos’Karii die Seelen der Entehrten zu sich zu locken, indem sie die Stimmen geliebter Menschen imitieren. Fallen die Seelen darauf hinein, stürzen sie sich voller Hoffnung in das Wasser, wo sie dann jedoch sogleich von den Kos’Karii konsumiert werden.

Der Steuermann des Schiffes ist Kortar (manchmal auch Kotar geschrieben), der als der erste Klingone gilt und gemeinsam mit seiner Frau die klingonischen Götter tötete, wofür beide hart bestraft wurden: Während Kortar auf ewig die Seelen der Entehrten nach Gre’thor transportiert, ist seine namenlose Frau dazu verdammt, für immer unter den Sterblichen zu verweilen, wodurch sichergestellt wird, dass sich die beiden nie wiedersehen werden.

Der Hades – das griechische Totenreich

Wie sich zeigt, scheinen hier gleich mehrere antike Motive in die klingonischen Vorstellungen eingeflossen zu sein. Zunächst einmal ist an Charon zu denken, den Fuhrmann, der Verstorbene mit seinem Nachen über einen in der Unterwelt befindlichen See befördert. Dabei liegt der Unterschied darin, dass Charon nicht Ehrlose zu einer Art Hölle bringt, sondern vielmehr jeden Verstorbenen ins Totenreich (Hades) transportiert, der ordnungsgemäß beigesetzt wurde. Einer Hölle entspricht in der griechischen Mythologie eher der Tartaros, der wie Gre’thor von einer Mauer mit einem Tor umgeben ist.

Das Motiv der Bestrafung findet sich jedoch auf den Hades bezogen in Aristophanes‘ Komödie „Die Frösche“, in der Herakles davon berichtet, bei seiner Reise in die Unterwelt einen Fluss aus Kot und Schlamm gesehen zu haben, in dem sich diverse schlechte Menschen befunden hätten (145-151 u. 274-278). Der oben angesprochene Fek’Ihr entspricht in seiner Funktion als Wächter dem mehrköpfigen Hund Kerberos. Beide bewachen eine Mauer mit Tor, das den Zugang zur Unterwelt darstellt.

Die Kos’Karii als Sirenen

Die Kos’Karii erinnern schließlich an die Sirenen, die Seefahrer mit ihrem Gesang in den Tod zu locken versuchen. Die berühmteste Szene stammt diesbezüglich wohl aus der Odyssee, in der Odysseus seine Männer ihre Ohren mit Wachs verschließen und sich selbst an den Mast binden lässt, um den Gesang der Sirenen hören zu können, ohne dabei in Gefahr zu geraten, während die Männer das Schiff in Sicherheit rudern.1

Kortar und seine Frau

Kortar und seine namenlose Frau, deren Erwähnung aus der Episode herausgestrichen wurde, entsprechen verschiedenen Sagengestalten wie Sisyphos oder Prometheus, die alle für ihre jeweiligen Frevel gegenüber den Göttern bestraft wurden. Vielleicht findet sich hier auch eine Nuance von Orpheus und Eurydike wieder, die ja ebenfalls als Liebespaar getrennt werden, wobei in diesem Fall die Frau durch ihren Tod in die Unterwelt einzieht, während der Mann zumindest vorläufig auf der Erde verweilen muss. In Teilen werden auch Erinnerungen an Hades und Persephone geweckt. In ihrer Form als erster Klingone und erste Klingonin erinnern sie natürlich auch an Adam und Eva und den Sündenfall.

Unsterblichkeit als Strafe

Die Unsterblichkeit als Strafe begegnet bei christlichen Volkssagen aus dem Mittelalter, die vom Ewigen Wanderer bzw. vom Ewigen Juden handeln. In allen Versionen der Geschichte geht es um einen Zeitgenossen des Jesus von Nazareth, der sich etwas gegen diesen hat zuschulden kommen lassen und deshalb mit Unsterblichkeit bestraft wird. Auf dieses Motiv werden wir noch in weiteren Beiträgen stoßen.

Fazit

Wie wir gesehen haben, stellt Gre’thor eine Mischung aus Hades und Tartaros dar, wobei auch die Sirenen sowie verschiedene mögliche Vorlagen für Kortar und seine Frau die Darstellung des Totenreichs für entehrte Klingonen beeinflusst haben.

Mehr zur Antikenrezeption in Star Trek findet Ihr hier.

Totenreich Klingonen
Das Innere des Totenorakels bei Ephyra in Epiros (Photo: Michael Kleu)
Michael Kleu

Anmerkungen

  1. Dass die Kos’Karii mit den Stimmen geliebter Menschen nach ihren Opfern rufen, erinnert an die italienische Odysseeverfilmung „Ulisse“ (1953). Vgl. Otta Wenskus: „Soft“ Science Fiction and Technical Fantasy: The Ancient World in Star Trek, Babylon 5, Battlestar Galacticaand Dr Who, in: Pomeroy, Arthur J. (Hrsg.): A Companion to Ancient Greece and Rome on Screen. Malden, MA 2017, 449–466. Dass sich hinter den Stimmen in Wahrheit eine Art Seeschlangen verbergen, könnte von „The 7th Voyage of Sindbad“ (1958) übernommen worden sein.

0 Kommentare zu „Hades und Gre’thor: Jenseitsvorstellungen bei Griechen und Klingonen

Gib deinen ab

  1. Das Motiv des Paares von Kortar und seiner Frau hatte ich gar nicht mehr präsent. Als Du es aber hier erwähntest – oder eher: Als ich diesen Beitrag endlich gelesen habe, kamen mir sofort Orpheus und Euridike in den Sinn, zumindest bei der Bestrafung.

    Devil’s Due war doch diese Folge mit Ardra, die sich als Göttin aufspielte, mit Hilfe eines getarnten Schiffes? Da fand ich die Stufenpyramiden so toll …

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